Erfolgreiche Detox-Kampagne

Vor sieben Jahren startete Greenpeace eine Kampagne gegen elf „chemische Superschadstoffe“ in der Textilproduktion. Der Aufwand hat sich gelohnt: Textilunternehmen setzen heute weniger giftige Chemikalien ein. Nun will Greenpeace das Thema Fast Fashion angehen.

Weniger Gifte in Textilien


Chlorphenole, perfluorierte Kohlenwasserstoffe oder Phthalate: Bei manchen Chemikalien, die noch heute in der Textilproduktion eingesetzt werden, kann dem Verbraucher mulmig werden. Sie gelten als hochgiftig, krebserregend oder als gefährlich für die Fortpflanzungsfähigkeit.

Vor genau sieben Jahren startete die Umweltschutzorganisation Greenpeace deshalb eine Detox-Kampagne, um elf „chemische Superschadstoffe“ weltweit aus der Textilproduktion zu verbannen und so die Gefährdung für Mensch und Umwelt in den Produktionsländern wie China, Indonesien oder Mexiko zu verringern. Mit Erfolg, wie die Geschäftsführerin von Greenpeace International, Bunny McDiarmid, am Donnerstag bilanzierte. „Es gab einen tiefgreifenden Wandel in der Bekleidungsindustrie“, lobte sie in dem Greenpeace-Bericht „Destination Zero: Sieben Jahre Entgiftung der Textilindustrie“.

Laut Greenpeace haben sich inzwischen 80 Firmen verpflichtet, bis 2020 bei der Produktion ihrer Ware den Einsatz der elf gefährlichsten Chemikaliengruppen auf Null zu senken. Diese 80 Firmen stünden für etwa 15 Prozent der globalen Textilproduktion stehen. Mit an Bord sind Mode-Giganten wie H&M, Primark und Zara, Sportartikelhersteller wie Adidas, Nike und Puma, aber auch Handelsketten wie Aldi, Lidl oder Tchibo. In Deutschland seien sogar 30 Prozent der Textilindustrie auf Detox-Kurs, berichteten die Umweltschützer.

Dem Bericht zufolge verzichten mittlerweile fast drei Viertel der beteiligten Unternehmen auf gefährliche perfluorierte Chemikalien, sogenannte PFCs, die unter anderem als krebserregend gelten. Die restlichen Unternehmen machten „gute Fortschritte auf dem Weg dahin“. Auch bei anderen gefährlichen Stoffen gehe die Entwicklung voran. „Aus ökologischer Sicht ist dies alles ein riesiger Erfolg“, urteilt Greenpeace. Dabei seien die Forderungen ursprünglich als „Ding der Unmöglichkeit“ abgetan worden.


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[su_spoiler title=“Diese Chemikalien können sich in Textilien befinden:“]

Nach Angaben von Greenpeace finden sich vor allem folgende elf Chemikalien in Textilien wieder. Einige Stoffe sind bioakkumulativ und können sich in Blut, Organen oder im Gewebe von Lebewesen anreichern und der Gesundheit schaden:

  • Alkylphenole

Zu den Alkylphenolen zählen Nonylphenol, Octylphenol und ihre Ethoxylate. Nonylphenole (NP) werden in der Textilindustrie viel genutzt, etwa zum Waschen der Textilien während des Färbens. Sie wirken ähnlich wie Östrogene und können die Entwicklung der Geschlechtsorgane von Fischen und anderen Wassertieren stören. Seit 2005 ist der Verkauf von Produkten mit Nonylphenolen in der EU verboten.

  • Phthalate

Phthalate dienen als Weichmacher, zum Beispiel für das Hartplastik PVC. In der Textilindustrie werden sie für Kunstleder, Gummi sowie in Farbstoffen genutzt. Als gefährlich gelten speziell Diethylhexylphthalat (DEHP) und Dibutylphthalat (DBP), da sie die Entwicklung der Geschlechtsorgane bei Säugetieren hemmen. Nach EU-Chemikalienrecht REACH sind sie ab 2015 verboten.

  • Bromierte und chlorierte Flammschutzmittel

Viele bromierte Flammschutzmittel (BFR) reichern sich in der Umwelt an und sind mittlerweile überall zu finden. Diese Ausrüstungschemikalien dienen zum Brand­­schutz – auch bei Textilien. Speziell Polybromierte Diphenylether (PBDE) gelten laut EU-Wasserrecht als besonders gefährlich. Sie sind hormonell wirksam und können Wachstum und Entwicklung der Geschlechtsorgane schädigen. Ihrer Verwendung sind in der EU enge Grenzen gesetzt, um die Oberflächengewässer zu schützen.

