Klimaschutz

Im Ringen um ein schärferes EU-Klimaziel haben Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments am Dienstag ihre voraussichtlich letzte Verhandlungsrunde gestartet. Der Ausgang ist offen. Der WWF fordert in jedem Fall eine drastische Verringerung der Zertifikate.

WWF: Emissionshandel muss deutlich nachgeschärft werden


Um das verschärfte EU-Klimaziel für 2030 zu erreichen, muss der europäische Emissionshandel aus Sicht des Umweltverbands WWF drastisch reformiert werden. So müssten das Einsparziel für die betroffenen Sektoren deutlich erhöht und überschüssige Zertifikate gezielt aus dem Markt genommen werden, erklärte der Verband am Dienstag.

Der Emissionshandel ist so ausgestaltet, dass für jede Tonne Kohlendioxid, die in die Atmosphäre gelangt, die Verursacher eine Berechtigung benötigen. Diese Zertifikate können gehandelt werden. Jährlich sinkt die erlaubte Menge an Emissionen, sodass Zertifikate teurer werden und sich Klimaschutzinvestitionen eher lohnen. Das Handelssystem ETS umfasst Fabriken, Kraftwerke und Fluggesellschaften.

Die EU-Staaten wollen die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu bringen – bisher anvisiertes Ziel waren 40 Prozent. Das EU-Parlament verfolgt ein schärferes Reduktionsziel und pocht auf einem Minus von 60 Prozent. Am Dienstag (20. April) haben Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments ihre voraussichtlich letzte Verhandlungsrunde gestartet. Vor dem virtuellen Klimagipfel mit US-Präsident Joe Biden am Donnerstag und Freitag war der politische Druck hoch, sich endgültig auf ein verbindliches EU-Ziel zu einigen. EU-Unterhändler rechneten deshalb mit einem Kompromiss, aber auch mit langen Verhandlungen bis in die Nacht hinein.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie warb für einen zügigen Abschluss. Europa müsse international mit einer Stimme sprechen, erklärte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Das anvisierte 55-Prozent-Ziel sei bereits „extrem ehrgeizig“. Nötig seien nun ein realistischer Rechtsrahmen und schlüssige Antworten zur Umsetzung.

WWF: Mehr Zertifikate aus dem Markt nehmen

Hauptstreitpunkt zwischen den EU-Staaten und dem Parlament war neben dem Prozentwert zuletzt vor allem die Frage, ob und inwieweit die Mengen Kohlendioxid eingerechnet werden sollen, die Wälder, Pflanzen und Böden speichern. Abgeordnete bemängeln, dass eine Einbeziehung dieser Senken das Klimaziel abschwächen würde. Statt bei minus 55 Prozent läge es damit nur bei rund 51 Prozent, rechneten Kritiker vor.

Doch selbst wenn es bei minus 55 Prozent bleibe, müsste die Zielmarke für die Sektoren des Emissionshandels von heute minus 43 Prozent auf mindestens minus 65 Prozent verschärft werden, meint der WWF. Entsprechend müsste die Menge an verfügbaren Zertifikaten schneller sinken. Die Organisation plädiert dafür, 350 Millionen Zertifikate 2023 einmalig aus dem Markt zu nehmen und die Menge danach um rund 3,6 Prozent pro Jahr zu reduzieren – statt nur um jährlich um 2,2 Prozent.

Pläne zur Ausweitung des Emissionshandels auf andere Sektoren wie Verkehr und Gebäude sieht der WWF skeptisch. Die Auswirkungen auf das komplizierte System seien nicht einzuschätzen, sagte Klimaexperte Felix Matthes vom Freiburger Öko-Institut. Matthes hatte für den WWF eine Studie zur Reform des Emissionshandels angefertigt.

 

© 320° | 20.04.2021

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