Digitale Abfallwirtschaft

In Sachen Digitalisierung steckt die Abfallwirtschaft noch in den Kinderschuhen. Zwar gibt es Container mit Füllstandsensoren, optimierte Sammeltouren und Apps, die zum nächsten Wertstoffhof führen. Doch gefragt sind neue Geschäftsmodelle, wie auf der IFAT deutlich wurde.

Wie lange braucht man noch Männer in orange?


Das Thema Digitalisierung ist in der Abfallwirtschaft bereits angekommen: Tools zur Sammeltourplanung und Container mit RFID-Chips und Füllstandssensoren sind wohlbekannt. Seit neuesten gibt es Apps für den Wertstoffhandel. Dennoch hat die Branche einigen Nachholbedarf, sagte Kerstin Kuchta, Professorin für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Hamburg, bei einem Vortrag auf der IFAT 2018.

„Es ist an der Zeit, die Branche aus der „Dreckecke“ in den Mittelpunkt der Innovation zu rücken“, so Kuchta. Gefragt seien künftig Geschäftsmodelle, die nichts mehr mit den Männern in orange zu tun hätten – „Wir müssen die Frage beantworten, wie sich Abfall digitalisieren lässt?“

Eine App reicht nicht

Kuchta beschrieb zunächst den Status quo. Demnach ist das Management von Abfall noch immer viel Zettelwirtschaft. Viele Unternehmen hätten kein Interesse zu investieren und würden sich nur die Rosinen herauspicken. Ferner gebe es Widerstand, Neues auszuprobieren. Hinzu komme wenig Transparenz über das, was am Markt verfügbar sei.

Die Professorin zitierte eine Umfrage, die der internationale Abfallwirtschaftsverband ISWA 2017 auf seinem Kongress unter über 1.000 Geschäftsführern durchgeführt hat. Rund die Hälfte der Befragten will in den kommenden Jahren in Apps, neue Sensoren, Social Media und Big Data investieren, haben die Experten herausgefunden. Für viele ist die vierte industrielle Revolution damit offensichtlich erledigt. „Ich höre oft den Satz ‚Hauptsache wir haben eine App‘.“

Aus Kuchtas Sicht reicht das nicht. Sie glaubt, dass sich künftig Komplettlösungen durchsetzen werden. Ein Beispiel sei Rubicon. Die internationale Plattform wird auch als das ‚Uber des Abfalls‘ bezeichnet. Darüber hinaus prognostiziert sie Untergrundsammelsysteme, zum Beispiel über das U-Bahn-Schienennetz in Großstädten. Zudem sei nicht auszuschließen, dass künftig Roboter als Müllwerker mit dem Abfallsammelfahrzeug unterwegs sind und dieses autonom fahre.

Spielerisch recyceln

Auf dem Weg dahin müssten aber erst einmal wirklich intelligente Sammelcontainer entwickelt werden. Eine Erfolgsgeschichte seien bislang eher große Systeme mit und ohne Presswerk für Holz oder Papier, die getrackt werden können und den Füllstand anzeigen, so Kuchta. Bei kleineren Mülltonnen funktioniere dies hingegen eher leidlich. „Schon eine Pizzaschachtel, die nicht in den Behälter passt, zeigt an: Ich bin voll, bitte abholen! Ich glaube daher, dass es künftig Containerüberwachungssysteme geben wird.“ Diese können Daten in Echtzeit übermitteln und sich selbst mit Strom versorgen.

Und auch der Verbraucher muss mitgenommen werden. Apps, die nur das nächste Repair Café und den Wertstoffhof um die Ecke anzeigen, reichen nicht aus, unterstrich die Professorin. „Wir haben es zunehmend mit Digital Natives zu tun und die fragen, ‚was bekomme ich dafür, wenn ich meinen Müll trenne oder an einer Sammelstelle abgebe‘“. Sie wollten quasi spielerisch recyceln.

Ideen gebe es hier viele. Sie selbst könne sich zum Beispiel vorstellen, dass der Verbraucher künftig Pfandflaschen abgibt und der Gegenwert auf ein digitales Konto geladen. Beim nächsten Einkauf könne dann der Kunde via Smartwatch seine Ware bezahlen.

 

© 320°/bs | 14.05.2018

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