Vergleich alternativer Erfassungssysteme

Wertstofftonne, Biotonne, Restabfalltonne, Wertstoffhof: In Deutschland gibt es viele verschiedene Erfassungssysteme und Behandlungsverfahren für Abfälle. Doch welche Recyclingquoten lassen sich mit diesen Verwertungswegen erzielen? Antworten gibt ein Entsorgungsexperte aus Berlin.

Wertstoffhöfe bergen höchstes Recyclingpotenzial


Das stoffliche Recycling steht hoch im Kurs. Egal, um welches Abfallgesetz oder Verordnung es geht, die Förderung des stofflichen Recycling steht stets ganz weit oben. „Ein stoffliches Recycling muss das Ziel einer zukunftsweisenden Abfall- und Ressourcenwirtschaft sein“, sagt auch Alexander Gosten von der Berliner Stadtreinigung (BSR). Doch dabei sollte die Schadstoffentfrachtung durch eine schadlose Entsorgung nicht vernachlässigt werden.

Für einen öffentlich-rechtlichen Entsorger stelle sich deshalb die Frage, welches Entsorgungsverfahren sowohl die Schadstoffentfrachtung als auch das stoffliche Recycling und die Ressourcenschonung in einer konkreten Situation ermöglicht, erklärte der BSR-Prokurist bei der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz. Um die Frage zu beantworten, hat Gosten die verschiedenen Entsorgungs- und Recyclingwege nicht nur hinsichtlich ökonomischer Einflussgrößen, sondern auch hinsichtlich der damit erreichbaren Recyclingquoten genauer untersucht. Dabei ist er zu folgenden Ergebnissen gekommen:

  • Sehr hohe Recyclingquoten sind auf den Wertstoff- oder Recyclinghöfen möglich. „Die Quote kann theoretisch bis zu 90 Prozent betragen.“
  • Die zweithöchste stoffliche Recyclingquote ermöglicht die Vergärung mit 70 bis 80 Prozent.
  • Die Kompostierung recycelt rund 75 Prozent des Inputs.
  • Eine trockene Wertstofftonne, deren Inhalt nicht in einer LVP-Anlage aufbereitet wird, kann zu einer Quote von 45 bis 65 Prozent führen.
  • Eine gemeinsame Wertstofftonne zusammen mit einer LVP-Erfassung (Gelbe Tonne) kann auf einer LVP-Anlage bis zu 40 Prozent an stofflichem Recycling realisieren.
  • Eine Verbrennungsanlage recycelt stofflich 20 bis 30 Prozent an Metalle und Rostaschen, die dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden.
  • Mechanische Vorbehandlungsanlagen für Siedlungsabfälle wie MBA, MA oder MPS recyceln bis zu 10 Prozent als mineralische Fraktion oder Schrottgemisch.

Wertstoff- und Recyclinghöfe haben laut Gosten zwei unschlagbare Vorteile: Dank des Bringsystems fallen aufwendige Sammelsysteme weg und damit auch Kosten. Da Abfälle quasi einzeln angeliefert werden, ist es zudem möglich, sehr sortenreine Fraktionen herzustellen. „Dies betrifft die unterschiedlichsten E-Schrott-Kategorien ebenso wie die verschiedenen Holzsorten, Textil- oder Kunststoffqualitäten“, sagt Gosten. Seiner Meinung nach ist der Wertstoffhof das am besten geeignete Verfahren, um sortenreine Qualitäten herzustellen. Verunreinigte oder kontaminierte Abfälle könnten gezielt aussortiert und direkt einer Verbrennung zur Schadstoffentfrachtung angeliefert werden.

Das Bringsystem kann daher grundsätzlich alle Tonnen ersetzen – bis auf die Restmülltonne. „Der Abfallerzeuger wird seinen Restmüll nie und nimmer zum Recyclinghof kutschieren.“ Aus diesem Grund wird die gute alte Graue Tonne wohl noch lange nicht aus dem Stadtbild verschwinden. „Diese Sammlung wird im Rahmen der Daseinsvorsorge immer notwendig sein, um dem Abfallerzeuger die Möglichkeit der Schadstoffentfrachtung zu geben“, sagt Gosten. Zumindest in den Ballungsräumen biete die Graue Tonne sowohl die kostengünstigste Sammlung in der Abfallwirtschaft als auch die meisten Optimierungsmöglichkeiten und Realisierung von Skaleneffekten.

Wertstofftonne für stoffgleiche Nichtverpackungen

Zu den mechanischen Vorbehandlungsverfahren zählt Gosten die Wertstofftonne in ihren beiden Varianten: Die eine ist die Wertstofftonne für stoffgleiche Nichtverpackungen und parallel dazu eine Gelbe Tonne für Leichtverpackungen (LVP). Die andere ist die gemeinsame Wertstofftonne für LVP und stoffgleiche Nichtverpackungen. Auf den ersten Blick ist die zweite Variante eigentlich die naheliegende Lösung, da keine zusätzliche Sammlung mit zusätzlichen Tonnen, zusätzlichen Sammelfahrzeugen etc. nötig ist. Die spezifischen Sammlungskosten fallen also geringer aus.

