Altkleidermarkt

Billigmode wird schnell gekauft und schnell weggeworfen. Für Textilrecycler ist das keine gute Nachricht. Im Gegenteil: Die sogenannte Fast Fashion wird für die Branche zunehmend zum Problem.

Was tun mit den Billigklamotten?


Billig gekauft – ein paar Mal getragen – weggeworfen und rasch etwas Neues angeschafft: Die sogenannte Fast Fashion, die Modeketten wie H&M, Primark oder Zara zu günstigen Preisen anbieten, liegt immer mehr im Trend. Dementsprechend voll sind die Lager bei den Textilrecyclern. Doch die freuen sich keineswegs über die Materialflut. Im Gegenteil: Der Recyclingverband bvse warnt mittlerweile vor einem „Second-Hand-Kreislauf-Kollaps“.

Der Grund für die verhaltene Freude ist einfach erklärt: Die Kleidung, die tonnenweise weggeworfen wird, ist von minderer Qualität und kann nicht als Second-Hand-Ware weiterverkauft werden. In vielen Fällen müssen Fast Fashion-Artikel verbrannt werden.

Wie stark das Billigsegment in der Mode gewachsen ist, zeigt eine Studie von Greenpeace mit dem Titel: „Konsumkollaps durch Fast Fashion“. Demnach hat sich seit dem Jahr 2000 die weltweite Textilproduktion fast verdoppelt. Auch die Umsatzzahlen der größten Fast-Fashion-Konzerne zeigen bei fast allen stark nach oben, wenngleich die Preise zwischen 2000 und 2015 nur um 15 Prozent gestiegen sind.


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Wie die Studie zeigt, folgen vor allem die Industrienationen dem Modediktat, das sich rasend schnell ändert: Bis zu 24 Kollektionen bieten manche Modeketten jährlich an. So kauft jeder Deutsche mittlerweile im Schnitt zehn Kilogramm neue Kleidung pro Jahr.

In den USA kauft jeder Einwohner sogar 16 Kilogramm Klamotten jährlich. In Afrika sind es hingegen lediglich zwei Kilogramm pro Person. In Deutschland hat sich die Tragedauer in den vergangenen 15 Jahren halbiert.

Das starke Wachstum der billigen Kleidung ist vor allem dem verstärkten Einsatz von Polyester zu verdanken. „Die Kunstfaser ist billig und einfach zu produzieren“, schreiben die Autoren der Studie. Demnach wurden im Jahr 2000 weltweit etwa 8,3 Millionen Tonnen Polyester für Kleidung genutzt, nur sechs Jahre später hat sich die Menge mit 21,3 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt.


Fast Fashion-Industrie: Polyester auf dem Vormarsch

Greenpeace-Grafik

Quelle: Greenpeace

Der hohe Polyesteranteil macht dabei auf mehreren Ebenen Probleme: Die CO2-Emissionen sind schon bei der Herstellung dreimal so hoch wie bei Baumwolle. Hinzu kommt, dass sich die Mikrofasern beim Waschen lösen und so in Flüssen und Meere gelangen können. Und auch die Recycler haben mit der Wegwerfware zu kämpfen.

So beklagt der bvse, dass die Wegwerfware aufgrund ihrer minderwertigen Materialzusammensetzung – meist aus synthetischen Stoffen – nicht als Second-Hand-Ware verwendet werden könnte. Auch das Recycling gestalte sich aufgrund der vorwiegend eingesetzten Materialmixe oft als schwierig bis unmöglich.

Auch die Autoren der Greenpeace-Studie kommen zu dem Ergebnis, dass das Faser-zu-Faser-Recycling „so gut wie gar nicht stattfindet“. Neben der Schwierigkeit, die Fasern zu identifizieren, sei es extrem herausfordernd, die verschiedenen Stoffe und Knöpfe, Reißverschlüsse etc. zu trennen. „Das Recycling von Synthetik-Fasern ist deutlich begrenzter, und nur wenige Unternehmen bieten eine chemische Wiederverwertung synthetischer Stoffe an“, schreiben die Autoren.

„Noch nie waren die Container so voll“

Die „Ex- und Hopp-Kleidung“ macht laut Martin Wittmann, Vorsitzender des Fachverbands Textilrecycling beim bvse, mittlerweile den Hauptanteil an der Sammelware aus. „Noch nie waren die Container so voll“, sagt er. In der Folge seien die Lagerkapazitäten der Textilrecycler so gut wie erschöpft. Obendrein fehlt aufgrund der billigen Neuware die Nachfrage auf dem Second-Hand-Markt. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern ist mittlerweile ein weltweites Problem.

Auch auf der Jahrestagung des Weltrecyclingverbands BIR in Barcelona wurden vor wenigen Wochen die globalen Absatzprobleme deutlich: In vormals großen Abnehmerregionen wie Ostereuropa oder Afrika werden die Recyclingunternehmen ihre Ware nicht mehr los, da auch diese Länder mit Billigware – meist aus Fernost – überschwemmt werden. Ein für 2019 angekündigtes Importverbot von Altkleidern in viele ostafrikanische Staaten wurde aber laut bvse mittlerweile wieder verworfen.

Chancen durch Start-Ups im Faserrecycling

Mit Sorge betrachtet der Verband auch die EU-Vorschrift, dass ab 2025 alle Kommunen eine Altkleidersammlung einführen müssen. Die Gefahr sei groß, „dass wir durch die dann zweifelsfrei auftretende Vermischung der guten Ware mit den nicht mehr verwertbaren Textilabfällen noch mehr schlechter vermarktbare Recyclingware erhalten und nicht mehr kostendeckend sammeln können“, sagt Wittmann.

Chancen für seine Branche sieht der bvse-Vertreter in den zahlreichen Start-Ups und Initiativen zum Faserrecycling. „Hier liegen gute Chancen für gemeinsame Kooperationen zwischen der Textilrecyclingbranche und den Herstellern“, betont er. „Die Textilrecyclingkette ist mit ihrer Expertise in der Lage, den Textilproduzenten genau die hochwertigen und spezialisierten Recyclingqualitäten zu liefern, die diese als Input für die Herstellung von Recyclingfasern brauchen.“

 

© 320° | 11.07.2018

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