Lebensmittelverpackungen

Biobasierte Kunststoffe spielen im Alltag der Kunststoffrecycler keine große Rolle. Doch das könnte sich ändern. Insbesondere für Lebensmittelverpackungen eignen sich diese Kunststoffe. Wir stellen Ihnen die möglichen Anwendungsbereiche vor.

Welche biobasierten Kunststoffe auf Recycler zukommen könnten


In Deutschland fallen Biokunststoffe bislang nur in kleinen Mengen an: Im Jahr 2016 wurden laut Fraunhofer Umsicht weltweit 335 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. Nur 0,6 Prozent davon waren Biokunststoffe. Über ein Drittel davon machten die recht unproblematischen sogenannten Drop-in-Kunststoffe Bio-PE und Bio-PET aus.

Noch sind also biobasierte Kunststoffe nicht weit verbreitet. Doch im Zuge des neuen Verpackungsgesetzes, das ab kommendem Jahr die Verwendung von Verpackungen aus recyclingfähigen Kunststoffen und nachwachsenden Rohstoffen fordert, könnten Biokunststoffe verstärkt eingesetzt werden – vorzugsweise für Lebensmittelverpackungen. Denn viele biobasierte Kunststoffe weisen physikalisch-chemische Besonderheiten wie etwa die Luft-, Dampf-, und Sauerstoffdurchlässigkeit auf, die sie für Lebensmittelverpackungen besonders geeignet erscheinen lassen.

Wissenschaftler haben vor diesem Hintergrund untersucht, welche Lebensmittelverpackungen für biobasierte Kunststoffe grundsätzlich infrage kommen. Herausgekommen ist die Studie „Biobasierte Kunststoffverpackungen als Verpackung von Lebensmitteln“, die vom ifeu-Institut gemeinsam mit zwei Partnern den Markt erstellt wurde. Darin haben die Wissenschaftler unter anderem sechs Anwendungsbeispiele untersucht:

  • PLA-Joghurtbecher versus PS-Joghurtbecher

In diesem Anwendungsbeispiel vergleichen die Wissenschaftler einen Jogurtbecher aus dem Biokunststoff PLA mit einem Joghurtbecher aus PS. Das Beispiel wurde primär aufgrund der aktuellen Marktpräsenz ausgewählt. So hat Danone schon 2011 den PLA-Becher als Joghurt-Verpackung eingeführt, der bis heute in der Produktlinie Activia eingesetzt wird.

Insgesamt liegt die Menge der Milchprodukte, die in Deutschland in Bechern verkauft wird, bei etwa drei Millionen Tonnen im Jahr. Daraus leiten die Autoren einen Bedarf an gut 79.000 Tonnen formstabilen Kunststoffverpackungen ab. Würde in diesem Fall PS durch PLA ersetzt, wäre den Experten zufolge weniger Material vonnöten, um die Becher herzustellen. Damit habe der PLA-Becher eine bessere Klimabilanz als die Variante aus fossil basiertem Polystyrol.

„Bezüglich der technofunktionellen Eigenschaften bieten beide Verpackungen einen ausreichenden Produktschutz“, heißt es in der Studie. Die mechanischen Eigenschaften der biobasierten Variante begünstigten eine Materialreduktion bei der Becherherstellung. In diesem Beispiel könnte außerdem der einfachere Aufbau der Deckelfolie bei der biobasierten Variante ökonomische Vorteile bieten.

Aus technischer und abfallwirtschaftlicher Sicht hätten beide Varianten ähnliche Voraussetzungen, wobei durch die derzeit geringere Marktrelevanz von PLA die Umsetzung eines großtechnischen PLA-Recyclings erschwert ist.

