Pyrolyse, Vergasung, Plasmaverfahren, Verölung und HTC

Alternative thermische Prozesse sind stark im Kommen. Doch was taugen solche Verfahren für die Behandlung von festen gemischten Siedlungsabfällen? Experten haben die Alternativen untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Thermische Nischenverfahren


An der Müllverbrennung klebt vielerorts in Europa ein schlechtes Image. Von vielen Bürgern wird sie als antiquiert und unmodern eingestuft, teilweise auch als gesundheitsgefährdend. Kein Wunder also, dass alternative thermische Verfahren oftmals als interessante Alternative angesehen werden – auch wenn die Leistungsfähigkeit von vielen Experten bezweifelt wird.

Zu den Zweiflern zählt auch das Aachener Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe (TEER) unter Leitung von Professor Peter Quicker. Das Institut hat im Auftrag des Umweltbundesamtes das Gutachten „Sachstand zu den alternativen Verfahren für die thermische Entsorgung von Abfällen“ erstellt. Die Autoren haben verschiedene Varianten der alternativen thermischen Abfallbehandlung unter die Lupe genommen und hinsichtlich ihrer Eignung zur Behandlung von festen gemischten Siedlungsabfällen bewertet.

Zu den untersuchten Verfahren zählen alte Bekannte wie die Abfallpyrolyse und die Abfallvergasung, aber auch Verfahren wie Plasma- und Verölungsprozesse sowie die noch vor der Markteinführung stehenden Verfahren zur hydrothermalen Karbonisierung (HTC). Für die neueren Verfahren liegen laut Studie wenig belastbare Betriebserfahrungen vor, in einigen Fällen seien selbst Massen- und Energiebilanzen nicht verfügbar. Zur Behandlung problematischer Teil- und Nebenströme, die im Prozess anfallen, existierten häufig nur Konzepte, die noch nicht praxiserprobt seien.

Pyrolyse

Doch auch die gepriesenen Vorteile für das Verfahren der Pyrolyse sind aus Sicht der Gutachter mit Vorsicht zu bewerten. Befürworter der Pyrolyse heben hervor, dass das Pyrolyseöl und -gas in Kraftmaschinen wie Gasturbinen oder Verbrennungsmotoren energetisch effizienter genutzt werden kann. Darüber hinaus seien Pyrolyseverfahren besonders gut geeignet, Metalle aus den Reststoffen zurückzugewinnen. Auch der Ruß, der sogenannte Carbon Black, lasse sich nutzbringend anwenden. Außerdem falle die Schlacke als verglastes Produkt mit günstigeren Eluatwerten an, und nicht zuletzt würden diese Verfahren niedrigere Emissionen aufweisen.

Das klingt zwar gut, doch der Nachweis dieser technologischen Vorteile stehe im langzeitstabilen Betrieb noch immer aus, wie es im Gutachten heißt. Im Laufe der zurückliegenden 40 Jahren seien etliche Versuche gestartet worden, viele davon seien aber bei der großtechnischen Umsetzung gescheitert – so wie auch die Anlage nach dem Siemens Schwel-Brenn-Verfahren in Fürth. Die Anlage mit einer Kapazität von 100.000 Jahrestonnen wurde 1997 in Betrieb genommen, und bereits zwei Jahre später nach schwerwiegenden Betriebsproblemen wieder stillgelegt. Als Grund führen die Gutachter eine Reihe grundsätzlicher Probleme an:

  • Reaktoren und Prozessführung erfordern im Allgemeinen eine hohe Aufbereitungstiefe, mit entsprechenden Vorbehandlungskosten.
  • Die erzeugten Pyrolysegase enthalten hohe Konzentrationen an Teeren, welche die energetische Nutzung erschweren.
  • Die Vermarktung des erzeugten Kokses gestaltet sich aufgrund der niedrigen Koksqualitäten als schwierig.
  • Die komplexe Anlagentechnik erfordert hohe Wartungsaufwendungen.
  • Bei einigen Verfahren werden fossile Energieträger zur Beheizung benutzt.

