Energieversorgung

Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen stehen vor einer komplexer werdenden Energieversorgung. Auf sie kommt die Aufgabe zu, Strom und Wärme in integrierten Energiesystemen flexibel bereitzustellen. Wie das gelingen kann, zeigen zwei Beispiele. [ Video ]

Wie sich MHKW erfolgreich aufstellen können


Die Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen werden sich auf neue Anforderungen einstellen müssen. Bislang sei die Abfallbranche gewohnt gewesen, elektrische Energie zu vorteilhaften Preisen kontinuierlich ins Netz einspeisen zu können, erklärte Martin Brunner, Geschäftsleiter Waste-to-Energy Switzerland bei der Ramboll AG vergangene Woche bei der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz. In Zukunft jedoch könnte sich das ändern.

Grund sei die zunehmende Komplexität der Energieversorgung. Diese verlange nämlich, dass Anlagenbetreiber innerhalb kurzer Zeit hohe Strom- oder Wärmeleistungen zur Verfügung stellen können. In kalten Jahreszeiten würden Strom und Wärme sogar gleichzeitig benötigt.

Für MVA-Betreiber ist das zunächst ein Zielkonflikt, da Strom- und Wärmeproduktion direkt voneinander abhängen. Doch der lasse sich durch Wärmespeicher leicht auflösen, meinte Brunner. In Zeiten niedrigen Verbrauchs würden die Speicher geladen. Zu Spitzenbedarfszeiten könne dann maximal Strom zu höchsten Preisen produziert werden, während die Fernwärmeversorgung gleichzeitig aus dem Speicher erfolgt. Voraussetzung sei jedoch der Anschluss an ein Fernwärmenetz.

Fernwärmesystem als Rückgrat

Generell hält Brunner Maßnahmen, die zu mehr Wärmeauskoppelung führen, für wegweisend. Fernwärmesysteme seien das Rückgrat eines integrierten Energiesystems. Ohnehin seien in Mitteleuropa etwa 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf die Komfortwärmeversorgung, also Raumwärme und Warmwasser, zurückzuführen.

Die Alternative zur Fernwärme, nämlich Verbesserungen des elektrischen Wirkungsgrads, ist aus seiner Sicht weniger attraktiv. Zum einen seien die Verbesserungen mit hohen Investitionen verbunden. Zum anderen ließen sie sich oft nur im Rahmen einer umfassenden Modernisierung realisieren.

Die Diskussion über die optimale Energiebereitstellung von Müllverbrennungsanlagen ist allerdings keine rein theoretische, wie Brunner ausführte. Vielmehr gebe es Beispiele in der Praxis, die zeigen, wie man es machen kann. Brunner verwies hierbei auf die KVA Renergia in Luzern (Schweiz), die im Juni 2015 eingeweiht wurde und sich durch folgende Eckdaten auszeichne:

  • Verwertung von über 200.000 Tonnen Abfall pro Jahr auf zwei Linien.
  • Thermische Leistung: 94 Megawatt (47 Megawatt je Linie), Energienutzung: maximal 70 Megawatt thermisch und 28 Megawatt elektrisch.
  • Prozessdampfversorgung der Perlen Papier AG: Wärmelieferung von etwa 300 Gigawattstunden pro Jahr (Perlen hat seine fossile Dampferzeugung eingestellt und spart so 40 Millionen Liter Heizöl pro Jahr).
  • Fernwärme: Anschlussleistung von 46 Megawatt, weitere Leitung ab Herbst 2018 in Betrieb: Kapazität von 24 Megawatt und Wärmeabsatz von 60 Gigawattstunden geplant.
  • Wärmespeicher: 300 Kubikmeter/25 Megawattstunden.
  • Power to Heat (im Bau): 20 Megawattstunden

Video: KVA Renergia

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Amager Bakke: Skipiste auf dem Dach

Daneben sei auch die Abfallverbrennungsanlage Amager Bakke in Kopenhagen (Dänemark) ein Beispiel für eine gelungene Umsetzung eines integrierten Energiesystems. Die Anlage wurde 2017 eröffnet und verfügt über eine öffentlich zugängliche Skipiste auf dem Dach. Laut Brunner verfügt die Region Kopenhagen über das weltweit größte und höchstentwickelte integrierte Energiesystem, wozu auch die Anlage Amager Bakke mit folgenden Kennziffern zählt:

  • Verwertung von 280.000 Tonnen Abfall pro Jahr auf zwei Linien
  • Wirkungsgrad elektrisch 21,9 Prozent, Wirkungsgrad thermisch 85,1 Prozent.
  • Wirkungsgrad höher durch Abgaskompensation: Bei maximaler Abgaskompensation erreicht die Anlage bezogen auf den unteren Heizwert einen Wirkungsgrad von 102 Prozent.
  • Fernwärmeleistung: 247 Megawatt.
  • Das Fernwärmenetz ist in öffentlicher Hand. Die beteiligten Gesellschaften sind verpflichtet, sämtliche Vorteile einer günstigeren Wärmeproduktion an die Endkunden weiterzugeben.
  • In der Region Kopenhagen werden Energie-Richtpläne erstellt: Ist in einem dünn besiedelten Gebiet eine Gasheizung die wirtschaftlichste Lösung, wird diese Region nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen. Wenn ein Gebiet an die Fernwärme angeschlossen wird, herrscht Anschlusszwang.
  • Die Länge des Netzes beträgt 160 Kilometer. Ausdehnung etwa 25 km Luftlinie in Ost-West und 20 km in Nord-Süd-Richtung; das Hauptleitungsnetz verbindet zwanzig unterschiedliche Fernwärmegebiete.
  • Wärmeabgabe des Netzes: etwa 10.000 Gigawattstunden pro Jahr, Spitzenleistung von 1.650 Megawatt.
  • Im gesamten Netzwerk kleinere Wärmespeicher installiert; wesentlicher Anteil der Wärmespeicherkapazität ist bei den Kraftwerken Avedøre (2 x 22.000 Kubikmeter) und Amager (1 x 22.000 Kubikmeter).

Wie Brunner abschließend betonte, sind die Besitzer und Betreiber von MHKW künftig gefordert, sich den Anforderungen der Flexibilisierungen und integrierter Energiesysteme zu stellen. Nur so könnten ihre Anlagen auch in Zukunft „ein verlässlicher, ökonomischer und ökologischer Partner bleiben.“


Video: Amager Bakke

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© 320°/bs | 08.02.2018

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