Interview zum Eigentumserwerb an PPK

GGSC-Anwalt Frank Wenzel erläutert im Interview, inwieweit sich der kommunale Eigentumsanspruch an PPK übertragen lässt und welche Auswirkungen das Urteil des LG Ravensburg auf den gelben Sack haben könnte.

„Noch nicht das letzte Wort“


Das Landgericht Ravensburg hat Ende Januar geurteilt, dass duale Systeme kein Eigentum an Altpapier aus Straßensammlungen erwerben. Das Gericht begründete seinen Beschluss damit, dass der Bürger, der sein Altpapier am Straßenrand ablegt, nicht DSD das Eigentum übertragen möchte, sondern dem Landkreis. Schließlich sei der Landkreis derjenige, der in Kontakt mit dem Bürger trete.

Wenzel-Foto
GGSC

Herr Wenzel, lässt sich das Urteil des Landgerichts ohne weiteres auf andere Altpapier-Sammlungen übertragen, die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger durchführen?

Zunächst einmal: Auch wenn das Urteil aus kommunaler Sicht richtig und daher zu begrüßen ist, bleibt es ein erstinstanzliches Urteil und damit mutmaßlich nicht das letzte Wort, zumal DSD zwischenzeitig auch andere Gerichte mit dieser Frage befasst hat. Ansonsten lässt sich das Urteil in der Tat in seiner Logik grundsätzlich auch auf alle anderen Altpapier-Sammlungen durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger übertragen. Und zwar nicht nur auf die Sammlungen, die der örE logistisch selbst durchführt, sondern auch auf diejenigen, die er mithilfe Drittbeauftragter durchführt.

Insofern macht es auch keinen Unterschied, ob der örE das Altpapier über Vereine oder die blaue Altpapiertonne sammelt?

Ja, so ist es. Da lässt das Urteil keinen Unterschied erkennen.

Wenn das Altpapier den Systembetreibern nicht gehört, verliert dann der Systembetreiber auch den Anspruch auf eine anteilige finanzielle Vergütung?

Das wird im Einzelfall noch zu prüfen sein, aber in der Tendenz: wohl eher nein. Die Kosten der Entsorgung reduzieren sich natürlich durch die erzielten Erlöse und da die örE bzw. kommunalen Entsorger im Streitfall nur das angemessene Entgelt verlangen können, finden die Erlöse natürlich Berücksichtigung. Allerdings wird in Streitfällen seitens der Systembetreiber immer wieder übersehen, dass PPK-Verpackungen, die in aller Regel aus Pappen und Kartonagen bestehen, qualitativ minderwertiges PPK sind. Dieser Umstand ist bei der Berücksichtigung von Erlösen selbstverständlich zu beachten.

Inwieweit könnte das Urteil auch für andere Verpackungsabfälle gelten, also auch für den Gelben Sack aus privaten Haushalten?

Auch diese Frage wird man im Einzelfall noch prüfen müssen. Eine Rolle spielt im Einzelfall sicherlich, wer hier für wen tätig wird und wie sich die Überlassung aus Sicht des Abfallbesitzers vollzieht. Die herkömmlichen gelben Tonnen und gelben Säcke stehen bekanntlich weder in organisatorischer noch in finanzieller Verantwortung des örE. Das dürfte sich mit einer Wertstofftonne, mit der auch stoffgleiche Nichtverpackungen gesammelt werden, anders verhalten. Hier kommt es mutmaßlich auch darauf an, wie das WertstoffG ausgestaltet wird – und ob die Systembetreiber, deren Systeme mit Blick auf Mengenschwund und die ewige Zankerei untereinander zur Zeit offenkundig im Scheitern begriffen sind, dann überhaupt noch eine Rolle spielen.

Entscheidend ist also immer, wer für die Sammlung verantwortlich ist, weil nur derjenige, der einsammelt, auch einen Eigentumsanspruch erwerben kann?

Ja, vereinfacht kann man das Urteil so verstehen; es hängt aber nicht nur von der Organisationsverantwortung ab, sondern laut LG Ravensburg auch davon, wer vom Bürger als Entsorger wahrgenommen wird.

In vielen Kommunen wenden sich die Bürger an den örE, wenn es Probleme mit der Sammlung des gelben Sacks gibt. Sie nehmen die Kommunen als zuständigen Entsorger des Sackes wahr. Könnten Kommunen diese Argumentation nutzen, um daraus einen Eigentumsanspruch geltend zu machen?

Das ist mit Blick auf das Urteil natürlich ein interessanter Ansatz. Letztlich kommt es aber immer auf die konkrete Sachverhaltskonstellation an, also wer nach der Ausgestaltung des Sammelsystems aus Sicht des Abfallbesitzers für die Entsorgung verantwortlich zeichnet bzw. – in den Worten des Gerichts – „dahinter steht“. Meist wird es heutzutage klar sein, dass gelbe Säcke oder Tonnen nicht im Auftrag der Kommune abgeholt werden, auch wenn es natürlich einmal mehr verdeutlicht, dass die Verpackungsentsorgung ein Fremdkörper geblieben ist, wenn der öffentliche Entsorger im Alltag vor Ort auch zwanzig Jahre nach Inkrafttreten der VerpackV immer noch als Erster angerufen wird, wenn es bei der Abfuhr der Verpackungen klemmt!

Wenn es also im Wesentlichen um die beiden Kriterien geht, wer die Sammlung verantwortet und wer von den Bürgern als Entsorger wahrgenommen wird, dann braucht sich ein Sortierbetrieb folglich keine Hoffnungen machen, dass er jemals Eigentum an LVP, Altglas oder ähnlichem erwerben wird?

Nun, das Verhältnis Systembetreiber zu privatem Entsorger – bzw. Sortierbetrieb – war bekanntlich nicht streitgegenständlich. Auch hier kommt es wohl entscheidend auf den konkreten Sachverhalt an. In dem Ravensburger Fall ging es ja im Kern um die Frage, wer bei der Sammlung Eigentum erwirbt. In dem Fall, den Sie ansprechen, wäre der Abfall ja bereits eingesammelt und mutmaßlich die Frage geklärt, wem der vertragsgegenständliche Abfall gehört. Das Ravensburger Urteil schließt nicht kategorisch aus, dass Systembetreiber bei einer Sammlung auch Eigentum erwerben können, z.B. wenn sie Entsprechendes vertraglich vereinbart haben.

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