Aktuell gibt es in Deutschland nur noch eine Restabfall-Pyrolyseanlage, die im Industriemaßstab betrieben wird. Die Anlage steht in Burgau und wurde von der Firma Babcock gebaut. Dort werden jährlich rund 26.000 Tonnen Siedlungs- und Gewerbeabfälle sowie Klärschlämme entsorgt. „Die Technik wurde vom Betriebspersonal über Jahrzehnte soweit optimiert und weiterentwickelt, dass nun ein gut und stabil funktionierender Prozess zur Verfügung steht“, attestieren die Gutachter der Anlage. Das grundlegende Konzept der Anlage sei zwar nicht mehr zeitgemäß, doch aktuell würden konzeptionelle, technische und administrative Maßnahmen geprüft, um die Anlage zukunftsfähig zu machen. Die Verfahrenskosten gibt der Anlagenbetreiber mit ungefähr 200 Euro je Tonne behandeltem Abfall an. Dazu kommen noch die Kosten für die Deponierung des Pyrolyserückstands. Das schlägt pro Tonne mit etwa 100 zu Buche.

Die Gutachter kommen daher zum Schluss, dass die Pyrolyse sich lediglich für einige Vorschaltanlagen empfiehlt und diese auch im direkten Anlagenverbund mit anderen thermischen Verfahren stehen müssten, um eine direkte Nutzung der erzeugten Produkte unter optimierten Bedingungen zu ermöglichen. Gute Chancen sehen die Gutachter hier für die ConTherm-Anlage Anlage, die 2009 nach vielen Problemen aus ökonomischen Gründen stillgelegt wurde. Diese war als Vorschaltanlage zur Pyrolyse hochkalorischer Ersatzbrennstoffe im Kraftwerk Westfalen bei Hamm eingesetzt. Pyrolysegas und -koks wurden im Kraftwerk mitverbrannt. „Bei entsprechenden Marktkonditionen könnte diese Vorschalttechnik durchaus interessant sein“, lautet das Urteil im Gutachten. Die installierte Anlagentechnik sei prinzipiell funktionsfähig und könnte wohl auch im Langzeitbetrieb erfolgreich bestehen.

Vergasung

Bei der Untersuchung der Vergasung haben sich die Gutachter auf Verfahren beschränkt, deren Ziel die Erzeugung von Synthese- oder Brenngas ist. Ähnlich wie bei der Pyrolyse werden auch für diese Prozesse von den Betreibern große Vorteile gegenüber der Müllverbrennung genannt. Darunter der höhere elektrische Wirkungsgrad durch den Einsatz der Gase in Verbrennungskraftmaschinen, niedrigere Emissionen oder Schlackeverglasung mit hervorragenden Eluatwerten bei den Hochtemperaturverfahren. Die Vergasungstechnologie kämpft jedoch mit verschiedenen grundsätzlichen Herausforderungen. Diese hängen laut Gutachten im Wesentlichen mit der Qualität des erzeugten Produktgases zusammen. So würden hohe Anforderungen an die Abfallaufbereitung und Störstoffelemination gestellt. Damit verbunden sind entsprechende Zusatzkosten. Die hohen Teer- und Staubgehalte erschweren darüber hinaus die motorische Nutzung der Gase; entsprechend aufwendig ist auch die Gasreinigung. Zudem sei die Instandhaltung eine kostspielige Angelegenheit.

Die Verfasser des Gutachtens rügen auch die vielfach eigentlich fälschlich gebrauchte Bezeichnung der Vergasung. Bei etlichen Prozessen erfolge zwar als erster thermischer Behandlungsschritt eine Vergasung der Abfälle, dieser Schritt sei aber lediglich die Vorstufe einer direkt angeschlossenen Verbrennung. Die Vergasung ist in diesen Fällen also integraler Bestandteil einer gestuften, insgesamt überstöchiometrischen Verbrennung und kein wirkliches Vergasungsverfahren. Diese „Umetikettierung“ sei eine reine Marketingmaßnahme. In einigen Ländern können nämlich durch die Errichtung alternativer thermischer Abfallbehandlungsanlagen Fördermittel akquiriert werden. Technisch seien diese Verfahren aber als Verbrennungsverfahren einzustufen. Im Vergleich mit der klassischen Abfallverbrennung schneiden diese Verfahren hinsichtlich der energetischen Effizienz schlechter ab.

Einige Vergasungsverfahren sind an der großtechnischen Umsetzung gescheitert. Ein berühmtes Beispiel ist neben dem Thermoselect-Verfahren die Schwarze Pumpe. Die Anlage konnte trotz des hochwertigen Endproduktes Methanol nicht wirtschaftlich betrieben werden. Nach zwei Konkursen wurde die Anlage 2004 endgültig stillgelegt.

