Konjunkturhilfe

Die Ministerpräsidenten der Autoländer sind sich einig: Die Autoindustrie braucht Konjunkturimpulse, um wieder auf Trab zu kommen. Dafür soll es Kaufprämien geben und eine stärkere Förderung für E-Ladestationen. Geplant ist außerdem eine Abwrackprämie.

Autoländer fordern Kaufprämien – und eine Abwrackprämie


Die „Autoländer“ Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg wollen die schwache Nachfrage mit Kaufprämien für Autos wieder ankurbeln – und sehen dafür den Bund in der Pflicht. Der Automarkt in Deutschland müsse dringend angekurbelt werden, auch wegen seiner Bedeutung für vor- und nachgelagerter Arbeiten, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Hannover. Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fordert Staatshilfe. „Wir brauchen jetzt Konjunkturimpulse“, sagte er bei einem Besuch im Ford-Werk Köln.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte in München, er habe sich mit seinen Kollegen Weil und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) auf einen Forderungskatalog geeinigt.

  • Demnach soll es 3.000 Euro für moderne Benziner und Dieselautos ab Schadstoffklasse 6d-Temp geben.
  • 4.000 Euro zusätzlich soll der Bund für den Kauf von Plug-in-Hybriden sowie Elektro- und Wasserstoffautos zuschießen. Aktuell beträgt die Förderung für Elektroautos bereits 6.000 Euro.
  • Wer ein älteres Auto mit Euro-3- oder Euro-4-Norm abgibt, soll zusätzlich 1.000 Euro Abwrackprämie bekommen.
  • Wer einen modernen Verbrenner kauft und später auf ein E-Auto umsteigt, soll dann nochmals 1.000 Euro Umstiegsprämie bekommen.
  • Elektro-Ladestationen solle zur Hälfte der Staat bezahlen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Dienstag mit den Chefs der Autokonzerne, der IG Metall und den Ministern für Finanzen, Wirtschaft, Verkehr, und Umwelt beraten, wie die Autoindustrie mit ihren 800.000 Arbeitsplätzen wieder in Schwung kommt. VW, Daimler, BMW, Audi, Ford und Opel lassen ihre Werke in Europa nach wochenlangem Stillstand wieder anlaufen, aber viele Mitarbeiter bleiben in Kurzarbeit, die Nachfrage ist gering. Entscheidungen seien bei dem Spitzentreffen am Dienstag noch nicht zu erwarten, sagte eine Regierungssprecherin.

„Purer Lobbyismus“

Die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer kritisierte die geplanten Kaufprämien für Neuwagen als „puren Lobbyismus“. Damit würden nur würden Autokäufe vorgezogen, die in den Folgejahren fehlten, sagte die Münchner Professorin der „Rheinischen Post“ (Montag). Allenfalls eine Prämie für Elektro-Autos, verbunden mit Investitionen in Ladeinfrastrukturen, könnte sinnvoll sein.

Der Präsident des Umweltbundesamts sprach sich gegen eine Abwrackprämie aus. „Von einer pauschalen Abwrackprämie für alte Autos halte ich wenig“, sagte Dirk Messner der dpa. „Selbst Neufahrzeuge mit der neusten Abgasreinigung helfen nur wenig beim Klimaschutz.“ Ihre CO2-Emissionen lägen in der Praxis im Schnitt nur wenig unter denen der Altfahrzeuge. „Eine Kaufförderung kann ich mir allenfalls für wirklich sparsame Autos mit CO2-Emissionen unter 95 Gramm pro Kilometer vorstellen“, so Messner.

Kritik kommt auch von den drei Vize-Chefs der SPD-Bundestagsfraktion. „Eine Abwrackprämie, die Technologien aus dem letzten Jahrhundert fördert, löst keine Probleme von Morgen“, schrieben die Bundestagsabgeordneten Sören Bartol, Matthias Miersch und Achim Post in einem Gastbeitrag für „t-online“. Viel wichtiger sei ein Absatzschub für klimafreundliche Fahrzeuge, etwa durch ein Flottenaustauschprogramm für Handwerker, soziale Dienste und kommunale Fuhrparks.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) lehnt Kaufanreizprogramme für Pkw grundsätzlich ab. Sie seien eine ungerechte Bevorzugung der Automobilbranche und verschärfen die Klimakrise durch zusätzliche Förderung des motorisierten Individualverkehrs. Auch eine vermeintlich ökologisch gestaltete Kaufprämie, die sich etwa nach dem CO2-Ausstoß richtet, lehnt die DUH ab. Nahezu kein Modell der deutschen Autohersteller halte den seit Januar 2020 geltenden EU-Flottengrenzwert von 95 g CO2/km im Realbetrieb ein. Die Überkapazitäten für den Bau von Verbrenner-Pkws müssten beschleunigt abgebaut und durch Produktionskapazitäten für ÖPNV und batterielektrische Fahrzeuge ersetzt werden.

Die DUH erinnert daran, dass die deutschen Autobauer wie keine andere Branche seit Jahrzehnten jedes Jahr Milliarden direkte und indirekte Förderung aus dem Bundeshaushalt erfahren. Und dies trotz jährlich zweistelliger Milliardengewinne. Allein im vergangenen Jahr 2019 betrug der Gewinn von BMW, Daimler und VW vor Steuern (EBIT) 29,8 Mrd. Euro. An die Aktionäre wurden 8,2 Mrd. Euro ausgeschüttet.

Europaweite Abwrackprämie für Lkw

Die IG Metall forderte zwar ein Signal der Politik zur Stützung der Autoindustrie, nannte aber auch Bedingungen. „Für die IG Metall kann es eine Kaufprämie nur bei einem nennenswerten Eigenanteil der Automobilbranche geben. Weiter muss damit eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes gefördert und so ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Hofmann.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans äußerte Zweifel an der Wirkung von Kaufprämien. Deutschland sei noch mitten in der Krise. Viele Menschen würden „jetzt alles andere tun als sich entscheiden, ein neues Auto zu kaufen“, sagte er dem rbb. Die Klima- und Friday-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer lehnte eine Autoprämie als „maximal unverantwortliche Idee“ ab.

Nach Angaben des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer geben die deutschen Autobauer und -händler aktuell nur geringe Preisnachlässe auf Neuwagen. Die Rabatte seien so niedrig wie in den Vormonaten – so gering wie zuletzt 2014. „Es vermittelt sich der Eindruck, dass die Autobauer vor eigenen Rabatten erstmal auf die Kanzlerin warten“, sagte der Professor.

Die VW-Lastwagentochter Traton forderte am Montag eine europaweite Abwrackprämie auch für Lastwagen. „Es duldet keinen Aufschub bis Ende des Jahres“, sagte Traton-Chef Andreas Renschler am Montag in München: „So was muss relativ schnell gemacht werden.“ Wenn keine neuen Bestellungen kämen, sei der heutige Auftragsbestand in zwei, drei Monaten aufgezehrt.

 

© 320°/dpa | 04.05.2020

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