Interview

Ina-Maria Becker, Geschäftsführerin der RAL Gütegemeinschaft Recyclate aus haushaltsnahen Wertstoffsammlungen, über die ersten Monate des neuen Gütezeichens, das künftige Wachstumspotenzial und darüber, ob Mindesteinsatzquoten für Recyclate wirklich hilfreich wären.

„Die Recyclate müssen zeigen, dass sie es können“


Die neue „RAL-Gütegemeinschaft Recyclate aus haushaltsnahen Wertstoffsammlungen“ ist noch jung – sie wurde erst vor gut vier Monaten ins Leben gerufen. Wie der Name deutlich macht, prüft die Gütegemeinschaft ausschließlich Recyclate aus dem Gelben Sack oder der Gelben Tonne. Erfüllen die Recyclate die Anforderungen der RAL-Gütergemeinschaft, dürfen sie das Gütezeichen „%-Recycling-Kunststoff“ GZ 720 tragen. Mit dem Gütezeichen wird der genaue prozentuale Anteil der Recyclingkunststoffe ausgewiesen.

Geschäftsführerin der RAL-Gütegemeinschaft ist Ina-Maria Becker. Die promovierte Chemikerin ist seit vier Jahren beim Grünen Punkt im Bereich Produktmanagement tätig und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Umsetzung des Paragrafen 21 VerpackG zur Recyclingfähigkeit und zum Rezyklateinsatz in Verpackungen. Als Sachverständige für Verpackungsentsorgung war sie unter anderem viele Jahre für das Sachverständigenbüro cyclos tätig.

Frau Becker, wie viele Mitglieder hat die RAL Gütegemeinschaft inzwischen?

Derzeit sind es sechs Mitglieder: die Firmen Systec Eisfeld und Systec Hörstel, Grüner Punkt, Werner & Mertz, Pöppelmann sowie Jokey Plastics.

Grüner Punkt

Sind Sie mit der Zahl zufrieden?

Ja, absolut. Auch vor dem Hintergrund, dass wir ja erst Ende Oktober gestartet sind.

Die aktuelle öffentliche Diskussion hat den Start vermutlich beflügelt, oder?

Ja, in jedem Fall. Das Interesse ist seit unserem Start Ende Oktober vergangenen Jahres enorm gestiegen. Es ist ja nicht nur die öffentliche Diskussion, die wichtige Impulse für mehr Recycling gibt, sondern auch das neue Verpackungsgesetz und die europäische Gesetzgebung. Derzeit haben wir viele Anfragen, pro Woche melden sich drei bis vier Interessenten.

Woher kommen die Interessenten in der Regel?

Die Interessenten kommen mehrheitlich aus der Industrie, vornehmlich aus der Verpackungsherstellung, sowohl national als auch international. Aber auch mit einem Handelsunternehmen besteht Kontakt. Die meisten sind am RAL-Gütezeichen interessiert. Bei vielen stellt sich dann aber heraus, dass sie auch Recyclate aus Industrieabfällen einsetzen, sodass eine Zusammenarbeit doch nicht zustande kommt, da wir ausschließlich auf die haushaltsnahe Wertstoffsammlung fokussiert sind.

Das Gütezeichen soll den Verbraucher darauf aufmerksam machen, dass Recyclate in der Verpackung eingesetzt werden, um damit sein Kaufverhalten positiv zu beeinflussen. Gibt es Untersuchungen, die belegen, dass das Kaufverhalten tatsächlich beeinflusst wird?

Leider gibt es zu diesem Thema kaum empirische Untersuchungen. Aber aus den Anfragen, die wir erhalten, schließen wir, dass das Gütezeichen in jedem Fall hilfreich ist. Der Verbraucher möchte anhand der Verpackung schnell sehen, ob das Produkt oder die Verpackung recyclingfähig ist oder Recyclate enthält und damit umweltfreundlich ist. Deshalb war es uns wichtig, ein Logo zu verwenden, das schnell erklärbar ist und das mit einem unabhängigen Institut entworfen wurde. Ein Label, das also unabhängig geprüft und überwacht wird.

Auf wie vielen Produkten findet man derzeit die RAL-Gütezeichen?

Aktuell findet man es auf den Blumentöpfen von Pöppelmann. Bei Jokey-Produkten findet man das Label noch nicht, weil aktuell noch der Zertifizierungsprozess läuft. Ich denke, dass wir im Mai die nächsten Gütekennzeichen haben werden.