Wie bei den Pyrolyse-Vorschaltprozessen gilt aber auch hier, dass Vorschaltkonzepte auf Basis der Vergasungstechnik nach Ansicht der Gutachter interessante Optionen bieten. Interessant seien vor allem Verfahren, die eine Behandlung von Sonderfraktionen erlauben, wie z.B. hoch toxischen, chlorkontaminierten oder besonders heizwertarmen Stoffen. Einem Einsatz zur Behandlung gemischter Siedlungsabfälle erteilen die Gutachter jedoch eine Absage. Grund sei der Aufbereitungsaufwand zur Einstellung entsprechender Eduktqualitäten.

Plasmaverfahren

Ursprünglich für militärische Zwecke sowie für die Raumfahrt entwickelt, finden Plasmaverfahren derzeit in der Metallurgie sowie seit Anfang der 1980er Jahre auch zur Behandlung von Abfällen Anwendung. Bei Letzteren dienen sie vor allem zur Verglasung besonders kritischer Abfallfraktionen wie Asbest. Diese Verfahren realisieren die Konversion des Abfalls beziehungsweise seiner Schwelprodukte durch Kontakt mit mindestens 2.000 °C heißem Plasma (teilionisiertes Gas). Den Anbietern zufolge können dadurch niedrige gasseitige Emissionen bei gleichzeitig hoher Qualität der Konversionsrückstände realisiert werden.

Derzeit versuchen mehrere Firmen Plasmaverfahren zur Behandlung von Restabfällen zu etablieren. Darunter finden sich sowohl Verfahren, die auf eine vollständige Plasmabehandlung des kompletten Abfalls abzielen, als auch solche, die nur kritische Teilfraktionen wie Flugaschen und Filterstäube oder das erzeugte Produktgas thermisch behandeln.

Plasmaverfahren sind allerding teuer. Kennzeichen dieser Prozesse sind hohe Investitions-, Betriebs- und Instandhaltungskosten. Die Technik sei relativ störanfällig, heißt es im Gutachten. Die Elektroden hätten eine kurze Lebensdauer, die Elektronik zur Plasmaerzeugung sei empfindlich. Das erklärt vermutlich, wieso bisher noch kein einziges Verfahren zeigen kann, dass es die technische Reife für einen industriellen Dauerbetrieb hat. „Wenn die Verfahren künftig die nötige technische Reife erlangen sollten“, so heißt es im Gutachten, „sind im Abfallbereich unter Umständen Verfahren zur Plasmabehandlung von speziellen problematischen Teilströmen interessant.“ Allerdings nur dann, wenn unter anderem gesetzliche Vorgaben eine derartige Behandlung vorschreiben. Ansonsten würden die hohen Kosten wohl eine Etablierung auf dem Markt verhindern. Allein aus diesen Gründen ist der Einsatz von Plasmaverfahren zur großtechnischen Behandlung von Restabfällen nach Einschätzung der Gutachter wenig realistisch. „Aufgrund des hohen energetischen Aufwandes, der Störanfälligkeit und der hohen Kosten für diese Verfahren“ halten die Experten das auch nicht als wünschenswert.

Verölungsverfahren

Mittels der (katalytischen) Direktverölung sollen feste Abfälle in ein Produktöl umgewandelt werden. Dieses besteht hauptsächlich aus Kohlenwasserstoffen und soll mit Heizöl oder Diesel vergleichbar sein. Dadurch wird das Verfahren auf die Behandlung bestimmter Abfallfraktionen eingeschränkt. Geeignete Inputmaterialien sind vor allem Polyolefine beziehungsweise Abfallfraktionen, die einen hohen Anteil dieser Kunststoffe aufweisen, sowie ölhaltige Verbindungen wie Altöle. Üblicherweise müssen diese Inputmaterialien zunächst vorbehandelt werden, um den speziellen Annahmekriterien zu entsprechen.

Großtechnische Anlagen, die im Dauerbetrieb laufen, gibt es bisher noch nicht. Die derzeit betriebenen Anlagen dienen laut Gutachten der Erforschung und Weiterentwicklung der Verfahren. So auch die Dieselwest-Anlage in Ennigerloh. Als Einsatzstoffe wurden laut Betreiber Ersatzbrennstoffe, Kunststoffgemische, Sonnenblumenschalen, Wood-Plastic-Composites und Rapsschrot erfolgreich erprobt. Um die Turbinen nicht zu zerstören, muss das Inputmaterial sorgfältig von NE- und Fe-Metallen befreit werden und in einer Korngröße von < 30 mm vorliegen. Vor dem Reaktor wird dem Inputmaterial ein Katalysator auf Aluminium-Silikat-Basis und Eisenoxid zur Schwefelbindung zugegeben.