Hinsichtlich der Möglichkeiten der stofflichen Verwertung gibt es jedoch Faktoren, die für die Wertstofftonne für stoffgleiche Nichtverpackungen sprechen. Das zeigen die in Berlin gemachten Erfahrungen mit beiden Tonnenvarianten. Schon was die Zahl der Fehlwürfe angeht, schneidet die Orange-Box für stoffgleiche Nichtverpackungen besser ab. „12 Prozent des Inhalts dieser Tonnen waren Fehlwürfe“, sagt Gosten. Bei der gemeinsamen Tonne für stoffgleiche und nichtstoffgleiche Verpackungen lag die Fehlwurfquote doppelt so hoch.

Die Orange Box sei eine „echte trockene Tonne gewesen und faktisch mit dem Inhalt eines Recycling- oder Wertstoffhofs befüllt“. Die typischen Materialien seien Holz, Kunststoffe, Metalle, E-Schrott und Alttextilien gewesen. Ein ziemlich buntes Durcheinander, das aber bei der Sortierung recht unproblematisch zu sein scheint. „Es wurden 17 bis 20 Fraktionen aussortiert“, erläutert Gosten. „Deren Aufbereitung ist in Gewerbeabfallsortieranlagen vergleichsweise simpel möglich.“ Somit hätten zwischen 45 und 65 Prozent des Inputs einer stofflichen Verwertung zugeführt werden können. Ein kleiner Teil von wenigen Prozent habe als Inert-Fraktion mineralisch verwertet werden können. Sein Fazit: „Die Wertstofftonne für stoffgleiche Nichtverpackungen ist eine Ergänzung zum Wertstoff- oder Recyclinghof und trägt zur Entlastung der anderen Erfassungssysteme bei.“

Gemeinsame Wertstofftonne

Weniger gut schneidet der Verwertungsweg über die gemeinsame Tonne für stoffgleiche und nichtstoffgleiche Verpackungen ab. Hier sieht Gosten den Nachteil, dass die weitere Behandlung in LVP-Sortieranlagen stattfindet. „Diese Anlagen sind für die Positiv-Sortierung von bestimmten Kunststoffsorten konstruiert. Außer Metall werden alle anderen Wertstoffe nicht unbedingt als solche erkannt und als Störstoffe aussortiert.“

Im Output der LVP-Sortieranlagen betragen die sortierten Kunststofffraktionen und Schrottgemische laut Gosten rund ein Drittel des Inputmaterials. Diese Output-Fraktionen werden an Verwerter geliefert und als 100-prozentig stofflich recycelt bewertet. Ob diese Quote wirklich erreicht wird und der Verwerter die angelieferte Recyclingware tatsächlich zu 100 Prozent zu einem Produkt verarbeitet, entziehe sich seiner Kenntnis, sagt Gosten. Die Kunststofffraktionen der LVP-Sortierung, die exportiert werden, werden zu 100 Prozent dem stofflichen Recycling zugerechnet. „Das heißt, die tatsächliche Sekundärkunststoffmenge ist kleiner als die sortierten Outputfraktionen der LVP-Sortieranlagen. Es ist daher davon auszugehen, dass die stoffliche Recyclingquote, die auch einen positiven Marktwert hat, im Bereich < 40 Prozent liegt“, erklärt Gosten. Der Anteil der sortierten Kunststoffe, die dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden, sei bezogen auf den Input noch kleiner. Für die Gelbe Tonne sei eine Wiedereinsatzquote von 31 Prozent ermittelt worden.

Verbrennungsanlagen sind nicht nur Schadstoffsenken

Auch Hausmüllverbrennungsanlagen hat der BSR-Prokurist in die Betrachtung einbezogen. Sie seien die einzigen Schadstoffsenken für Siedlungsabfall in der Abfallwirtschaft, betont er. Alle deutschen Anlagen entsprechen den vorgeschriebenen Mindeststandards. „Damit ist sichergestellt, dass alle Schadstoffe restlos beseitigt werden und ein Minimum an Emissionen auftritt“, so Gosten. Die Verbrennungsanlagen dienten allerdings längst nicht mehr allein der energetischen Verwertung von Siedlungsabfällen und zur Energieerzeugung.

Dank der Schlackeaufbereitungsanlagen seien bereits etliche Anlagen in der Lage, rund 90 Prozent des Metalls, das sich im Input des Abfalls befindet, zurückzugewinnen, erklärt Gosten. Außerdem werde zurzeit an neuen Technologien gearbeitet, um diese Quote noch zu erhöhen. „Diese Werte des Metallausbringens scheinen laut aktuellen Studien höher zu liegen als das, was zurzeit bei LVP-Anlagen und mechanischen Aufbereitungsanlagen beim Einsatz von Siedlungsabfällen der Stand der Technik ist.“

Laut Gosten werden etwa 2 bis 3 Prozent des Inputs einer Hausmüll-MVA dem Schrottmarkt wieder zugeführt. Darüber hinaus würden diese Anlagen 20 bis 30 Prozent des Inputs als mineralische Fraktion im Output produzieren. Diese Fraktionen können entsprechend aufbereitet dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden. Auch bei der Aufarbeitung der mengenmäßig größten Fraktion, der Rostasche, verbessere sich der Stand der Aufbereitung kontinuierlich, so Gosten. Nicht zuletzt habe auch die Qualitätssicherung große Fortschritte gemacht.

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