Zu viel Ware

Die Textilrecycler stehen vor einem wachsenden Problem: Die Qualität der Gebrauchtware verschlechtert sich stetig. Zugleich übersteigt das Aufkommen den Bedarf um ein Vielfaches. Es stellt sich die Frage, wie lange die Entsorgung noch kostenlos angeboten werden kann.

Wird die Abgabe von Altkleidern bald kostenpflichtig?


Über zu wenig Material können sich Textilrecycler in Deutschland wahrlich nicht beklagen. Rund eine Million Gebrauchtkleider werden pro Jahr in Deutschland aussortiert – mit steigender Tendenz. Doch die reinen Zahlen täuschen über einige Schwierigkeiten hinweg, mit denen Textilrecycler zunehmend konfrontiert werden.

Zum einen ist da der Umstand, dass „erhebliche Mengen“ einfach in den Hausmüll wandern, wie die Umweltorganisation Greenpeace bestätigt. Und zum anderen beklagen Sammler einen steigenden Anteil von Textilien mit schlechter Qualität in den Gebraucht-Containern: Bekleidung, die oft bereits nach wenigen Waschgängen nicht mehr zu gebrauchen ist.

„Über 50 Prozent der Sachen sind nicht mehr tragbar“, berichtet Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung, einem Zusammenschluss von über 130 gemeinnützigen Altkleider-Sammelorganisationen. Die in Sammlungen gegebenen Mengen übersteigen den Bedarf karitativer Organisationen längst „um ein Vielfaches“.

Für ihre soziale Arbeit vor Ort benötigen die gemeinnützigen Sammler weniger als zehn Prozent. Die Überschüsse werden an gewerbliche Firmen verkauft. Mit lediglich etwa 2 bis 4 Prozent der abgegebenen Textilien kann nur ein verschwindend geringer Teil der Sachen in gewerblichen Secondhand-Shops in Deutschland und Europa verkauft werden.


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Der Großteil der noch tragbaren Textilien geht an Abnehmer in Osteuropa, dem Mittleren Osten und in Afrika. Die Recycler versuchen, die minderwertigen Textilien anders wiederzuverwenden – etwa indem diese zu Putzlappen weiterverarbeitet werden. „Der Berg ist so riesig, dass eine Verwertung schwierig wird“, sagt Ahlmann.

Längst sei die Entsorgung minderwertiger Textilien zu einem Zuschussgeschäft geworden, das mit Erträgen aus dem Verkauf der besseren Stücke subventioniert werden müsse. In der Branche werde angesichts eines steigenden Anteils minderwertiger Textilien diskutiert, wie lange die Entsorgung noch kostenlos angeboten werden könne, sagt Ahlmann.

Ein wichtiges Ventil sind derzeit Exporte unter anderem nach Afrika. In Kenia etwa ist der Handel mit Altkleidern ein großes Geschäft. Die Hauptstadt Nairobi ist übersäht mit „Mitumba“-Märkten. An Ständen werden Jeans und Sportschuhe, T-Shirts und Unterwäsche vor allem aus Europa und Amerika verkauft.

Die Menschen würden die Secondhand-Ware mögen, sagt Simon Kinyanjui, der auf dem Toi-Markt in Nairobi Altkleider anbietet. Secondhand-Stücke aus Europa und Amerika hätten bessere Qualität und seien langlebiger als neue Kleidungsstücke, die man in Kenia bekomme, sagt der 37-Jährige.


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Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) hatte eigentlich bis 2019 ein Importstopp für Altkleider angekündigt. Zwar sind die Länder inzwischen etwas zurückgerudert, vor allem auf Druck aus den USA. Uganda, Ruanda und Tansania haben aber ihre Steuern auf importierte Secondhandkleidung erhöht, Kenia hält sich noch zurück.

Befürworter von Einfuhrbeschränkungen gibt es viele. „Ein derartiges Verbot würde die heimische Textilindustrie fördern“, sagt der stellvertretende Leiter der Kenianischen Industrie- und Handelskammer, James Mureu. Zwar sieht er ein, dass es zunächst schwierig wäre, die Nachfrage aus der lokalen Produktion zu decken: „Aber Not macht erfinderisch.“

Derzeit würden nur rund 15 Prozent der in EAC-Ländern produzierten Baumwolle vor Ort verarbeitet, der Rest werde exportiert, sagt der East African Business Council. Der Verband befürwortet daher, den Altkleiderhandel schrittweise abzuschaffen.

Händler Kinyanjui bereiten derartige Einfuhrbeschränkungen Sorgen. „Es wäre sehr schlimm. Ich kann keine Neuware verkaufen, ich mache da kaum Gewinn“, sagt er. Auch in Deutschland schrillen die Alarmglocken. Ein Importstopp von Altkleidern in Afrika hätte nach Einschätzung von Ahlmann Auswirkungen auf die Branche bis hin zu einer möglichen Marktkrise: „Die Läger würden volllaufen.“

 

© 320°/dpa | 09.08.2018

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