Abfallvermeidung

In immer mehr deutschen Städten gibt es Supermärkte, die es den Kunden ermöglichen, verpackungsfrei einzukaufen. Der neue Trend wirft Fragen auf: Hat er das Potenzial zur Massenbewegung und wie beeinflussen die Unverpackt-Läden die konventionellen Supermärkte?

Unverpackt einkaufen: Trend oder Nische?


Berlin, München, Bremen: In immer mehr deutschen Städten gibt es Supermärkte, die es den Kunden ermöglichen, verpackungsfrei einzukaufen. Kürzlich hat es die „Anti-Verpackungsbewegung“ sogar in die New York Times geschafft. Doch ist das verpackungsarme Einkaufen tatsächlich ein Trend?

„Die Sensibilisierung der Kunden für das Thema Verpackung wächst. Daher erhalten wir dazu häufiger als früher Anfragen“, sagt Andrea Ebert von der Edeka-Kette. Auch bei Real nimmt man den Trend nach einer Reduzierung und Vermeidung von Verpackungsmaterial wahr. Anders bei Rewe: „In unsere rund 3.500 Supermärkte kommen wöchentlich 27 Millionen Kunden – Tendenz steigend. Dem gegenüber stehen nicht mal eine Hand voll Kundenanfragen im Jahr, die gerne verpackungsarm beziehungsweise -frei einkaufen möchten“, sagt Unternehmenssprecher Thomas Bonrath.

Das Konzept der verpackungsfreien Supermärkte ist nach Bonraths Ansicht nur „in der Nische“ tragfähig. Rewe habe in der Vergangenheit schon einige Male Systeme wie Food-Dispenser getestet – und wieder eingestellt, denn die Akzeptanz beim Kunden „entsprach nicht den Erwartungen“.

Ambivalenz beim Kunden

Bei der Kundschaft von Biosupermärkten könnte man mehr Offenheit für das Thema erwarten und tatsächlich bemerkt Antje Müller vom Bioanbieter denree, dass der Wunsch der Kunden nach verpackungsfreier Ware klar zu erkennen ist. „Es beginnt zum Beispiel mit dem Schritt, auf eine zusätzliche Verpackung bei losen Waren im Obst- und Gemüsebereich zu verzichten. Auch bringen viele Kunden zunehmend eigene Stofftragetaschen oder Einkaufskörbe mit, um den Einkauf zu transportieren. In den Märkten verkaufen wir auch selbst Mehrwegbehältnisse für Obst und Gemüse“, sagt Müller.

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Sascha Rieth, zuständig bei der Qualitätssicherung der Supermarktkette Bio Company, bemerkt jedoch eine große Ambivalenz bei dem Thema. Einerseits gäbe es einen spürbaren Trend zu Convenience-Produkten, andererseits hätten die Kunden auch ein Interesse an Verpackungsvermeidung. „Den typischen Kunden gibt es nicht. In manchen Situationen steht Bequemlichkeit doch im Vordergrund und der Kunde nimmt beispielsweise verpackten Feldsalat statt loser Ware“, sagt Rieth.

Rewe erkennt sogar von Land zu Land Unterschiede. „Selbst in Deutschland gibt es ein großes Nord-Süd-Gefälle, was die Erwartungen an Hygiene und Produktpräsentation/-lagerung betrifft: Wo es im Süden notwendig ist, die Produkte der Back-Stationen im höchsten Maße mit Glas als „Spuckschutz“ abzusichern, ist das im Norden weniger nötig. In der Schweiz wiederum könnte man die Ware fast ungesichert verkaufen“, sagt Bonrath.

Verpackungen als Schutz

Neben den individuellen Kundenwünschen gibt es in Deutschland zudem hohe Anforderungen an Hygiene und Lebensmittelkennzeichnung, die das Angebot loser Ware in der Größenordnung, wie sie Vollsortimenter anbieten, erschweren oder unmöglich machen, so der Rewe-Sprecher. In ähnlicher Weise argumentieren auch die Vertreter der anderen Supermärkte. Wegen hygienischer Bedenken erlaubt kein großer Supermarkt das Mitbringen eigener Behälter für Wurst oder Käse von der Frischetheke.

Abgesehen davon haben Läden wie „Original Unverpackt“ in Berlin oder „Ohne“ in München nur ein sehr begrenztes Sortiment. In Supermärkten wie Real erwartet der Kunde hingegen ein umfassendes Sortiment. Außerdem muss es in großen Supermärkten an der Kasse schnell gehen. Mit einem Barcode auf der Verpackung lässt sich der Vorgang an der Kasse erheblich beschleunigen.

Verpackungen haben zudem insbesondere bei sensibler Ware wie Obst und Gemüse häufig den Zweck, die Ware beim Transport besser zu schützen. „Ein plakatives Beispiel ist die Gurke in Folie“, sagt Edeka-Sprecherin Andrea Ebert. Die Umwelt-Gesamtbilanz sei günstiger, wenn Gurken, die einen längeren Transportweg haben, in Folie eingeschweißt werden, da auf diese Weise weniger Produkte verderben können. „Wir arbeiten an Optimierungen. Bei Gurken mit kurzem Transportweg wird auf Folie verzichtet“, sagt Ebert.

Potenzial bei der Verpackungsoptimierung

Während das Mitbringen von eigenen Behältern überwiegend kritisch gesehen wird, geben alle befragten Supermärkte an, sich um die Reduktion von Umverpackungen zu bemühen. Dem Discounter Aldi Süd spielt dabei sein grundsätzliches Konzept in die Hände: Direkt von der Palette verkauft der Discounter eher Standardprodukte. „Wir versuchen stets, auf unnötige Umverpackungen beziehungsweise aufwändige Zierverpackungen zu verzichten“, sagt Pressesprecherin Lina Unterbörsch.

Aldi habe zudem unternehmenseigene Mehrwegkisten entwickelt, die für den Transport von Obst und Gemüse eingesetzt werden, um Verpackungsmüll in Form von Transportkartonagen zu vermeiden. In den zurückliegenden fünf Jahren habe Aldi Süd auf diese Weise über 200 Millionen Kartonagen eingespart. Edeka, Real, Lidl und Netto geben zudem an, Leitfäden und Kriterien entwickelt zu haben, die Maßnahmen zur Reduktion von Verpackungsmaterial und zur Wiederverwertbarkeit von Verpackungen beschreiben.

Der Trend hin zu weniger Verpackungen ist also zweifelsfrei erkennbar. Dass aber schon bald eine große Zahl Verbraucher mit Tupperware in den Laden läuft, um sich dort Lebensmittel abzufüllen, erscheint eher unwahrscheinlich. Unverpackt einkaufen dürfte ein Trend werden, aber nur einer in der Nische.

 

320°/db

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