Weniger Treibhausgase

Nun steht es fest: Bis 2030 will die EU die Treibhausgase um mindestens 55 Prozent senken. Darauf haben sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments geeinigt.

EU einigt sich auf neues Klimaziel


Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments haben sich endgültig auf eine Verschärfung des Klimaziels für 2030 geeinigt. Bis dahin sollen die Treibhausgase der Europäischen Union um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 gesenkt werden. Dies teilten mehrere Vertreter des Europäischen Parlaments und des Rats der Mitgliedsstaaten am frühen Mittwochmorgen der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel mit. Bisher galt ein Ziel von minus 40 Prozent.

„Das ist ein herausragender Moment für die EU und ein starkes Signal an die Welt“, schrieb EU-Kommissionsvize Frans Timmermans auf Twitter. „Unsere Verpflichtung auf eine klimaneutrale EU wird unsere Politik in den nächsten 30 Jahren leiten.“ Es sei „ein guter Tag für die Menschen und den Planeten“.

Die Unterhändler des Europaparlaments akzeptierten nach mehr als 15-stündigen Verhandlungen letztlich die Marke, die die EU-Staats- und Regierungschefs Ende 2020 vorgegeben hatten. Dabei wollte das EU-Parlament eigentlich viel mehr: eine Senkung der Klimagase um 60 Prozent sowie eine schärfere Berechnungsmethode. Die Abgeordneten erreichten nur Zugeständnisse in Details.

Anrechnung der Senken

Hauptstreitpunkt war neben dem Prozentwert vor allem die Frage, ob und inwieweit die Mengen Kohlendioxid eingerechnet werden sollen, die Wälder, Pflanzen und Böden speichern. Abgeordnete bemängeln, dass eine Einbeziehung dieser sogenannten Senken das Einsparziel abschwächt. Statt bei 55 Prozent lägen die tatsächlichen Einsparungen nur bei 52,8 Prozent, monierten unter anderen die Grünen.

Die Parlamentarier handelten zumindest heraus, dass die Anrechnung der Senken auf 225 Millionen Tonnen Kohlendioxid begrenzt wird. Die EU-Kommission soll durch Aufforstung die Bindekraft der Wälder auf 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid erhöhen, sodass netto mehr als 55 Prozent Treibhausgase eingespart werden könnten. Damit lande man bei „fast 57 Prozent“, rechnete der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament, der Liberale Pascal Canfin, vor.

Gemeinsam mit der sozialdemokratischen Unterhändlerin Jytte Goteland zeigte Canfin sich zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis. Canfin sprach von einem „Game Changer“, also einem Wendepunkt. Durchsetzen konnte das Parlament die Gründung eines Klimarats mit 15 Experten zur Durchsetzung der Ziele. Zudem wird ein Treibhausgas-Budget für die nächsten Jahrzehnte ermittelt, aus dem 2024 ein Etappenziel für 2040 abgeleitet werden soll.

Die Grünen zeigten sich enttäuscht. „Mit diesem Klimaziel und Klimagesetz verliert die Europäische Union ihre Vorreiterrolle im Klimaschutz“, kritisierte der Europaabgeordnete Michael Bloss. „Das Pariser Klimaabkommen wird so kaum einzuhalten sein, der Klimawandel wird uns das nicht verzeihen.“ Sein Fraktionskollege Sven Giegold monierte, mit einem „Rechentrick“ sei das Klimaziel geschrumpft worden. Dies sei ein schwerer Fehler, und auch die Bundesregierung habe dazu beigetragen. Umweltverbände wie Greenpeace, WWF und Germanwatch äußerten sich ähnlich.

„Verbindlich und unumkehrbar“

Der CDU-Politiker Peter Liese betonte hingegen, das neue Ziel sei sehr ambitioniert und die Einigung historisch. Liese verwies darauf, dass in den 30 Jahren von 1990 bis 2020 die Klimagase der EU nur um 25 Prozent verringert worden seien; binnen zehn Jahren bis 2030 müssten sie um weitere 30 Prozentpunkte sinken. Das Parlament und der Rat der EU-Staaten müssen dem Verhandlungsergebnis noch formal zustimmen. Im Parlament scheint eine Mehrheit von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen sicher.

Für die Bundesregierung begrüßten Umweltministerin Svenja Schulze, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die EU-Vereinbarung. SPD-Politikerin Schulze erklärte: „Das neue EU-Klimagesetz ist mehr als nur richtungweisend. Es macht den Klimaschutz in der EU verbindlich und unumkehrbar.“ Altmaier (CDU) sagte: „Wir können mit Investitionen in Innovationen und neue saubere Technologien Arbeitsplätze sichern und neue schaffen.“ Karliczek (CDU) nannte den Kompromiss „ambitioniert, aber angesichts des fortschreitenden Klimawandels absolut notwendig“.

Das verschärfte Ziel für 2030 ist eine Etappe auf dem Weg, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Das heißt, dass dann alle Treibhausgase vermieden oder gespeichert werden. Nötig ist dafür der Umstieg auf erneuerbare und abgasfreie Energien und Produktionsmethoden. Wie das konkret gehen soll, will die EU-Kommission in einem Gesetzespaket «Fit for 55» im Juni erklären.

US-Präsident Biden hat sein Land ins Pariser Klimaabkommen von 2015 zurückgeführt, das sein Vorgänger Donald Trump aufgekündigt hatte. Ende des Jahres sollen bei einer Weltklimakonferenz in Glasgow alle Vertragspartner ihre Klimaziele offiziell nachschärfen. Andernfalls würde das Vertragsziel verfehlt, die globale Erwärmung bei unter 2 Grad – und möglichst bei nur 1,5 Grad – zu halten. Vergleichsmaßstab ist die vorindustrielle Zeit.

 

© 320°/dpa | 21.04.2021

Mehr zum Thema
Energie aus Abwasserwärme: Etabliert, sofort einsatzfähig – und dennoch wenig genutzt
Klimaziel 2030: Habeck sieht Deutschland auf Kurs