Verpackungsgesetz

Die Vorbereitungen für das neue Verpackungsgesetz laufen auf Hochtouren. Die Quoten scheinen im Großen und Ganzen machbar, die Sortierkapazitäten dürften auch rechtzeitig stehen. Nur: Wer nimmt das recycelte Material ab? Branchenvertreter haben da ihre eigenen Vorstellungen.

„Wer nimmt das Zeug ab?“


Oliver Groß gab sich am Mittwoch vergangener Woche bemerkenswert offen. „Wir haben die europäische Kunststoffaufbereitungs-Industrie brachliegen lassen“, räumte er bei der Konferenz „Recycling und Recyclingfähigkeit von Verpackungen“ in Berlin ein. „Wir als Sortierer müssen wohl sagen: Wir waren vielleicht ein bisschen faul in der Vergangenheit. Es war einfacher, die Ware nach China zu exportieren.“

Groß ist Geschäftsführer von Suez Deutschland. Zu seiner Gruppe gehört auch das duale System von BellandVision. Bislang würden aus Recyclingmaterial vielfach Parkbänke und Baustellen-Absperrungen hergestellt, sagte Groß bei der Konferenz. „Die Mengen von unserem Recyclingmaterial, die wirklich hochwertig eingesetzt werden, sind homöopathisch. Wir betreiben – wenn wir ehrlich zu uns selber sind – im Moment keine wirkliche Kreislaufwirtschaft, sondern ein Downcycling.“

„Markt wird es nicht alleine regeln“

In Zukunft soll das aber anders werden. Das neue Ziel heißt Kreislaufwirtschaft und zwar im Sinne einer möglichst hochwertigen Verwertung. Das neue Verpackungsgesetz schreibt höhere Recyclingquoten vor, die im Großen und Ganzen machbar erscheinen. Doch das größte Problem scheint die Verwertung der recycelten Materialien zu sein. Die entscheidende Frage sei, wohin das Material nach der Sortierung geht, betonte Groß.

Nötig sei daher eine stärkere Marktnachfrage nach Recyclingprodukten. „Nur wenn hochwertige Recyclingware auch abgefragt wird, werden wir sie produzieren können“, stellte Groß klar. Allerdings werde das der Markt alleine nicht regeln. Nötig seien deshalb andere Vorgaben.

„Ich bin ganz klar für eine Abnahmeverpflichtung der Hersteller für Recyclingware“, so Groß. „Wer x Tonnen in den Markt reinbringt, hat auch die Aufgabe, y Tonnen Recyclingkunststoff wieder abzunehmen.“ Nur dadurch werde wirklich ein Markt entstehen, glaubt der Suez-Chef. Der Gesetzgeber müsse den Einsatz von Recyclingmaterial fordern und fördern. Vorstellbar sei beispielsweise ein reduzierter Steuersatz für Recyclate.

„Es ist deren Material“

In die gleiche Richtung zeigen die Überlegungen von Michael Wiener, Chef vom Grünen Punkt. Eine der größten Herausforderungen mit Blick auf die Anforderungen des neuen Verpackungsgesetzes sei die Verwertung der Recyclingmaterialien. Von daher gehe es weniger um die Sortierung, als vielmehr um die Frage: „Wer nimmt das Zeug ab?“

Wiener sieht hierfür die Industrie und Hersteller in der Pflicht. „Es ist deren Material“, betonte er. „Wir sind Dienstleister.“ Ein mögliches Verwertungsproblem werde nicht dadurch gelöst, dass sich die Industrie abwendet und die Lösung der Recyclingindustrie überlässt.

Wiener ist es offenbar leid, mit seinen Recyclingprodukten „in der zweiten Reihe zu stehen“. „Jedes Mal müssen wir erklären, warum es doch gehen könnte, dass Recyclingprodukte unterschiedlichster Art mit Neuware konkurrieren könnten“, sagte er. „Ich glaube, dass wir hier zu einer Umkehr der Beweislast kommen müssen. Dass nämlich der derjenige, der etwas produziert, darlegen muss, warum er nicht noch mehr Recyclingmaterial einsetzt.“

Run auf Verwertungskapazitäten für Mischkunststoffe

Nach Einschätzung von Joachim Christiani, Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft http, könnte es in der ersten Phase zwischen 2019 und 2022 durchaus einen Engpass bei der Kunststoffverwertung geben. Er hält die im Verpackungsgesetz geforderten Recyclingquoten in der Phase 2019 bis 2022 zwar für machbar, doch die Verwertungskapazitäten für Mischkunststoffe könnten in dieser Phase eng werden.

„In Anbetracht der Beschaffenheit des Inputs, der nicht 20 Prozent PP enthält, sondern vielleicht nur noch 10 Prozent, werden die werkstofflichen Mischkunststoff-Kapazitäten heiß begehrt sein“, sagte er. Zu einer Entspannung werde es erst kommen, wenn die Maßnahmen des Paragrafen 21 zu wirken beginnen. Gemäß dieser Vorschrift sind die dualen Systeme künftig verpflichtet, bei der Festlegung der Beteiligungsentgelte auch ökologische Kriterien zu berücksichtigen. Auf diese Weise sollen Hersteller dazu bewegt werden, Verpackungsmaterialen zu verwenden, die aus Recyclaten bestehen oder zu einem hohen Prozentsatz recycelt werden können.

Der Blick auf die Sortieranlagen macht Christiani keine Sorgen. Der Investitionsstau aus den vergangenen Jahren sei durch das Verpackungsgesetz aufgelöst worden. „Wir rechnen damit, dass im Lauf der nächsten 24 Monate in jedem Fall noch sechs bis sieben Anlagen dazukommen“, sagte er. Damit wäre von Seiten der Sortierung das getan, was getan werden muss.

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