Weniger CO2-Emissionen

Die EU-Kommission will Europa bis 2050 klimaneutral machen. Die Abfallverbrenner kündigen ihre Unterstützung an. Und sie legen nach: Sie könnten noch viel mehr CO2-Emissionen einsparen, wenn denn die richtigen Maßnahmen ergriffen würden.

Waste-to-Energy-Branche rüstet sich für EU-Klimastrategie


Es ist ein Europa mit Elektroflitzern und optimal gedämmten Häusern, mit neuartigen Fabriken und Bauernhöfen – aber ohne Benzin- oder Diesel-Autos und ohne Kohlekraftwerke. In gut 30 Jahren soll all das wirklich werden. Bis zum Jahr 2050 will die EU-Kommission die Bereiche Energie, Verkehr und Industrie in Europa so umbauen, dass sie das Weltklima nicht mehr belasten.

Wie das genau gehen soll, beschrieb die Kommission am Mittwoch in einem Strategiepapier. Der Umbau zur weltweit ersten „klimaneutralen“ Volkswirtschaft sei für Europa nicht nur machbar und für den Klimaschutz unerlässlich, sondern am Ende auch ein gutes Geschäft, meinten die beiden zuständigen EU-Kommissare Maros Sefcovic und Miguel Arias Cañete bei der Vorstellung des Papiers am Mittwoch (27. November). „Wir können es schaffen und wenn wir Erfolg haben, werden andere folgen“, meinte Arias Cañete.

Klimaneutral bedeutet dem Plan zufolge vor allem eine Abkehr von Öl, Kohle und Gas, weil bei der Verbrennung Kohlendioxid freigesetzt wird. Eine der wichtigsten Maßnahmen wird daher das schrittweise Abschalten von Kohlekraftwerken sein, die derzeit Grundlaststrom liefern. Damit steigt zugleich der Bedarf an alternativen Quellen der Grundlaststromerzeugung.


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[su_spoiler title=“Was im Klima-Strategiepapier steht“]

  • Klimaneutral bedeutet dem Plan zufolge vor allem eine Abkehr von Öl, Kohle und Gas, weil bei der Verbrennung Kohlendioxid freigesetzt wird.
  • Darüber hinaus müssen andere Quellen für Klimagase – etwa bei der Viehzucht und der Industrieproduktion – gestopft werden.
  • Kohlendioxid müsse auch aus der Luft abgeschöpft werden. Das soll unter anderem durch Aufforstung von Wäldern oder CO2-Einlagerung unter der Erde gelingen.
  • 2050 soll mehr als die Hälfte des gesamten Energiebedarfs mit Strom gedeckt werden, mindestens doppelt so viel wie heute. Die Kommission spricht von einer „Elektrifizierung unserer Wirtschaft“.
  • Bürger sollen nicht nur elektrisch Auto fahren, sondern zum Teil auch mit Strom heizen. Dieser soll fast ohne Emissionen produziert werden: zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, aber nach diesem Plan auch zu 15 Prozent aus Atomkraft.
  • Die EU-Kommissare rechnen mit nötigen zusätzlichen Investitionen von bis zu 290 Milliarden Euro pro Jahr. Dem stünden noch höhere Einsparungen bei Energieimporten und Gesundheitsausgaben gegenüber, weil bei besserer Luft weniger Menschen krank würden.
  • Auch die Wirtschaft soll profitieren. Das Bruttoinlandsprodukt läge mit dem Umbau nach Berechnungen der Kommission um zwei Prozent höher als ohne, wie es im Strategiepapier heißt.
  • Die EU hat ihren Ausstoß an Treibhausgasen seit 1990 immerhin um 22 Prozent gesenkt. Nach Einschätzung der Kommission könnte Europa bis 2030 eine Reduzierung um 45 Prozent schaffen. Allerdings ist die EU nur für 10 Prozent der globalen Klimagase verantwortlich. Weltweit ist der Ausstoß an Kohlendioxid, dem wichtigsten Treibhausgas, 2017 nach UN-Angaben wieder gestiegen auf nun 53,5 Milliarden Tonnen.

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Noch weitere Einsparpotenziale

Eine dieser Quellen könnte die Energiegewinnung aus Abfall sein. „Waste-to-Energy (WtE) kann dazu beitragen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme, die die europäischen Dachverbände der Bauer von Abfallverbrennungsanlagen ESWET und die Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen CEWEP zur EU-Klimastrategie herausgegeben haben.