  • Azofarben

Azofarbstoffe sind in der Textilindustrie verbreitet. Einige von ihnen können bei Hautkontakt Krebs auslösen. Laut EU dürfen Azofarben nicht mehr für Textilien verwendet werden, die direkt auf der Haut getragen werden.

  • Zinnorganische Verbindungen

Zinnorganika werden als Biozide und Antipilzmittel bei vielen Produkten eingesetzt. Bei Socken, Schuhen und Sportklamotten wirken sie antibakteriell und sollen Schweißgeruch verhindern. Wenn Tributylzinn (TBT) in die Umwelt gelangt, kann es sich im Körper von Mensch und Tier anreichern und das Immunsystem und die Fortpflanzungsfähigkeit schädigen. Produkte, die mehr als 0,1 Prozent enthalten, sollen in der EU nicht mehr verkauft werden.

  • Perfluorierte Chemikalien (PFC)

PFC dienen dazu, Textil- und Lederprodukte wasser- und schmutzabweisend zu machen. Sie sind lang­lebig und reichern sich im menschlichen Gewebe und im Blut an. Sie können die Leberfunktion schädigen und das körpereigene Hormonsystem stören. Perfluoroctansulfonat (PFOS) ist durch die Stockholm Konvention global beschränkt und in Europa für bestimmte Anwendungen verboten.

  • Chlorbenzole

Chlorbenzole sind als Biozide und Lösungsmittel in der Textilproduktion im Einsatz. Einige schädigen Leber, Schilddrüse und zentrales Nervensystem. Hexachlorbenzol (HCB) ist persistent und hormonell wirksam und wie die Polychlorierten Biphenyle (PCB) in der Anwendung durch die Stockholm Konvention stark beschränkt.

  • Chlorierte Lösungsmittel

Chlorierte Lösungsmittel wie Trichlorethan (TCE) dienen dazu, Chemikalienrückstände von Textilien zu entfernen und sie zu reinigen. TCE schädigt die Ozonschicht. Außerdem kann es bei Mensch und Tier das zentrale Nervensystem sowie Leber und Nieren schädigen. Seit 2008 ist TCE in der EU nur noch begrenzt erlaubt.

  • Chlorphenole

Chlorphenole werden als Biozide in der Textilindustrie eingesetzt, speziell Pentachlorphenol (PCP) ist für Wasserorganismen hochgiftig und kann beim Menschen Organe schädigen. Die Produktion und Verwendung von PCP ist in der EU seit 1991 verboten.

  • Kurzkettige Chlorparaffine (SCCPs)

Kurzkettige Chlorparaffine werden in der Textilindustrie als Flammschutz und für die Veredelung von Textilien und Leder verwendet. Sie gelten als giftig für Wasserorganismen und reichern sich im lebenden Organismus an. Sie sind seit 2004 EU-weit in ihrem Einsatz beschränkt.

  • Schwermetalle

Schwermetalle wie Cadmium, Blei und Kupfer stecken in Farbstoffen und Pigmenten. Sie können sich im Körper anreichern und Organe sowie das zentrale Nervensystem schädigen. Chrom nutzt man zum Gerben von Leder. Als Chrom VI ist es bereits in niedrigen Konzentrationen ein potentes Umweltgift. Chrom VI, Quecksilber und Cadmium können Krebs erzeugen. Der Einsatz dieser Schwermetalle ist in der EU mit strikten Auflagen versehen.

Quelle: Greenpeace

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Im nächsten Schritt will Greenpeace nun das Thema Fast Fashion angehen. Denn die Umweltschützer treibt die Sorge um, dass die bisherigen Fortschritte durch die immer größere Schnelllebigkeit der Modewelt unterlaufen werden. Wird der übermäßige Textilkonsum nicht eingeschränkt, werde der Kleiderkonsum von 62 Millionen Tonnen im Jahr 2017 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen, befürchtet Greenpeace.

Hier sei die Modebranche gefordert. Sie müsse für einen radikalen Wandel sorgen, indem sie statt immer kurzlebigerer Kollektionen qualitativ bessere, haltbarere und vielseitigere Kleidung herstelle. „Die Zeit ist reif, das nächste Undenkbare in Angriff zu nehmen“, so Greenpeace.

 

© 320°/dpa | 12.07.2018

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