Innovationen im Fahrzeugbau

Ständig neue Fahrzeugmodelle mit neuer Zusammensetzung erschweren das Altfahrzeugrecycling. Um mithalten zu können, fordern Recycling-Experten eine bessere Kommunikation mit Herstellern - und neue Recyclingtechniken.

„Wir müssen uns auf die Prä-Shreddertechnik fokussieren“


Die fortlaufenden Veränderungen im Autobau machen den Recyclern zu schaffen. „Angesichts einer sich dramatisch verändernden Zusammensetzung eines Durchschnittsfahrzeugs müssen Recyclingtechnologien ständig weiterentwickelt werden“, mahnt die Metallrecycling-Gruppe Scholz. Der Wunsch nach leichteren Fahrzeugen führe zu einer komplexeren Materialvielfalt, deren Trennung immer aufwendiger werde.

Vor allem der Einsatz von Stahl habe sich verändert: War früher noch ein Stahlanteil von etwa 75 Prozent in einem PKW verbaut, so seien es heute noch 40 bis 50 Prozent, der Rest verteile sich auf Nichteisenmetalle, Kunststoffe, Carbonfasern sowie hochfeste Stähle. Die eingebauten Stahlbleche unterscheiden sich dabei durch den variablen Anteil von Kohlenstoff oder Mikrolegierungen wie Niob, Titan oder Vanadium, die die Feste von Stahl bestimmen. Hinzu kommen immer mehr Kunststoffteile, die weitere Trenntechniken erforderlich machen.

Abtrennung vor dem Shredder

Neben den komplexen Materialien stellen auch die verbauten Batterien und Elektro- und Elektronikkomponenten die Recycler vor Herausforderungen. Diese Komponenten müssen aus Sicherheitsgründen oder zur Reduktion durch geeignete Prä-Shredder Technologien vorbehandelt werden. „Wir müssen uns viel stärker auf die Prä-Shreddertechnik fokussieren“, betont Rene Gissinger, bei Scholz zuständig für das Ressort Technik.

statistic_id310412_altfahrzeuge---menge-der-recycelten-werkstoffe-in-deutschland-2013„Wenn wir werthaltige Rohstoffe abtrennen wollen, muss dies vor dem Shredder geschehen. Ob dies in Zukunft mehr händische Demontage oder automatisierte Abtrennung heißt, kann heute nicht vorhergesagt werden.“ Dabei könnten zunächst Kompetenzen aus der E-Schrott-Aufbereitung genutzt werden. Allerdings ist sich Gissinger sicher, dass künftig Investitionen in eine großtechnische Aufbereitung nötig seien werden.

Scholz mahnt zugleich an, dass einige Metalle, die in den Elektroautos verbaut werden, heute noch gar nicht oder nur unzureichend verwertet werden. Davon seien vor allem Batteriematerialien wie Lithium, seltene Erden, Tellur und Indium betroffen. Auch Kobalt und Molybdän würden nur in geringem Umfang recycelt. In diesem Zusammenhang fordert Scholz, dass die Batterien getrennt entsorgt werden – gegebenenfalls mit einem pfandbasierten Rücknahmesystem. Kritisch betrachten die Experten, dass die Bundesregierung den Kauf von Elektrofahrzeugen finanziell bezuschussen will.

Altfahrzeug-Richtlinie muss angepasst werden

Ebenfalls kritisch sehen die Scholz-Vertreter den unbekannten Verbleib von Altfahrzeugen. Im Jahr 2013 seien das 1,18 Millionen Autos gewesen. „Unsere Investments sind in Gefahr, wenn Politik und Behörden weiterhin die Augen verschließen, statt den illegalen Betrieb von Anlagen und die illegalen Exporte von Altfahrzeugen konsequent zu verfolgen“, sagt Kay Oppat, COO der Scholz Gruppe.

Um die Herausforderungen beim Recycling zu bewältigen, müssen sich nach Ansicht von Oppat unter anderem die Verwerter mit den Herstellern und Lieferanten austauschen. „Wir wollen keinen Protektionismus der Rohstoffe proklamieren, fordern andererseits aber klare Verhältnisse in der Behandlung von Altfahrzeugen“, so der COO.

Außerdem muss laut Oppat der Vollzug verbessert und die Altfahrzeugrichtlinie an die Marktbedingungen angepasst werden. Dabei solle die gemeinsame Produktverantwortung der Hersteller, Demontierer und Verwerter eindeutiger definiert und mehr kommuniziert werden. Zusätzlich sei eine Kostenbeteiligung an Forschungsvorhaben notwendig.

Des Weiteren fordert Gissinger, dass die Berechnung der Recyclingquoten verändert wird: „Quoten, die ausschließlich auf Massenmetalle abzielen, sind nicht mehr zeitgemäß. Wenn wir auch kritische Rohstoffe und mehr Kunststoffe aus dem Auto zurückgewinnen wollen, muss das Quotensystem komplett überarbeitet werden.“ Neben quantitativen Recyclingzielen brauche es auch qualitative. Zudem seien Anreize für höhere Rücklaufquoten zu diskutieren. Eine gesetzlich festgelegte kostenlose Rücknahme ist nach Ansicht von Scholz nicht mehr marktgerecht und zeitgemäß.

© 320°/ek | 14.06.2016

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