Ersatzbrennstoffe

Für die Feinvermahlung und Trocknung von EBS gibt es eine neuartige Technologie. Sie soll es Zementwerken erstmals ermöglichen, fossile Brennstoffe vollständig durch feste EBS zu ersetzen. Finanziell soll sich das Ganze auch rechnen.

Zementwerke: Neue Technik ermöglicht Einsatz von 100 Prozent EBS


Die Zementindustrie könnte vollständig auf fossile Brennstoffe verzichten. Möglich machen soll das eine neuartige kombinierte Technik. Damit sollen sich feste Ersatzbrennstoffe (EBS) so fein aufbereiten lassen, dass der Drehrohrofen eines Werks ausschließlich damit kontinuierlich über den Hauptbrenner befeuert werden kann.

Wie genau das gehen soll, erklärte Dirk Lechtenberg beim Kasseler Abfall- und Bioenergieforum Mitte April. Sein Beratungsunternehmen MVW Lechtenberg hat die neuartige, kombinierte Zerkleinerungs-, Separierungs- und Trocknungstechnik (kurz: Si-Tro-Zer-Technik) in einer Versuchsanlage getestet und bewertet.

„Die Si-Tro-Zer-Mühle verarbeitet handelsüblichen EBS zu einem fein vermahlenen, trockneren Produkt, das mögliche Klinkerproduktionsverluste reduziert“, wie EBS-Experte Lechtenberg sagte. Der Input der Versuchsanlage war EBS mit Korngrößen von circa 30 Millimeter Kantenlänge und einem Feuchtegehalt zwischen 25 und 17 Prozent bei einem Heizwert von etwa 23 MJ/kg.

Fluff in einem Schritt gesichtet, getrocknet und zerkleinert

Dieser fluffige EBS sei in einem Schritt gesichtet, getrocknet und auf unter 10 Millimeter Korngröße verarbeitet worden. Dabei werde der EBS im kontinuierlichen Materialstrom von Störstoffen befreit und gleichzeitig mit der vom Klinkerkühler abgezweigten Abluft auf einen Feuchtegehalt von rund 10 Prozent getrocknet, erklärte Lechtenberg. Im aufsteigenden Flugstrom werde der EBS dann auf die gewünschte Korngröße zerkleinert.

Das Zerkleinerungsprinzip dieser Mühle basiert laut Lechtenberg auf einem mit hoher Peripheriegeschwindigkeit drehenden Rotor und dem hohen Luftdurchsatz. Dabei werde der Luftstrom in der Mahlzone in starke Turbulenzen versetzt. In diesen Wirbeln würden die EBS-Partikel beschleunigt. Sie würden miteinander und auch mit den Mahlwerkzeugen kollidieren. „Dadurch wird eine erhebliche Reduzierung der Korngröße erreicht“, wie Lechtenberg unterstrich.

Dreidimensionale Teile vorab schon abgetrennt

Der aufbereitete EBS werde anschließend in einem Abscheidezyklon von der Transportluft befreit und gelangt pneumatisch zur Ofenfeuerung. Die aussortierten Störstoffe werden gesammelt und könnten wieder dem EBS-Aufbereiter angeboten werden.

Die sogenannte Si-Tro-Zer-Technologie basiert auf dem Wirkprinzip einer Luftwirbelmühle. Der Clou dabei ist: Dreidimensionale Teile mit einem höheren Schüttgewicht würden nicht direkt dem Zerkleinerungsraum zugeführt, sondern durch eine integrierte Luftsichtung vorab abgetrennt werden.


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[su_spoiler title=“Die Si-Tro-Zer-Technologie – Versuchsergebnisse und Analyse“]

  • Trocknungsgrad von bis zu 15 Prozent

Bei der Si-Tro-Zer-Technik wird laut Lechtenberg Heißluft aus dem Klinkerkühler abgezogen und der Mühle zugeführt. „Aus den bisherigen Analysendaten des EBS vor und nach der Mahltrocknung konnte eine signifikante Feuchtigkeitsreduzierung zwischen 10 und 15 Prozent festgestellt werden.“

Dieser Trocknungsgrad habe ohne nennenswerte Investitionen für die Rohrleitungen und weitere Techniken erzielt werden können. Daher stellt die Mahltrocknung mit vorhandener Abwärme in den Augen Lechtenbergs eine optimale Möglichkeit dar, den Feuchtegehalt von EBS zu reduzieren. Das bedeute ganz klar eine verbesserte Verbrennung bei reduzierten Klinkerproduktionsverlusten und einen geringeren Energiebedarf je Tonne Klinker.

  • Vorteilhaftere Brennstoffpartikel für Hauptbrenner

In der Versuchsanlage der Si-Tro-Zer wurde ein EBS in einer Korngröße von bis zu 50 Millimeter eingesetzt. Der zerkleinerte Brennstoff hat laut Lechtenberg eine Korngröße von rund 10 bis 15 Millimeter. Der EBS kann offensichtlich auch auf unter 10 Millimeter zerkleinert werden. Das soll durch die Erhöhung der Anzahl der Schlagleisten auf dem Rotor und durch die Erhöhung der Rotorgeschwindigkeiten möglich sein.

Die Konsistenz des Fluff sei sehr locker und flockig, zudem seien die Ränder der einzelnen Teilchen aufgefasert. Dadurch bekommen die Brennstoffpartikel eine größere Oberfläche. Diese stelle sich vorteilhaft in der Zündung und Verbrennung im Hauptbrenner dar.

