Konflikt mit den USA

Die türkische Lira verfällt, die Beziehung zu den USA ist schwer gestört, und zwei leicht reizbare Präsidenten sind auf Konfrontationskurs: Wo endet die Türkei-Krise? Fragen und Antworten.

Wohin steuert die Türkei-Krise?


Der türkische Staatspräsident provoziert und provoziert. Acht Reden hat Recep Tayyip Erdogan zwischen Freitagmorgen und Dienstag gehalten und in jeder wurde der Ton gegen die USA schärfer.

In der ersten Rede ging es noch um „Kampagnen“ gegen die Türkei. In der vierten drohte er schon, die Hände abzuhacken von jenen, die den „Wirtschaftskrieg“ gegen die Türkei führten. In der Rede am Montagnachmittag nannte er die USA den „Kraftmeier des globalen Systems“ und sagte, die Türkei sei zu einem Krieg bereit. In der letzten Rede am Dienstag kündigte Erdogan an, die Türkei werde Amerikas elektronische Produkte boykottieren.

Angesichts dieser Eskalationsstufen vermag niemand vorhersagen, wohin die Wirtschaftskrise in der Türkei steuern wird. Fakt ist, dass die Türkei innerhalb weniger Tage in eine Wirtschaftskrise gestürzt ist. Was ist passiert und welche Auswirkungen kann die Krise haben? Fragen und Antworten:

Worum geht es eigentlich?

Im Streit um einen in der Türkei festgehaltenen US-Pastor hatte US-Präsident Donald Trump am Freitag (10. August) verkündet, Stahlexporte aus der Türkei mit einem Zoll von 50 Prozent statt bislang 25 Prozent zu belegen. Die Strafzölle traten am Montag in Kraft. Auf Twitter hatte Trump zugleich angekündigt, auch die Strafzölle auf Aluminium aus der Türkei auf 20 Prozent zu verdoppeln. Für die neuen Abgaben auf Aluminium wurde aber noch kein Datum genannt.

Welche Folgen hatten die Strafzölle bislang?

Mit den Strafzöllen hatte Trump bewusst die Währungskrise der Türkei angeheizt. Die türkische Lira verliert seit Monaten an Wert – die Ankündigung der Strafzölle beförderte sie in den freien Fall. Im asiatischen Handel war der Wert der türkischen Währung am Montag zum Euro und US-Dollar zeitweise erneut zweistellig gefallen. Erstmals mussten mehr als sieben Lira für einen US-Dollar und über acht Lira für einen Euro gezahlt werden.

Wie reagiert die türkische Regierung?

Der türkische Finanzminister und die Zentralbank hatten am Montag Notfallmaßnahmen ergriffen. Die Notenbank ließ unter anderem verlauten, dass Banken sich zusätzliche Mittel in Fremdwährung leihen können. Es würden alle Schritte ergriffen, um die Finanzstabilität zu sichern.

Gleichzeitig kündigte die Regierung an, nun auch eigene Bürger für negative Kommentare über die wirtschaftliche Lage und den Absturz der Lira bestrafen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gehen nun Staatsanwälte in Ankara und Istanbul gegen Personen und Konten in sozialen Medien vor, die die „wirtschaftliche Sicherheit“ des Landes gefährden, indem sie falsche Berichte oder „Spekulationen“ unter anderem über den Zustand öffentlicher Unternehmen oder Banken verbreiteten.

Staatspräsident Erdogan verteidigte das Vorgehen gegen Kritiker während der Rede vor Diplomaten in Ankara. Er nannte sie „Wirtschaftsterroristen“. Sie hätten „Verrat“ begangen. Jene, die „Spekulationen“ verbreiteten, sollten dafür zahlen.

Welche Rolle spielt die Türkei als Handelspartner Deutschlands?

Aus deutscher Sicht ist die Türkei ein relativ kleiner Handelspartner. Das Land am Bosporus lag 2017 sowohl beim Export als auch beim Import auf Rang 16. Hauptexportgüter in die Türkei sind nach Angaben des Außenhandelsverbandes BGA Maschinen, Autos und Autoteile sowie chemische Produkte.

Welchen Stellenwert hat die türkische Stahlindustrie?

Im weltweiten Ranking der größten Stahlhersteller lag die Türkei im Jahr 2017 auf Platz 8 mit einer Menge von etwas über 37,5 Millionen Tonnen. Über 40 Prozent des in der Türkei produzierten Stahls wird exportiert. Damit ist die Türkei unter den Top-Ten der weltweit größten Stahlexporteure.

Der größte Stahlabnehmer für die Türkei sind die USA. Nach Angaben der US-staatlichen International Trade Admission gehen 11 Prozent oder 1,1 Millionen Tonnen der Stahlexporte in die Vereinigten Staaten. Vor allem Betonstahl, Langprodukte und Flachstahlerzeugnisse werden in die USA geliefert. Für die USA selbst macht der Stahl aus der Türkei rund 7,3 Prozent aller Einfuhren aus.

In diesem Jahr war der Handel mit den USA im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig. Der zweitgrößte Handelspartner für die Türkei ist derzeit Israel.

Wie sieht es beim Stahlschrott aus?

Die Türkei ist der weltweit größte Importeur von Stahlschrott. Das Land stellt ein Großteil des Stahls aus Schrotten her und verwendete zuletzt jährlich 30,3 Millionen Tonnen Stahlschrott. Im vergangenen Jahr importierte die Türkei dafür etwa 21 Millionen Tonnen. Damit kauft die Türkei fast ein Fünftel des weltweit gehandelten Stahlschrotts (18,4 Prozent).

Der größte Stahlschrott-Lieferant für die Türkei sind die USA mit 3,8 Millionen Tonnen. Unter Umständen könnten diese Mengen jetzt aus anderen Regionen geordert werden.

Welche Auswirkungen sind für den deutschen Recyclingmarkt zu erwarten?

Das ist schwer vorherzusagen. In erster Linie wird es davon abhängen, ob die türkischen Stahlwerke die Produktion drosseln werden. Ein geringerer Stahlschrott-Bedarf der türkischen Werke würde generell auf das heimische Preisniveau drücken. Sollte die Türkei ihren Schrottbezug von den USA auf Europa umlenken, könnte eine mögliche Produktionsdrosselung der türkischen Stahlwerke kompensiert werden, wenn zugleich mehr Schrott aus Europa geordert wird. Im besten Fall könnten die europäischen Märkte sogar davon profitieren.

In einem eher pessimistischen Szenario könnten die türkische Stahlindustrie die Schrottimporte einbrechen. Dann wird es davon aushängen, wie stark der aktuelle Stahlschrott-Bedarf der europäischen Stahlwerke sein wird. Auch in diesem Fall könnte der Schrottpreise nach oben oder unten auch gar nicht ausschlagen.

Wie reagiert die Bundesregierung auf die Türkei-Krise?

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt über die Lage in der Türkei. „Niemand hat ein Interesse an einer wirtschaftlichen Destabilisierung der Türkei“, sagte sie in Berlin. Die EU profitiere von einer stabilen Wirtschaftslage in ihrer Nachbarschaft. „Deutschland möchte jedenfalls eine wirtschaftlich prosperierende Türkei. Das ist auch in unserem Interesse.“

 

© 320°/dpa | 14.08.2018

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