Interview zur Entsorgung von Photovoltaikmodulen

Das Recycling von ausgedienten Solarmodulen wird mit Inkrafttreten der Herstellerverantwortung an Bedeutung gewinnen. Die bestehenden Recyclingprozesse funktionieren, könnten aber optimiert werden, sagt Andreas Wade von First Solar im Interview. Er fordert einen europäischen Recyclingstandard.

„Was wir brauchen, sind auch qualitative Vorgaben“


Mit der Novellierung der Europäischen Richtlinie über Elektro- und Elektronikaltgeräte (WEEE) im Jahr 2012 wurden die Hersteller von Photovoltaikmodulen in die Pflicht genommen. Das bedeutet, dass sie für deren Entsorgung und das Recycling verantwortlich sind. In Deutschland ist die Richtlinie noch nicht umgesetzt, das neue Elektro- und Elektronikgesetz (ElektroG) soll aber spätestens im kommenden Jahr in Kraft treten.

Herr Wade, drei Monate nach Inkrafttreten des geplanten neuen ElektroG müssen auch PV-Module im Sinne der Herstellerverantwortung gesammelt und recycelt werden. Die Pflicht gilt, weil eine freiwillige Selbstverpflichtung gescheitert ist. Warum blieben alle Versuche erfolglos?

First Solar
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Es ist nicht ganz richtig, dass alle Versuche gescheitert sind. Nur für die gesamte Branche hat es nicht geklappt. Der Herstellerverband PV Cycle wollte ein Rücknahmesystem aufbauen. Das ist gescheitert, weil die Mitglieder nicht bereit waren, finanzielle Mittel im Vorfeld für den Aufbau eines solchen Systems bereitzustellen. Hier wollten die Unternehmen erst dann finanzieren, wenn die Module zurückkommen – das hat dem EU-Parlament nicht gereicht. Es gibt aber Hersteller, die freiwillig ein vorfinanziertes Rücknahmesystem eingeführt haben. Bei First Solar haben wir schon seit 2005 Geld zurückgestellt.

Wieviel Geld muss für die Entsorgung der Module zurückgelegt werden?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen, da die tatsächlichen Kosten ja auch erst viel später anfallen. In Deutschland verlangt die Stiftung Elektro-Altgeräteregister – die ear -, dass ein Garantiebetrag von rund 70 Euro pro Tonne Photovoltaikmodule vorgehalten wird. Das entspricht den Schätzungen der voraussichtlichen mittleren Entsorgungskosten von 200 Euro multipliziert mit der voraussichtlichen Rücklaufquote von 30 Prozent. Dabei wurden die Behandlungs- und Logistikkosten auf dem jetzigen Markt bestimmt und ein Puffer eingeplant, um den historischen Abfall, der nicht finanziert ist, aufzufangen. In anderen Ländern sieht das anders aus. Teilweise ist es günstiger, weil auch weniger auf dem Dach verbaut wurde. Als Extrembeispiel gilt Bulgarien – hier soll eine Tonne etwa 1.000 Euro kosten. Dieser Flickenteppich ist für die Hersteller eine ziemliche Herausforderung.

First Solar hat sich gegen ein Gemeinschaftssystem entschieden und nimmt die ausgedienten Module selbst zurück. Wie viele Module können Sie über Ihre Tochtergesellschaft First Solar recyceln?

Unsere Anlage bei First Solar in Frankfurt (Oder) verfügt über eine Jahreskapazität von mehreren tausend Tonnen. Allerdings können wir natürlich nicht alle ausgedienten Module selbst einsammeln. Deshalb müssen wir uns auch an der Abholkoordination beteiligen. Das heißt, an den Sammelstellen wie den Wertstoffhöfen werden die Mengen prozentual den Herstellern zugeteilt. Das wird anhand der Marktanteile im vergangenen Jahr ausgerechnet. Dieser Marktanteil wird auf dem Papier kleiner, wenn wir nachweisen, dass wir eine bestimmte Menge durch die Eigenrücknahme bereits gesammelt haben. Das wird wiederum von der ear verrechnet.

Mit welchem Rücklauf rechnen Sie für dieses Jahr?

Das ist die Gretchenfrage. PV Cycle hat in den vergangenen Jahren von rund 5.000 Tonnen europaweit gesprochen. In diesem Jahr werden es vermutlich noch keine großen Mengen sein. Die 10.000 Tonnen-Marke wird wohl Anfang der 2020er Jahre geknackt werden. Was natürlich passieren kann ist, dass alte Module derzeit erstmal zurückgehalten werden, da sie ja bald kostenlos entsorgt werden können und dann einmalig etwas mehr zurückgegeben wird.

Viele der damaligen Hersteller, deren Module jetzt oder in den kommenden Jahren als Abfall anfallen, gibt es nicht mehr. Wer kommt für die Kosten der Entsorgung auf?

Das ist im Gesetz geregelt. Die jetzt im Markt verbliebenen Teilnehmer müssen dafür solidarisch aufkommen. Inwiefern das gerecht ist, ist die Frage. Aber durch das Gesetz sind alle gleich beteiligt.

Allerdings schrumpft der Markt weiter und es werden weniger Module herstellt, als zur Entsorgung anfallen. Entsteht nicht auch hier eine Deckungslücke?

Installierte Leistung 2013Das könnte sein, das macht wohl auch der ear ein wenig Kopfzerbrechen. Aber deswegen ist wohl der Deckungsbeitrag auch recht hoch gewählt, um für diese Situation Rücklagen zu bilden.

Die geforderte Verwertungsquote liegt bei 75 Prozent. Gibt es Probleme, diese Vorgabe zu erfüllen?

Nein, überhaupt nicht. Wir selbst erreichen Quoten von 90 Prozent, andere Recycler kommen auf ähnliche Werte. Das liegt daran, dass die Module zu einem Großteil aus Materialien wie Glas und Aluminium bestehen, die sehr gut verwertbar sind.

Was geschieht mit den verbleibenden 10 Prozent?

Bei unseren Dünnschicht Modulen gewinnen wir neben dem Glas der Module auch den Halbleiter zu ca. 95 Prozent zurück, so dass dieser wieder in der Herstellung neuer Module eingesetzt werden kann. Der sehr kleine Rest, zum Großteil feinster Glasstaub aus dem mechanischen Aufschluss, sowie die Modulversiegelung aus verschiedenen Kunststoffen werden thermisch verwertet beziehungsweise gemäß den gesetzlichen Bestimmungen entsorgt. Ähnlich wird auch mit den verbleibenden Restmengen bei den Siliziumtechnologien umgegangen.

In den vergangenen Monaten gab es vereinzelt Kritik an den rein gewichtsbasierten Quoten, auch von Ihrer Seite. Sie fordern eine qualitative Komponente. Was meinen Sie damit?

Ich würde mir in der Tat wünschen, dass die Vorgaben sich nicht nur auf gewichtsbasierte Quoten beziehen. Was wir brauchen, sind auch qualitative Vorgaben. Das heißt, bestimmte Stoffe wie Silber, Silizium oder Indium und Tellurium die sehr wertvoll sind, bzw. einen sehr hohen Energieaufwand in der Herstellung und Raffination haben sollten definitiv recycelt werden. Wir arbeiten momentan im Industrieverband daran, einen Recyclingstandard auf europäischer Ebene zu etablieren. Dabei soll auch der Stand der Technik dokumentiert werden. Ich hoffe, der regulatorische Rahmen dazu wird bald kommen.

© 320°/ek | 30.03.2015

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