  • PEF-Flaschen versus PET-Flaschen

Etwa 500 Millionen Liter Bier werden derzeit in Einweg-Kunststoffflaschen verpackt – das sind eine Milliarde 0,5-Liter-Flaschen. Dafür werden den Experten zufolge etwa 25.000 Tonnen Kunststoffe benötigt. Außerdem sind rund 1.500 Millionen Liter Saft Kunststoff-Einwegflaschen abgefüllt – ein Kunststoffbedarf von etwa 45.000 Tonnen

Bier könnte statt in PET-Flaschen in PEF(Polyethylenfuranoat, dehydratisierter Zucker)-Flaschen verkauft werden. Allerdings wird Bier aus PET hauptsächlich im Billigpreis-Segment eingesetzt, PEF sei damit noch zu teuer. Ein mögliches Einsatzfeld sehen die Autoren als Ersatz für Glas-Mehrwegflaschen.

Wesentlicher Vorteil von PEF ist seine Recyclingfähigkeit, heißt es in der Studie. Es kann als Monomaterial verwendet werden. Demgegenüber bestehen PET-Flaschen meist aus einem 3-Schichtverbundsystem aus Polyethylenterephthalat und Polyamid (PET/PA/PET) oder aus Blendmaterialien. Zudem würden die Flaschen innen beschichtet.

„Insgesamt zeigen die Eigenschaften des biobasierten Polymers PEF ein hohes Substitutionspotenzial gegenüber PET“, meinen die Wissenschaftler. „Bezieht man sich nur auf die Verarbeitung und technofunktionellen Eigenschaften des Materials PEF, ist es für die Anwendung als Getränkeflasche, besonders für sauerstoffempfindliche Getränke, besser geeignet.“

Die Nachteile von PEF liegen in geringen Produktionskapazitäten und damit einem höheren Preis. Außerdem sei die rechtliche Bewertung von PEF noch nicht abgeschlossen, wodurch eine Markteinführung bislang erschwert sei. Aus Sicht der Wissenschaftler ist es obendrein fraglich, wie sich PEF in den großen Markt der PET-Flaschen eingliedern kann, wo eine bereits langjährige Infrastruktur hinsichtlich Herstellung, Rücknahme und Recycling vorhanden ist.

  • PLA- versus PP-Verpackung für vorgewaschene Salate

Wie es in der Studie heißt, wächst der Markt für frisch geschnittenes Obst und Gemüse in Deutschland von Jahr zu Jahr. Demnach hat 2014 jeder Haushalt 800 Gramm sogenannte „Fresh Cut“-Salate eingekauft. Daraus leiten die Experten einen Kunststoffbedarf von jährlich 1.300 Tonnen ab – Großküchen, Kantinen, Restaurants etc. nicht eingerechnet.

Gegenüber PP hat PLA hier den Vorteil, dass weniger Material bei gleichen mechanischen Eigenschaften eingesetzt werden muss, so die Autoren. Ferner sei das Material aufgrund der geringeren Oberflächenspannung besser bedruckbar. Des Weiteren könnten für die Herstellung von Form-, Füll- und Verschließsysteme vorhandene Prozesse genutzt werden. Eventuell seien Prozessanpassungen und eine zusätzliche Produktvortrocknung notwendig.

Im Vergleich der technofunktionellen Eigenschaften seien PLA und PP mit Perforation gleichermaßen für die Anwendung geeignet, so dass trotz unterschiedlicher Eigenschaften keinem der beiden Kunststoffe ein wirklicher Vorteil zugeschrieben werden kann, heißt es in der Studie.

  • Ecovio-beschichteter Karton versus Karton und Innenbeutel aus PP/HDPE für Cerealien

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 194.000 Tonnen Müsli und Cerealien konsumiert. Unbekannt ist, welche Menge in Kartons mit Innenbeutel und welche nur in Kunststoffbeutel verpackt wurden. Wäre die Gesamtmenge in Kartons mit Innenbeutel verpackt worden, wären dafür 1.746 Tonnen Kunststoff notwendig gewesen, heißt es.

Wie in der Studie nachzulesen, sind durch die biobasierte Variante Materialeinsparungen zu erwarten. Außerdem ermögliche die Ecovio-Beschichtung aufgrund ihrer Mineralölbarriere den Einsatz recycelter Kartonfasern. Allerdings berge sie im Bereich der Wasserdampfbarriere eventuelle Nachteile bei der Haltbarkeit der Produkte.

