Fraunhofer-Studie

Die Recyclingquoten für Technologiemetalle sind niedrig. Dabei ist ihr Recycling ein potenzieller Baustein für die künftige Rohstoffversorgung. Fraunhofer-Wissenschaftler geben neun Handlungsempfehlungen, wie die Rückgewinnung verbessert werden kann.

Wie sich das Recyclingpotenzial von Technologiemetallen besser ausschöpfen lässt


Deutschland weist in vielen Bereichen die höchsten Recyclingquoten auf. Nur bei den Technologiemetallen hapert es gewaltig: Die momentanen Recyclingquoten von Technologiemetallen aus End-of-Life-Produkten liegen bei unter einem Prozent. Allein schon aus Gründen der Versorgungssicherheit müsste aber ein weitaus größerer Anteil dieser wertvollen Rohstoffe der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden. Nur wie kann die Recyclingquote erhöht werden? Fraunhofer-Wissenschaftler haben darauf Antworten gefunden.

seltener-erden-gehalt-aller-in-deutschland-verkauften-notebooks-2010_statistic_id233662_ (2)In ihrer Studie „Recyclingpotenzial von Technologiemetallen und anderen kritischen Rohstoffen als wichtige Säule der Rohstoffgewinnung“ haben sich die Forscher von Fraunhofer Umsicht auf fünf der aktuell 20 für die Versorgung der europäischen Wirtschaft als kritisch eingestuften Rohstoffe/Technologiemetalle konzentriert: Gallium, Germanium, Indium sowie Neodym und Dysprosium. Auswahlkriterien waren unter anderem die Frage, bei welchen Rohstoffen noch hoher Informationsbedarf zum Aufbau einer belastbaren Wissensbasis besteht und bei welchen Rohstoffen der aktuelle Stand des Recyclings „eher defizitär“ ist.

Im Rahmen der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenen Studie haben die Forscher bestehende Recyclingstrategien und Rückgewinnungsverfahren in Deutschland analysiert, Hemmnisse identifiziert und darauf aufbauend insgesamt neun Handlungsempfehlungen entwickelt. „Unsere Handlungsempfehlungen tragen zum mittel- bis langfristigen Kompetenzerhalt und -aufbau sowie zu einer schrittweisen Implementierung einer Recyclingwirtschaft für kritische Rohstoffe bei“, sagt Asja Mrotzek-Blöß, Gruppenleiterin Stoffstromsysteme Fraunhofer Umsicht. Die Wissenschaftler empfehlen im Einzelnen:

