Großes Wachstumspotenzial

In der türkischen Abfallwirtschaft ist einiges in Bewegung. Die Regierung hat für die kommenden Jahre ehrgeizige Ziele gesteckt. Geplant sind umfangreiche Investitionen in den Ausbau der Recyclinginfrastruktur.

Türkei will mehr Geld ins Recycling stecken


Die Türkei ist im Begriff, ihre Abfallgesetze an die Vorschriften der EU anzupassen. Dafür haben die türkischen Behörden bereits in den vergangenen Jahren eine Reihe von neuen gesetzlichen Bestimmungen erlassen. Erst vor einigen Monaten hat das Ministerium für Umwelt und Stadtentwicklung eine neue Verordnung für das Entsorgungsmanagement von Abfällen und Abwässern veröffentlicht.

Die Anpassung an EU-Standards sorgt für eine große Dynamik im Entsorgungs- und Recyclingmarkt. „Eine Grundlage dieser Entwicklung ist der zehnte Nationale Entwicklungsplan. Dieser enthält unter anderem einen Finanzierungsplan für die nötigen Investitionen, um die EU-Direktiven umzusetzen, einzuführen und um mehr Abfälle zu recyceln“, erklärte der Staatssekretär im türkischen Ministerium für Umwelt und Urbanisierung, Mustafa Öztürk, Anfang der Woche bei der „Waste-to-Energy“-Konferenz in Wien. Weitere Grundlagen seien der nationale Strategieplan für die Jahre 2013 bis 2017 sowie der Aktionsplan für Wiedergewinnung 2014 bis 2017. Diese Pläne würden Umweltstrategien, Bewertungsstudien und detaillierte Informationen zu den geplanten Maßnahmen enthalten.

„Das wirtschaftliche Wachstum der Türkei ist stark von Rohstoff- und Energieimporten abhängig“, berichtete Öztürk. Durch Investitionen in eine verstärkte Wiedergewinnung von Sekundärrohstoffen wolle die türkische Regierung vor allem diese Abhängigkeit reduzieren. Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass dadurch auch die hohen Kosten für die Importe gesenkt werden.

Interessante Geschäftschancen für ausländische Firmen

Die Regierung hat auch ehrgeizige Recyclingziele formuliert: Bis 2020 müssen 60 Prozent der in Haushalten anfallenden Glas-, Kunststoff-, Metall- und Papierabfälle stofflich recycelt werden. Ab Ende 2023 sollen alle Siedlungsabfälle nur noch in zugelassenen integrierten Abfallentsorgungseinrichtungen behandelt werden.

Darüber hinaus muss die Deponierungsmenge der biologisch abbaubaren Abfälle drastisch reduziert werden. „Mit 2005 als Bezugsjahr, ist für 2015 eine Reduzierung um 75 Gewichtsprozent anvisiert“, sagte Öztürk. Bis 2018 sei eine Reduzierung gegenüber 2005 um 50 Gewichtsprozent und bis 2025 eine Reduzierung um 35 Gewichtsprozent vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund ist in den kommenden Jahren mit umfangreichen Investitionen in moderne Recyclingtechnologien, Ausrüstungen oder Dienstleistungen zu rechnen. Auch für ausländische Unternehmen könnten sich interessante Geschäftschancen ergeben. „Die Türkei hat ein großes Interesse daran, bezüglich Know-how, Forschung und Entwicklung, Umwelttechnologien und finanziellen Angelegenheiten mit der ganzen Welt zu kooperieren“, erklärte Öztürk.

Immer mehr Verpackungsabfälle

Nach Angaben des türkischen Statistikamts Turkstat sind in den Städten und Kommunen im Jahr 2012 im Durchschnitt täglich 1,12 Kilogramm Haushaltsabfall pro Einwohner angefallen. Insgesamt habe sich das auf 25,8 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle summiert oder anders ausgedrückt auf fast 409 Kilogramm pro Einwohner.

Der Haushaltsmüll besteht den Turkstat-Zahlen zufolge zu etwa 34 Prozent aus organischen Küchenabfällen. Durch die sich ändernden Lebens- und Konsumgewohnheiten der türkischen Verbraucher fallen auch immer mehr Verpackungsabfälle an. So ist der Anteil dieses Stroms am Hausmüll auf 20 Prozent gestiegen. 16 Prozent entfallen darüber hinaus auf Papier und Pappe, 6 Prozent auf Glas, 2 Prozent auf Kunststoffe und 1 Prozent auf Metall.

In den Städten hatten den Turkstat-Zahlen zufolge immerhin rund 98 Prozent der Bevölkerung Zugang zu den kommunalen Abfallsammelsystemen. In den meisten ländlichen Gebieten ist man von diesen Anschlusszahlen allerdings noch weit entfernt. Hier sei ein Sammelsystem noch Mangelware, unterstrich Öztürk. Vom kommunal erfassten Hausmüll gelangt derzeit noch recht wenig ins stoffliche Recycling – 70 Prozent der Abfälle würden den Weg auf die Deponien nehmen.

Anzahl der Recyclinganlagen nimmt zu

Landesweit gibt es laut Öztürk 80 Siedlungsabfalldeponien sowie sieben Deponien der Klasse I für gefährliche Abfälle. Diese hätten eine Gesamtkapazität von etwas mehr als 763.000 Jahrestonnen. „Seit einigen Jahren liegt das Augenmerk der Bevölkerung und der Behörden verstärkt auf den Umweltauswirkungen von Abfällen und Deponien. Daher entsprechen die meisten Deponien den Auflagen und Vorschriften der Umweltbehörden und verfügen über entsprechende Technologien“, sagt Öztürk. Bis 2023 soll die unkontrollierte Deponierung von Abfällen zu 100 Prozent unterbunden werden.

Dank weiterer Investitionen in das stoffliche Recycling ist die Zahl der Recyclinganlagen inzwischen auf aktuell 2.110 gestiegen ist. Auch in den rasch wachsenden Bereich der Verpackungsabfälle wurde mehr investiert. Mittlerweile gibt es 642 Recyclinganlagen für Verpackungsabfälle und 497 Sortieranlagen.

Ein weiterer Bereich, in dem sich im vergangenen Jahrzehnt eine Menge getan hat, sind die gefährlichen Industrieabfälle. „Im Jahr 2003 existierten gerade einmal 13 Behandlungsanlagen – heutzutage sind es 362 Anlagen“, sagt Öztürk. Daneben stünden auch 41 Müllverbrennungsanlagen und Mitverbrennungsanlagen zur Behandlung dieser Abfälle zur Verfügung. Die Gesamtverbrennungskapazität der Müllverbrennungsanlagen beziffert der Staatssekretär auf 52.500 Jahrestonnen, in diesem Jahr sollen weitere 50.600 Jahrestonnen hinzukommen. Im Bereich der medizinischen Abfälle gebe es derzeit 50 Sterilisationsbetriebe und zwei Verbrennungsanlagen.

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