WEEE-Verpflichtungen

Einige Online-Händler werden ungewollt zu schwarzen Schafen, andere entscheiden sich ganz bewusst dazu. In jedem Fall verletzen Trittbrettfahrer die Pflichten, die aus der WEEE-Richtlinie resultieren. Dagegen kann man jedoch vorgehen – mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen.

Was man gegen Trittbrettfahrer im Online-Handel tun kann


Der Online-Handel boomt. Dieser Boom hat aber auch seine Schattenseiten. Denn er bietet viel Platz für Trittbrettfahrer. Viele Online-Händler kommen nämlich ihren Verpflichtungen gemäß WEEE-Richtlinie nicht ausreichend nach. Einer Studie der OECD zufolge beträgt der Anteil dieser Freerider zwischen 5 und 10 Prozent des OECD-Marktes für Elektro- und Elektronikgeräte.

Allein in der EU geht es somit um 460.000 bis 920.000 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte, die nicht gesetzeskonform in den Verkehr gebracht werden. Das haben die Autoren der OECD-Studie „Extended Producer Responsibility (EPR) and the Impact of Online Sales“ berechnet. Vielen Händler sei gar nicht bewusst, dass sie ihre Pflichten verletzen. Zum anderen aber sei auch die Komplexität der Regulierungen für viele schlicht zu verwirrend. Hinzu komme, dass die Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung zu wenig überprüft werde.

Alle Stakeholder müssen bei Informationsarbeit helfen

In der Tat erscheint es nicht einfach, den Überblick im Gestrüpp der weltweit geltenden Vorschriften bezüglich des Umgangs mit Elektro- und Elektronikprodukten zu behalten. Selbst in der EU mit einer einzigen WEEE-Richtlinie gibt es 28 Interpretationen dieser Vorschriften. Und 28 verschiedene Ansätze zur Registrierung, Finanzierung und Berichterstattung. In den USA gibt es 26 verschiedene staatliche Regelungen. Kanada hat aktuell zehn verschiedene Provinzgesetze für Elektro- und Elektronik-Altgeräte und zwei Gebietsregelungen.

Das Fazit der OECD-Autoren liegt auf der Hand: „Je klarer und harmonisierter die Regelungen sind, desto einfacher ist es für Hersteller und Online-Händler, sie nachzuvollziehen – und desto geringer ist das Risiko des unbeabsichtigten Trittbrettfahrens.“ Die EU-Kommission ist ebenfalls zu dieser Erkenntnis gekommen. Sie beabsichtigt, noch in diesem Jahr ein gemeinsames Format für die Meldung an die nationalen Register einzuführen. Allein das könnte die Situation für Online-Verkäufer verbessern, meinen die Autoren der Studie.


[su_accordion]
[su_spoiler title=“Der Online-Handel boomt“]

  • In den USA haben sich die E-Commerce-Umsätze nach Angaben des US-Handelsministeriums im dritten Quartal 2017 auf 115,3 Milliarden US-Dollar (98,68 Milliarden Euro) belaufen. Dies entspricht rund 9 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes. Gegenüber 2008 (3,5 Prozent) und 2000 (1 Prozent) sei das ein deutlicher Anstieg.
  • Auch in Europa sind die Online-Umsätze rapide gestiegen: von rund 201 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 233 Milliarden Euro im Jahr 2016.
  • Gemessen am Marktanteil hatten die Online-Einzelhandelsumsätze im Jahr 2016 in den einzelnen EU-Staaten zwischen 3 und 17 Prozent des Gesamtumsatzes erreicht. Die höchsten Anteile sind in Großbritannien (17 Prozent) und in Deutschland (14 Prozent) zu verzeichnen, die niedrigsten in Polen (4 Prozent) und Italien (3 Prozent).
  • Einen großen, teilweise sogar den größten Anteil aller Online-Umsätze Imachen Computer und Unterhaltungselektronik aus. Für die USA beziffert die OECD diesen Anteil auf rund 22 Prozent.
  • In der EU wird der Marktanteil des Einzelhandels mit Elektro- und Elektronikgeräten in auf gut 30 Prozent geschätzt, wobei es aber zwischen den einzelnen Staaten Unterschiede gibt.
  • Der Online-Einkauf von Unterhaltungselektronik ist in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien besonders beliebt. Fast vier von zehn Personen, die online eingekauft haben, haben einen Artikel in dieser Kategorie gekauft.

[/su_spoiler]
[/su_accordion]


Um die Informations- und Aufklärungsarbeit zu unterstützen, könnte auch ein Zertifizierungsprogramm helfen. Anhand der Zertifizierung könnten die Kunden auch erkennen, welche Elektro(nik)produkte gesetzeskonform verkauft werden und darauf basierend informierte Kaufentscheidungen treffen, heißt es in der Studie.