Mithilfe von WtE würden in Europa bereits bis zu 50 Millionen Tonnen jährlich an CO2-Äquivalenten vermieden, heißt es in der Stellungnahme. So durch WtE würden etwa 39 TWh Strom und 90 TWh Wärme aus Abfällen zurückgewonnen. Gleichzeitig würden dadurch bis zu 50 Millionen Tonnen importierter fossiler Brennstoffe einspart, die in konventionellen Kraftwerken verwendet worden wären.

WtE-Anlagen könnten auch Haushalte mit effizienter Fernwärme und -kühlung und die Industrie mit Prozessdampf versorgen, betonen die beiden Dachverbände. In Städten, in denen die Infrastruktur vorhanden sei, decke WtE über die Hälfte des lokalen Wärmebedarfs. Doch es sei noch viel mehr möglich:

  • Mit einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft könnten jährlich weit mehr als 200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vermieden werden, rechnen ESWET und CEWEP vor.
  • In Europa werden Eurostat-Daten zufolge noch immer etwa 60 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle deponiert. Unter Berücksichtigung aller Abfallströme (außer mineralische Abfälle) seien es fast 200 Millionen Tonnen. Die Umleitung dieser Abfallströme in WtE-Anlagen würde rund 875 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Tonne vermeiden.
  • Da ein erheblicher Teil davon auch stofflich recycelt werden könnte, würde sich eine Gesamteinsparung von mehr als 175 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ergeben.
  • Mehr als 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente könnten zudem durch die Rückgewinnung von Metallen wie Eisen, Aluminium, Kupfer und Zink aus Verbrennungsaschen eingespart werden.

Auf Basis dieser Zahlen richten die Verbände zwei Forderungen an die EU. Zum einen sollte Brüssel einen Rahmen schaffen, der es ermöglicht, dass Metalle und Mineralien aus Verbrennungsaschen vom Markt aufgenommen werden. Zum anderen sollte die EU auch in eine modernisierte Energie-Infrastruktur investieren.

Darunter verstehen die Verbände eine Förderung und den Ausbau des Fernwärme- und Fernkältenetzes. Zudem sollte auch die Lieferung von Prozessdampf aus WtE-Anlagen an die nahe gelegene Industrie gefördert werden. Dies würde erheblich zur Dekarbonisierung des Wärme- und Kältebereichs und zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens beitragen, unterstreichen ESWET und CEWEP.

Unterstützung aus Deutschland

Ob sich die beiden Verbände damit Gehör schaffen können, bleibt abzuwarten. Aus Sicht der EU-Kommission wird es zunächst darum gehen, Rückhalt im Europarlament und bei den Mitgliedstaaten für die Klimastrategie zu bekommen. Das vorerst unverbindliche Strategiepapier soll in den nächsten Monaten diskutiert und dann vielleicht im Mai von den EU-Staats- und Regierungschefs diskutiert werden.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte den Vorschlag aus Brüssel bereits. „Die europäische Klimaschutzstrategie passt gut zu unserem deutschen Klimaschutzplan, der auf weitgehende Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 abzielt“, erklärte sie und beschwichtigte gleich Kritiker im eigenen Land: „Wir gehen in Deutschland keinen Sonderweg, sondern wir gehen den Weg in Richtung Klimaneutralität gemeinsam mit ganz Europa.“

Auch die deutsche Industrie hat kein Interesse daran, allein oder nur mit Europa als klimapolitischer Musterschüler dazustehen und im Wettbewerb ins Hintertreffen zu gelangen. Den Plan aus Brüssel wertete der Branchenverband BDI deshalb als gutes Signal. Nötig seien globale Regeln und international gleiche Wettbewerbsbedingungen, damit die europäische Klimaschutzpolitik „international anschlussfähig“ werde.

Umweltschützer wiederum zollten der EU-Kommission Respekt für die Vision der ersten klimaneutralen Volkswirtschaft weltweit, wiesen aber darauf hin, dass eigentlich noch mehr Tempo nötig wäre. „Das ist ein großer Schritt nach vorne, wenngleich der WWF sich dieses Ziel schon für 2040 wünscht“, erklärte der Umweltverband.

 

© 320°/dpa | 29.11.2018

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