  • Information über verbaute Wertstoffe in Produkten und Bauteilen über den gesamten Lebenszyklus verbessern: Damit sollen die Wissenslücken vor allem der Recycler zu Massen und/oder Konzentrationen von Stoffen in komplexen Produkten und Bauteilen geschlossen werden. Das dient laut Studie auch der Investitionssicherheit von Recyclingunternehmen. In der Praxis sieht das nach Vorstellung der Wissenschaftler so aus, dass Bauteile oder Produkte, die einen bestimmten Minimalgehalt an kritischen Rohstoffen überschreiten, als „recyclingwürdige Bauteile“ erkennbar, automatisiert detektier- und sortierfähig werden. Allerdings sei eine kostengünstige, technisch realisierbare Informationsbereitstellung zur Optimierung des Recyclings derzeit nicht verfügbar. Auch ansonsten gibt es hier noch viel zu tun. So müssten unter anderem Stakeholder-Dialoge und Machbarkeitsstudien durchgeführt, Daten- und Übertragungsstandards sowie das automatisierte Auslesen der Informationen erarbeitet, und die Standards in nationale und internationale Normungs- und Standardisierungsgremien eingebracht werden.
  • Langfristiger Aufbau eines virtuellen Katasters für Sekundärrohstoffe in langlebigen Produkten: Dadurch würde das Wissen zu Materialien und Stoffen, die im anthropogenen Lager vorhanden sind, verbessert. Zudem könnten Aussagen zum Zeitpunkt gemacht werden können, ab dem diese Materialien dem Recycling vermutlich zur Verfügung stehen. Das würde Unternehmen eine gute Planungsgrundlage über Stoffströme der Zukunft bieten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat bereits im Rahmen seiner Fördermaßnahme r3 Projekte zur Kartierung urbaner Sekundärrohstoffquellen wie zum Beispiel zu Gebäuden unterstützt. Diese Daten gelte es weiter zu ergänzen – allerdings nur unter der Prämisse, dass der Datenschutz es zulässt. Materialströme könnten darüber hinaus mit räumlichen Informationen verknüpft werden, um Rohstofflandkarten erstellen zu können.
  • Wissensbasis zu Rohstoffbedarfen und Verknüpfen mit Angebot und Verbleib von Sekundärrohstoffen: Auch die Datenlage zum tatsächlichen Bedarf der deutschen Industrieunternehmen an relevanten Rohstoffen und die Verteilung auf verschiedene Anwendungsgebiete und Wirtschaftszweige lässt noch zu wünschen übrig. Die verfügbare Datenlage erlaube es bislang teilweise nur, auf globale Verteilungen für Anwendungen der betrachteten Technologiemetalle zuzugreifen, die aber nicht repräsentativ für Deutschland sein müssen. Der direkte Dialog zwischen Nachfrageseite (produzierende Industrie) und Angebotsseite (Sekundärrohstofflieferanten) ist in den Augen der Wissenschaftler wichtig, da die Qualität der Sekundärrohstoffe dem Anspruch der Hersteller entsprechen muss.
  • Bestehende und geplante Rechtsvorschriften konsequenter für die Verbesserung des Recyclings kritischer Rohstoffe nutzen: Zwar enthalten ElektroG und Ökodesign-Richtlinie die Forderung, recyclinggerechtes und demontagefreundliches Design in die Produktentwicklung einzubeziehen. Aber es gebe bislang kaum konkrete Vorgaben zum recyclinggerechten Design für rohstoffrelevante Produkte und Baugruppen. Daneben sollten auch die Informationspflichten für Hersteller zum Aufbau und stofflichen Zusammensetzung von Elektroaltgeräten erweitert werden, damit für alle Produktgruppen einheitliche Informationen vorliegen. Den Wissenschaftlern ist aber bewusst, dass alles unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit steht.
  • Verbessern der Sammlung und Erfassung, Verhindern von Dissipationseffekten: Die WEEE-Richtlinie und das ElektroG schreiben zwar höhere Sammelquoten vor. Für die fünf ausgewählten kritischen Rohstoffe seien aber keine adäquaten stoffspezifischen Erfassungsstrukturen vorhanden. Zum Maßnahmenpaket gehören unter anderem das Monitoring und wiederkehrende Überprüfungen der Sammelmengen, um unsachgemäße und illegale Entsorgung zu verhindern. Auch sollten bereits bei Erfassung und Sammlung möglichst Fraktionen mit vergleichbaren Zielmetallkonzentrationen erzeugt werden, um die anschließende Aufbereitung so kosten- und energieextensiv wie möglich gestalten zu können.
  • Realisierung von Demonstrationsanlagen in Zusammenarbeit von öffentlicher Hand, Wirtschaft und Wissenschaft: Seit 2012 hätten Forschungs- und Entwicklungsprojekte zum Recycling der fünf betrachteten Elemente sowohl auf nationaler wie auf EU-Ebene deutlich zugenommen. Demnach müsste auch das wissenschaftlich-technische Know-how deutlich größer geworden sein. Die entwickelten Technologien seien aber von einer industriellen Umsetzung noch weit entfernt. Hier haben die Forscher eine Reihe von Hindernissen festgestellt. Als Maßnahmen schlagen sie unter anderem vor, Projektstrukturen zu schaffen, die eine frühzeitige Kooperation von Wissenschaftlern und Experten des Business Development zur Kommerzialisierung von FuE-Ergebnissen vorsehen. Nicht zuletzt sollten zumindest für Demonstrationsanlagen Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden.
  • Bessere ressortübergreifende Verzahnung und Abstimmung von Fördermaßnahmen sowie Begleitung bei Verwertung und Markteinführung: Den konkreten Nutzen sehen die Wissenschaftler in der Umsetzung von Forschungsprojekten in die industrienahe Forschung. Hierfür müsse ein eines Kriterienkatalog als Entscheidungsgrundlage für Fördergeber erarbeitet werden, welche Labor- beziehungsweise Technikumsverfahren in Innovationsprojekten demonstriert werden sollen. Daneben könnten ressortübergreifende Forschungsprogramme als PPP-Konstruktionen zur Realisierung von aussichtsreichen, industriegeführten Demoanlagen dienen.
  • Materialspezifischer Kompetenzaufbau: Darunter verstehen die Forscher die Förderung der Ausbildung von Fachkräften von Morgen und des Aufbaus von Know-how. Zudem könne damit die Fähigkeit der heimischen Industrie und Wertschöpfung zu Innovationen gestärkt werden. Nötig dazu seien die Schaffung von disziplinübergreifenden Lehrstühlen und die Integration des Themas in Lehrpläne von allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen. Auch die Schaffung einer virtuellen Kompetenz- und Wissensplattform regen die Forscher an.
  • Vernetzung von Kompetenzen und Branchen stärken: Durch eine systematische Zusammenarbeit von verschiedenen Fachdisziplinen könnten Kompetenzzentren entstehen. Diese wiederum würden sogenannte Schnittstelleninnovationen hervorbringen können. Zu den Fachdisziplinen zählen die Forscher unter anderem Abfallwirtschaft, Bergbau, chemische Industrie und Metallurgie. Hierzu sollten bestehende Netzwerke eingebunden und erweitert werden oder auch wiederkehrende Veranstaltungen mit anwendungsnahen Beispielen für disziplinübergreifende Zusammenarbeit und Schnittstelleninnovationen durchgeführt werden.

Mehr zum Thema
So lassen sich Lederreste upcyceln
Recycling von Solarmodulen: Jetzt auch für Silber
KI sortiert Kunststoffe für Lebensmittel­verpackungen
Erstes deutsches Unternehmen für Schiffsrecycling
Elektrofahrzeuge, Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien: Wie weit ist Mercedes schon?
Voestalpine will Buderus Edelstahl verkaufen
Forscher entwickeln Lkw-Front, die Leben retten soll