Ein weiterer Vorschlag für eine verbesserte Informationsarbeit geht in Richtung der Multi-Seller-Marktplatz-Plattformen. Diese könnten die Verkäufer auf ihren Websites proaktiv über ihre Verpflichtungen in Bezug auf die EPR informieren. Diejenigen, die nicht über eine entsprechende Registrierung bei einem der Herstellerverantwortungssysteme verfügen, könnten sie einfach von ihren Websites entfernen.

Verdächtige Trittbrettfahrer den Behörden melden

Daneben gibt es aber auch jene Online-Händler, die sich bewusst ihren EPR-Pflichten entziehen. Sie sparen dadurch Gebühren und Kosten. Die OECD-Autoren zählen vier Maßnahmen auf, mit denen man diesen Trittbrettfahrern durchaus auf die Finger klopfen kann:

  • Erforderlich sei ein einziges elektronisches Register der Hersteller für jedes Zuständigkeitsgebiet. Dieses sollte auf der Webseite der zuständigen Behörde zusammen mit einem Formular zur Meldung nicht registrierter Hersteller beziehungsweise Online-Händlern veröffentlicht werden.
  • Herstellerorganisationen sowie auch registrierten Herstellern und Vertreibern sollte es auf einfache Weise möglich sein, verdächtige Trittbrettfahrer den Behörden zu melden.
  • Die Durchsetzungsmaßnahmen sollten auf supranationaler beziehungsweise nationaler Ebene koordiniert werden.
  • Es müssten Mechanismen entwickelt werden, damit Zoll-, Steuer- und Handelsbeamte mit den Umweltbehörden Hand in Hand arbeiten können. Die OECD kann sich hier auch gut eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit vorstellen.

Explizite Pflichten für Online-Händler nötig

Daneben muss aber auch an den bestehenden gesetzlichen Schrauben gedreht werden. Nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte nach Ansicht der Autoren unter anderem folgende Schritte:

  • Einen harmonisierten Rahmen für die Registrierung schaffen. Das würde die Konformitätsverfahren in einer Vielzahl von Ländern/Territorien vereinfachen und somit den Verwaltungsaufwand für die Hersteller/Online-Händler verringern.
  • In die WEEE-Gesetzgebung sollte ausdrücklich die Möglichkeit integriert werden, ein Unternehmen wegen illegaler Handlungen in einem anderen Land beziehungsweise Gebiet strafrechtlich verfolgen zu können, um die Durchsetzung zu erleichtern.
  • Die Verordnung über die erweiterte Herstellerverantwortung muss weiter vereinfacht und harmonisiert werden. Hier sollten sehr expliziten Verpflichtungen insbesondere für Online-Verkäufer – nicht nur für Fernverkäufer – aufgeführt werden. Der Verordnungstext sollte zudem klar und einfach verständlich formuliert werden.
  • Alle Websites, die Elektro- und Elektronikgeräte unter ihrem eigenen Namen verkaufen, müssen die Details ihrer Registrierung bei den Herstellerorganisationen angeben. Das gelte auch für die in ihrem Namen in den EU-Ländern handelnden Bevollmächtigten. Ihre EPR-Konformität müsste durch ein Logo auf ihren Webseiten deutlich bewiesen werden. Zudem müssten sie die Adresse und Kontaktinformationen der für die Webseite juristisch verantwortliche Person angeben.

Etliche dieser Vorschläge sind nicht das Ergebnis eines Think-Tanks, sondern basieren auf bereits bewährten Praktiken. Die OECD-Autoren nennen als Beispiel die irische WEEE-Verordnung, die spezielle Klauseln für Fernverkäufer enthält. Diese sind demnach unter anderem dazu verpflichtet, ihre WEEE-Hersteller-Registrierungsnummer auf ihren Websites anzugeben.

Die britischen WEEE-Vorschriften dagegen verlangen von den Herstellern von Elektro- und Elektronik-Altgeräten, dass sie die EPR-Anforderungen der Länder erfüllen, in die sie exportieren. Unternehmen, die dies nicht tun, könnten verfolgt werden – zumindest theoretisch.

 

© 320° | 05.07.2018

Mehr zum Thema
Mehr Rezyklate, weniger Plastik: Was Apple bislang erreicht hat
Wird die Energie- und Antriebswende ausgebremst?
Einweg-E-Zigarette mit abnehmbarem Akku
Kreislaufwirtschaft: Deutschland und China vereinbaren Aktionsplan
Alternative Papiersorten: Wie gut sind die Top Ten wirklich?
iPhone-Reparatur: Apple lässt gebrauchte Originalteile zu 
Rohstoffimporte: „Höchste Zeit für einen Kurswechsel“
Gute Nachfrage lässt Altpapierpreise steigen
Deutsche Industrie weiter im Plus
Künstliche Intelligenz soll Elektroaltgeräte analysieren