Das entstehende Produktöl besteht laut Gutachten zum Großteil aus der Siedefraktion des Gasöls. Die Spezifikationen würden nicht der EN 590 für Dieselkraftstoffe entsprechen. So lägen beispielsweise die Schwefel- und Wassergehalte deutlich über den Grenzwerten. Geplante Einsatzgebiete für das Öl sind Zementöfen oder Heizkraftwerke und die Nutzung in Feuerungsanlagen im kommunalen und landwirtschaftlichen Bereich oder in BHKWs. Daneben soll das Öl weiter aufbereitet und Treibstoffen beigemischt werden.

Bei der Verölung ist die Aufbereitung der Produkte mit erheblichem Aufwand verbunden, konstatiert das Gutachten. „Die angebliche Einfachheit des Hauptverfahrens wird in der Regel mit einer höheren Komplexität bei der Produktnachbehandlung erkauft.“ Häufig seien die Aufbereitungsschritte die Schwachpunkte der Verfahren. Zumal diese Probleme oftmals während der Verfahrensentwicklung schlicht nicht beachtet würden.

Hydrothermale Verfahren

Sogenannte HTC-Prozesse (hydrothermale Karbonisierung) eignen sich nur für biogene Abfälle wie Bioabfall oder Klärschlamm. Dabei werden die Reststoffe in flüssiger, wässriger Phase unter Druck in ein Karbonisat umgewandelt, das eine optimierte energetische oder stoffliche Nutzung erlauben soll. Eine Behandlung von gemischten Siedlungsabfällen ist nach Meinung der Gutachter mit diesen Prozessen nicht empfehlenswert.

Die entstehende HTC-Kohle hat Braunkohle-ähnliche Eigenschaften und kann somit als Energieträger aber auch zur Bodenverbesserung oder als Sorbens in der Abwasserreinigung eingesetzt werden. Allerdings entstehen bei diesen Verfahren auch „signifikante Mengen an hoch organisch belasteten Abwasserströmen, die behandelt werden müssen“, wie die Gutachter feststellen. Zudem müssen die entstehenden Permanentgase und die Abluft aus der Entwässerung und der Trocknung gereinigt werden.

Die HTC-Verfahren haben aber auch positive Effekte. Sie verbessern die Entwässerbarkeit des behandelten Materials. Dabei sollen Trockensubstanzgehalte von über 60 Prozent erreicht werden. Somit könnte das Verfahren als Alternative zur thermischen Teiltrocknung vor einer thermischen Nutzung, insbesondere von Klärschlamm und nassen Bioabfällen Anwendung finden. Bislang existiert laut Studie eine Reihe von halbtechnischen Versuchsanlagen, die jedoch nur im Kampagnenbetrieb gefahren werden. In den industriellen Dauerbetrieb hat es auch hier noch kein Verfahren geschafft.

Müllverbrennung bleibt konkurrenzlos

Die Autoren des Gutachtens kommen folglich zum Schluss, dass alle untersuchten alternativen thermischen Verfahren im Vergleich zur klassischen Müllverbrennung mit größerem Behandlungsaufwand und damit auch Kosten verbunden sind. „Die Müllverbrennung bildet somit weiterhin den Stand der Technik zur Behandlung von gemischten Restabfällen“, heißt es im Gutachten. An die Leistungsfähigkeit und Flexibilität der Müllverbrennung komme unter vergleichbaren Rahmenbedingungen keines der alternativen Verfahren heran. Auch könne keines dieser Verfahren in wirtschaftlicher und gleichzeitig ökologischer Hinsicht mit den Maßstäben der Abfallverbrennung konkurrieren.

Daran werde sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern, zeigen sich die Gutachter überzeugt. Sollen die Verfahren erfolgreich am Markt eingeführt werden, müssten sie vor allem mit den europäischen Behandlungskosten für die Müllverbrennung konkurrieren können. Diese liegen zwischen 25 Euro pro Tonne Abfall auf dem offenen skandinavischen Markt und 100 Euro pro Tonne auf dem staatlich geschützten belgischen Markt.

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