Wie aufwendig und teuer ist die Zertifizierung für das RAL-Gütezeichen?

Die Beiträge, die wir von unseren Mitgliedern erheben, richten sich nach der Menge des verwendeten Recyclats. Das beginnt bei 300 Euro pro Jahr und geht bis in den oberen vierstelligen Bereich. Ist ein Kunde bislang noch nicht zertifiziert, dauert die Zertifizierung in der Regel einen halben oder einen Tag vor Ort, aber das ist individuell verschieden. Ist der Kunde bereits zertifiziert, dann muss er bei der Produktherstellung nur nachweisen, wie viel Prozent Recyclat und Neuware er je Rezeptur einsetzt. Die Angaben überprüft dann ein Sachverständiger vor Ort.

Bislang beläuft sich der Anteil der Recyclate aus dem Gelben Sack auf rund 5 Prozent. Welcher Anteil an Recyclaten wäre für die Zukunft möglich?

Das ist schwer zu sagen. Die Nachfrage ist jetzt schon groß und wird in Zukunft sicher noch steigen. Früher hatten die Recyclate aus dem Gelben Sack den Ruf, grau zu sein und zu riechen. Das hat sich in der Zwischenzeit gewandelt. Heute sind die Recyclate hochwertige Kunststoffe, die auch für Verpackungen eingesetzt werden können, möglicherweise bald auch für Kosmetika. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Recyclate aus den haushaltsnahen Sammlungen eine ähnliche Entwicklung einschlagen wie Altpapier. Früher war das Büropapier aus Altpapier auch grau und geruchsintensiv. Heute ist es eine prima Qualität. Wenn wir mit dem Kunststoff die gleiche Richtung einschlagen würden, wäre das ein großer Erfolg. Ich glaube, dass es ein großes Potenzial gibt.

Wie hilfreich wären auf diesem Weg verbindliche Recyclat-Mindesteinsatzquoten für den Handel und die Industrie?

Ich sehe das eher skeptisch. Die Recyclate müssen zeigen, dass sie es können. Die Kunden müssen überzeugt sein, dass der Verbraucher das will und die Recyclate die geforderte Qualität und Leistung bringen. Man darf auch nicht vergessen, dass Recyclate aus dem Gelben Sack beispielsweise im Food-Bereich derzeit noch nicht eingesetzt werden können. Wenn es da eine allgemeine Quote gäbe, wäre das nicht abbildbar. Im öffentlichen Beschaffungswesen hingegen wäre eine Bevorzugung sicherlich hilfreich. Dort gib es einen Riesenhebel.

Die Initiative für das RAL-Gütezeichen Recyclingkunststoffe ging vom Grünen Punkt aus. Gibt es ähnliche Maßnahmen auch von den übrigen dualen Systemen?

Die Initiative kam zwar vom Grünen Punkt, das ist richtig. Doch letztlich sind wir mit dem RAL-Gütezeichen einen Weg gegangen, der auch offen für andere duale Systeme ist.

Und, sind die anderen Systembetreiber interessiert?

Ja, zum Teil schon. Wir hatten schon Gespräche mit anderen dualen Systemen. Wir würden uns darüber freuen, wenn weitere Systeme der Gütegemeinschaft beitreten.

Gemäß Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes müssen die dualen Systeme die Recyclingfähigkeit von Verpackungen beziehungsweise den Einsatz von Recyclaten fördern, indem sie die Höhe der Lizenzentgelte entsprechend staffeln. Mit wie viel Prozent Ermäßigung darf ein Inverkehrbringer rechnen, wenn er mit Ihrem Gütezeichen zertifiziert ist?

Das lässt sich noch nicht sagen, klar ist aber, dass der Paragraf 21 für viel Bewegung sorgt. Die Nachfrage nach Beratungsleistung dazu ist enorm, sie konzentriert sich derzeit vor allem auf die Frage der Recyclingfähigkeit. Für die Systeme wird es natürlich auch interessant werden, den Einsatz von Recyclaten aus dem Gelben Sack zu fördern. Und hier schließt sich der Kreis: Um das nachzuweisen, braucht es ein unabhängiges, verlässliches Zeichen wie das RAL-Gütezeichen.

 

© 320° | 11.03.2019

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