  • Dreidimensionale Teile zu 100 Prozent abgeschieden

In der Si-Tro-Zer-Mühle können dreidimensionale Materialien wie Hartkunststoffe, Fe- und NE-Metalle, Porzellan, Gummi und Ähnliches vollständig abgeschieden werden. Das erfolge im Gleichstrom. Dadurch würden keine dieser Störstoffe in den Mahlraum oder in die Feuerung gelangen. „Die Abtrennung dieser dreidimensionalen Teile ist auch bei der Mitverbrennung von EBS in Kohlekraftwerken oder in der Kalkindustrie von Vorteil“, betonte Lechtenberg.

Der Austrag dieser Teile aus der Mühle erfolge automatisch über integrierte Kratzkettenförderer. Es soll dabei auch zwischen brennbaren und nicht brennbaren Materialien unterschieden werden können. Die heizwertreichen Partikel wie Gummi oder Hartkunststoffe könnten über anderweitige Abtrennungsverfahren weiter separiert und ebenfalls einer thermischen Verwertung zugeführt werden.

  • Nur minimale Verschleißkosten

Da die Störstoffe augenscheinlich sicher und vollständig ausgesiebt werden, verringert sich auch der Verschleiß an den Schlagmessern. Auch die pneumatischen Förderstrecken sollen einem wesentlich geringerem Reibverschleiß ausgesetzt sein. Das belegte Lechtenberg in seinem Vortrag mit konkreten Zahlen:

Somit wurden im Versuchszeitraum insgesamt an die 32.000 Tonnen EBS zerkleinert. Die in diesem Zeitraum angefallenen Kosten für Verschleißteile hätten sich auf nur rund 1.000 Euro belaufen. Insgesamt hätten die Verschleiß- und Wartungsaufwendungen bei nur 20 Cent pro Tonne zerkleinertem Material gelegen.

Verglichen mit den Verschleißkosten bei Standardzerkleinerungsanlagen ist das nur eine kleine Größenordnung. Denn deren Verschleißkosten werden generell auf 1 bis zu 1,50 Euro je Tonne zerkleinertem Material veranschlagt.

  • Versuchsanlage und Weiterentwicklung

Die Versuchsanlage wurde in einem westfälischen Zementwerk installiert. Dieses verfügt den Angaben zufolge über einen Drehrohrofen mit einer Klinkerproduktion von 1.800 Tagestonnen. Die Pilotanlage sei aufgrund der im Mengendurchfluss begrenzten, vorgeschalteten Wiegeeinrichtung im Durchsatz auf 5 Tonnen pro Stunde begrenzt gewesen, wie Lechtenberg in seinem Vortrag sagte.

Derzeit befinde sich eine weitere Mühlenanlage in einem weiteren Zementwerk in Deutschland im Aufbau. Die Anlage wird den Angaben zufolge für einen Durchsatz von bis zu 10 Tonnen EBS ausgelegt und soll als Demonstrationsanlage dienen.

Aber auch im Ausland wird bereits am Bau von Anlagen gearbeitet. So soll diese Technologie in einem Zementwerk in Israel und in einem steinkohlebefeuerten Kraftwerk in Tschechien zum Einsatz kommen.

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Energie- und kosteneffizienter geht es derzeit nicht

Wirtschaftlich soll das Ganze zudem auch noch sein. Und das nicht nur wegen der nur sehr geringen Verschleiß- und Wartungskosten von nur 20 Cent pro Tonne EBS. Auch der spezifische Energiebedarf der Mühle sei mit 18 kWh pro Tonne zerkleinertem Material nur sehr gering, das hob Lechtenberg in seinem Vortrag hervor.

Wegen der nötigen Luftzufuhr erhöhe sich zwar der Energiebedarf für die Gesamtverarbeitung auf insgesamt 32 kWh pro Tonne. Dies beinhalte jedoch die integrierte Windsichtung und die Trocknung des Materials. Aber auch mit diesem Wert liegt die Si-Tro-Zer-Technik in Sachen Energiebedarf noch deutlich unter den Werten, die vergleichbare Standardtechnologien erreichen.

Laut Lechtenberg benötigen Standardtechnologien wie Nachzerkleinerer oder Querstromzerspaner rund 40 bis 60 kWh pro Tonne Produkt – ohne Trocknung und Schwerstoffseparierung. „Damit ist die Si-Tro-Zer-Technik derzeit die energie- und kosteneffizienteste Technologie, um EBS fein zu vermahlen, gleichzeitig zu separieren und zu trocknen.“

Mehrbedarf von 300.000 Tonnen EBS

Wie Lechtenberg betonte, könnte die neue Technologie zu einem deutlichen Mehreinsatz von EBS führen. In Deutschland beträgt die der­zeitige Substitutionsquote in der Zementindustrie etwa 64 Prozent, wovon rund 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr aus aufbereiteten Ersatzbrennstoffen (Verpackungsabfälle, aufbereite­te Fraktionen aus dem Hausmüll etc.) bestehen. Wenn der EBS-Einsatz nur um 10 Prozent gesteigert werden könnte, würde es sich schon um eine Mehrmenge von etwa 140.000 Tonnen pro Jahr handeln.

In der Praxis sei aber noch von einer höheren Mengensteigerung auszugehen. „Bei spezifikationsgerechten Ersatz­brennstoffen und optimalen Verbrennungseigenschaften ist eine 80- bis 90-prozentige Sub­stitutionsquote realistisch“, so Lechtenberg. Das würde in Deutschland zu einem Mehrbedarf von rund 300.000 Tonnen EBS pro Jahr führen.

 

© 320° | 25.04.2018

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