Grüner Treibstoff

In Stuttgart sollen Flugzeuge perspektivisch mit synthetischem Kerosin betankt werden. In einer Machbarkeitsstudie wurde untersucht, wie CO2 aus Zementwerken für den grünen Kraftstoff genutzt werden kann. Auch für Müllverbrennungsanlagen ist sie vorstellbar.

Wie eine MVA zu klimaneutralem Kerosin beitragen kann


Vom klimaschädlichen Nebenprodukt zum klimaneutralen Antrieb: Das CO2 aus Zementwerken kann problemlos für synthetisches Kerosin genutzt werden. Das ist das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie, die das Verkehrsministeriums Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat.

„Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie haben unsere Erwartungen mehr als bestätigt. Aus dem CO2-haltigen Abgas eines Zementwerks könnte der Bedarf des Stuttgarter Flughafens an nachhaltigen Kerosinalternativen, dem Sustainable Aviation Fuel (SAF), zweifach gedeckt werden“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann bei der Vorstellung der „Machbarkeitsstudie zur Erzeugung von reFuels aus Zementabgasen“.

Um aus dem aufbereiteten CO2 einen speicher- und transportierbaren Rohstoff zu machen, könnte dieser mithilfe von H2 in Synthesegas und im nächsten Schritt in der Fischer-Tropsch-Synthese in flüssige und feste Energieträger umgewandelt werden. Eine entsprechende Prozesskette bestünde aus einer Aufreinigung des Abgasstroms aus dem Hauptkamin des Zementwerks, einer H2O-Elektrolyse zur H2-Herstellung sowie einer Synthese-Anlage zur Herstellung der Kraftstoffe.

Grundsätzlich sind alle Zementwerke geeignet

Derzeit untersucht das Ministerium, wo eine erste Pilotanlage entstehen soll. Grundsätzlich seien jedoch alle untersuchten Zementwerke in Baden-Württemberg geeignet, als Rohstofflieferant für die reFuels zu dienen. „An welcher Stelle nun die erste Pilotanlage entsteht wird davon abhängen, wo insgesamt die günstigsten Standortfaktoren vorliegen“, so Hermann.

Auch Müllverbrennungsanlagen sind nach Angaben eines Ministeriumssprechers für die Abtrennung von CO2 geeignet. „Wir sprechen da von sogenannten Punktquellen für CO2-Abscheidung und -verwendung“, sagt der Sprecher gegenüber 320°. „Die größten CO2-Punktquellen beziehungsweise Emittenten sind derzeit noch Kohlekraftwerke, Raffinerien, Stahlindustrie, Zementwerke und werden uns wohl länger erhalten bleiben. Auch Papierfabriken und andere Industrieanlagen und Müllverbrennungsanlagen zählen dazu.“ Die Abscheidung von CO2 könne mit unterschiedlichen Verfahren erfolgen. Das Ministerium für Verkehr betrachte im Sinne der Technologieneutralität alle diese Ansätze in Hinblick auf Chancen und Risiken.

Restmüll wird als potenzielle Kohlenstoffquelle betrachtet

Auch für Paul Heinzmann, Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), kommen MVA für die Technologie infrage. KIT-Forscher untersuchen derzeit im Rahmen des Projekts „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ die CO2-Nutzung für Alternativen zu fossilen Treibstoffen. „Generell betrachten wir auch Müll, insbesondere Restmüll als potenzielle Kohlenstoffquelle und somit auch die CO2-Emissionen von MVA“, sagt Heinzmann.

Der KIT-Wissenschaftler gibt allerdings zu bedenken, dass hierbei verschiedene Technologien und Verfahren zur Verwendung von beispielsweise Haushaltsmüll miteinander verglichen werden müssten. „MVA stehen in Konkurrenz zu thermischen Verfahren wie der Pyrolyse oder der Vergasung, die, je nach Festlegung der Systemgrenzen, Vor- und Nachteile gegenüber der Nutzung von MVA-Abgasen ergeben können. Ein Vorteil der MVA könnten die bereits existierenden Strukturen und Anlagen sein“, sagt der Wissenschaftler. „Erste Ergebnisse dazu müssen wir allerdings erst im weiteren Verlauf des Projekts erarbeiten.“

 

© 320°/ek | 23.01.2020

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