Eine weitere Möglichkeit ist der Ersatz fossilbasierten Polyethylens durch biobasiertes PE.

  • MAP in PLA-Tray versus PET-Tray für Frischfleisch

Die Autoren gehen davon aus, dass inzwischen etwa 1.620 Millionen Tonnen Frischfleisch in MAP(„modified atmosphere packaging“)-Vakuumverpackungen aus PET verkauft wird. Ohne Deckel beträgt die benötigte Kunststoffmenge für die verwendeten Trays 84.240 Tonnen.

In diesem Fall könnten sich die Experten gut vorstellen, PET durch PLA zu ersetzen. Jedoch sei eine Materialreduktion nicht möglich, da PET ähnliche mechanische Eigenschaften wie PLA besitzt. Ein kleiner Vorteil ergebe sich bei der Bedruckbarkeit von PLA.

Eine weitere Möglichkeit ist der Ersatz konventionellen PETs durch biobasiertes PET.

  • Kapsel aus Ecovio und PVOH versus Aluverbund für gemahlenen Kaffee

Mit Verweis auf den Lebensmittelkonzern Nespresso rechnen die Autoren in ihrer Studie mit jährlich 8.000 Tonnen Kapselmüll. Ausgehend von einem Kapselgewicht von 1,7 Gramm entspräche das 4,7 Milliarden Kapseln im Jahr. Andere Quellen sprechen von jährlich zwei bis drei Milliarden Kapseln, die im Müll landen. Eine Kapsel aus Ecovio wiegt etwa 1,4 Gramm, kalkulieren die Experten. Für die Herstellung von drei Milliarden Kapseln im Jahr würden also 4.200 Tonnen Ecovio benötigt.

Bei der konventionellen Variante werden Kapseln aus Aluminium in ihre Form gestanzt, mit durchschnittlich 5 g Kaffee befüllt und mit einem Aluminiumdeckel per Siegellack verschlossen. Für den Produktschutz in Kaffeekapseln sei aber auch ein biobasierter Verbund ausreichend.

„Bedenkt man den hohen Energieaufwand beim Aluminiumabbau, sowie den Punkt, dass selbst wenn es zu einem Materialrecycling kommt, dieses nicht in der Neuware eingesetzt wird, spricht einiges für die biobasierte Variante“, heißt es in der Studie. „Bei Kaffeekapseln handelt es sich im Sinne des Gesetzgebers nicht um Verpackungen, da diese mit dem Produkt gemeinsam genutzt und entsorgt werden. Insgesamt landen viele der Kaffeekapseln also nicht bei den dualen Systemen und sind fürs Recycling verloren. In diesem Fall bietet eine bioabbaubare Variante eine wirkliche Alternative hinsichtlich des Entsorgungsweges.“

400.000 Tonnen PET können ersetzt werden

Wie die Experten vom ifeu-Institut, dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) und dem Consultingbüro narocon zusammenfassend schreiben, könnte fast die Hälfte der fossilen Kunststoffe im deutschen Lebensmittelmarkt ersetzt werden. Allein 400.000 Tonnen PET, überwiegend im Getränkebereich, seien substituierbar. Darüber hinaus schätzen sie, dass 150.000 Tonnen PE im deutschen Lebensmittelmarkt durch die grüne Variante ersetzt werden könnten. Zudem könne PLA über 80.000 Tonnen fossiler Kunststoffe ersetzen.

Um den biobasierten Kunststoffen zum Durchbruch zu verhelfen, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen Förderaufruf „Biobasierte Kunststoffverpackungen für Lebensmittel“ gestartet. Interessierte können bis zum 31. Januar Konzepte und bis zum 31. März 2019 Skizzen für industrielle Verbundforschungsprojekte bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe einreichen.

 

© 320°/bs | 10.09.2018

 

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