Studie

Wie Rohstoffe gewonnen werden, ist im endgültigen Produkt nicht mehr ersichtlich. Um eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft sicherzustellen, ist daher eine Rohstoffwende notwendig, meint das Öko-Institut. Die Wissenschaftler plädieren auch für mehr Recycling.

Wie Deutschland seinen Rohstoffabdruck verringern kann


Die deutsche Industrie braucht wie jedes andere Land Rohstoffe, um ihre Waren zu produzieren. Oftmals werden diese unter fragwürdigen Umweltbedingungen gefördert (wie etwa Gold), ohne sicheres Abfallkonzept hergestellt (Seltene Erden) oder sie gehören zu den Konfliktmaterialien (Coltan). Wie die negativen Auswirkungen der Rohstoffnachfrage langfristig verringert werden können, hat nun das Öko-Institut untersucht.

Konkret wurden in der StudieDeutschland 2049 – Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft“ 75 Rohstoffe betrachtet. Dazu zählen 59 Metalle, 7 Baumaterialien und 9 Industriematerialien – von Kobalt über Kies bis hin zu Seltenen Erden, Stahl sowie Steinsalz. Für einige – darunter Kies, Neodym und Eisen/Stahl – hat das Forscherteam Maßnahmen und Instrumente entwickelt. Dabei wurden auch Empfehlungen für das Recycling formuliert:

Neodym (Seltene Erden):

  • Der primäre Neodym-Bedarf liegt aktuell bei 150 bis 200 Tonnen und steigt bis zum Jahr 2049 auf 3.200 Tonnen im Jahr.
  • Angenommen wird ein erhöhter Bedarf, etwa durch weitgehende Elektrifizierung von Pkw, für Windkraftanlagen (Neodym-Eisen-Bor-Magnete) und durch Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie.
  • Derzeit werden weniger als 1 Prozent der Seltenen Erden recycelt, im Rohstoffwende-Szenario 2049 soll dieser Anteil auf 30 Prozent zulegen.
  • Um den Bedarf zumindest teilweise zu befriedigen, wird eine um 50 Prozent verlängerte Nutzungsdauer von Informations- und Kommunikationsprodukten sowie der Aufbau einer adäquaten Sammel- und Recyclingstruktur vorgeschlagen.

Kies (Heimische Baurohstoffe):

  • Der primäre Kies-Bedarf liegt aktuell bei circa 58 Millionen Tonnen pro Jahr. Wird bis 2049 eine Rohstoffwende vollzogen, sinkt er auf etwa 28 Millionen Tonnen im Jahr.
  • Angenommen werden geringere Neubauaktivitäten durch eine längere Nutzung von Gebäuden, ein materialeffizienteres Bauen, einen größerer Anteil von Holzbau in einigen Bereichen sowie weniger Straßenzubau. Außerdem unterstellt das Öko-Institut einen stärkeren Einsatz von Sekundärbeton als Kiesersatz, um Beton herzustellen.
  • Für dieses Ziel muss bis 2049 der hochwertige Einsatz von Sekundärmaterial auf mindestens 5 Prozent für Sand und mindestens 10 Prozent für Kies, Ton, Natursteine gesteigert werden, betonen die Autoren. Ebenso könnte Zement innerhalb des Betonrecyclings die Materialien Kies, Sand beziehungsweise Natursteine partiell substituieren.
  • Generell müssten entsprechende Sammel- und Recyclingstrukturen auf- und ausgebaut werden.

Was die Forscher für Kies empfehlen, gilt gleichermaßen für Natursteine, dem zweitwichtigsten Massenrohstoff in Deutschland. Sie schlagen vor, den Sekundärmaterialanteil im Sektor Wohnen und Arbeiten auf 21 Prozent zu steigern (aktuell 6 Prozent) und im Bereich Mobilität den Einsatz von Asphalt von derzeit 25 Prozent auf 75 Prozent zu erhöhen. Derzeit werden rund 43 Millionen Tonnen Asphalt verarbeitet, davon sind 10 Millionen Tonnen Altasphalt.

Eisen/Stahl (Hauptmassenmetalle)

  • Den primären Eisen/Stahl-Bedarf in den Sektoren Wohnen, Arbeiten, Mobilität beziffern die Autoren aktuell auf rund 9 Millionen Tonnen pro Jahr. Bis 2049 soll dieser auf 5 Millionen Tonnen jährlich sinken.
  • Dabei wird unterstellt, dass der Sekundärstahlanteil für Bauen und Wohnen bis zum Jahr 2049 von aktuell 50 Prozent auf 66 Prozent klettert. Im Bereich Mobilität werde sich der Anteil von 10 Prozent auf 30 Prozent erhöhen.
  • Die Autoren unterstreichen die „reifen Recyclinginfrastrukturen“ und die großen Anlagenkapazitäten zum Recycling von Stahl. Allerdings sehen sie auch Recyclingpotenziale, die noch weiter ausgeschöpft werden müssten.
  • Das gilt auch für andere Hauptmassenmetalle, zu denen die Forscher Aluminium und Kupfer zählen.

Steigerung der Recyclingrate bei Metallen

Neben den Hauptmassenmetallen sollten aber auch andere Massenmetalle, die negative Auswirkungen haben, nicht vernachlässigt werden. So fordern die Autoren für Zink, Blei, Chrom und Mangan ebenfalls, die Recyclingraten zu steigern. Das Recycling von Blei aus Blei-Säure-Batterien sei ein gutes Beispiel. Auch Mangan und Chrom würden als Legierungsmetalle im Edelstahl bei entsprechender Abfallerfassung direkt recycelt.

Zink werde zumindest teilweise gut recycelt, etwa aus Zinkblech, Feinzink-Gussprodukten oder Messing. Jedoch entstehe fast die Hälfte des Zinkbedarfs aus der Verzinkung von Eisen- und Stahlprodukten. Hier falle Zink stets als Flugasche an und können nur unter hohem Energieeinsatz wiederverwertet werden.

Bei den Eisenmetallen (Molybdän, Nickel, Niob), allen Nichteisen-Metallen (Magnesium, Kobalt, Zinn) sowie den Edelmetallen (Rhodium, Palladium, Platin, Silber, Gold) und Rhenium sei ebenfalls noch Luft nach oben. Die genannten Rohstoffe zählen zu den gut recycelbaren und werden aktuell zu über 50 Prozent recycelt.

Die Recyclingrate von Gold ohne Schmuck liege hingegen nur bei 15 bis 20 Prozent. Für die Zukunft schlagen die Experten eine Recyclingrate für gut recycelbare Rohstoffe in ausgewählten Bereichen vor: So soll die Recyclingrate für Gold und Silber im Bereich Elektronik etwa auf 50 Prozent steigen, für Platin und Palladium bei Fahrzeugen auf 80 Prozent.

Politik und Wirtschaft gefragt

Für die Umsetzung der Rohstoffwende sehen die Autoren vor allem Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft in der Pflicht. Auf politischer Ebene seien Kommunen und Bundesländer gefragt. Diese müssten eine rohstoffsparende Infrastruktur schaffen und erhalten.

Den Bund fordern die Autoren auf, übergreifende Impulse für mehr Rohstoffeffizienz zu setzen. Sie schlagen zum Beispiel vor, die Grunderwerbssteuer in eine Flächenverbrauchssteuer für das kompaktere Bauen anzupassen sowie Vorgaben für den Einsatz von Recyclingbaustoffen zu machen.

Darüber hinaus sei die Europäische Union gefragt: Sie könne unter anderem mit internationalen Abkommen dafür sorgen, dass die negativen sozialen Auswirkungen der primären Rohstoffgewinnung sinken, so die Forscher. Zudem könne sie mit europaweiten Maßnahmen dazu beitragen, Kreislaufwirtschaft und Recycling zu verbessern und Ressourcenaspekte im Produktdesign über die Ökodesign-Richtlinie zu stärken.

Von den Unternehmen erwartet das Öko-Institut, dass sie das Recycling weiter verbessern, etwa bezüglich Beton, Gips und auch von Metallen. Unternehmen seien der Motor für Innovationen bei Technologien und Prozessen, um Rohstoffe künftig effizienter einzusetzen, betont das Institut.

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