Neuer Jahresbericht

Das politische Versprechen, die Bürokratie abzubauen, ist ein Evergreen. Der aktuelle Jahresbericht zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Doch angeblich gibt es Hoffnung.

Belastung durch Bürokratie hoch wie nie


Die Bürokratiebelastung durch neue Gesetze hat im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt der Normenkontrollrat (NKR) in seinem aktuellen Jahresbericht, der am Montag der Bundesregierung übergeben wurde. Das unabhängige Gremium untersucht jedes Jahr den Zeit- und Kostenaufwand, der durch neue Bundesgesetze entsteht.

In dem Bericht, der den Zeitraum von Juli 2022 bis Juni 2023 umfasst, heißt es: „Gegenüber den Vorjahren ist die aus Bundesrecht stammende Belastung von Unternehmen, Behörden und Bevölkerung stark gewachsen – um 9,3 Milliarden Euro pro Jahr und einmalig um 23,7 Milliarden Euro.“ Größter Kostentreiber sei das Gebäudeenergiegesetz gewesen, mit dem aber auch ein großer Nutzen für die Zukunft verbunden sei.

Wenn überkomplexe Gesetze von einer Verwaltung umgesetzt werden müssten, die von Personalmangel und Digitalisierungsrückstand geprägt sei, nehme die Überforderung bedenkliche Ausmaße an, warnt der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel. Er fordert mehr Mut zur Lücke“ in der Gesetzgebung. Die Bundesregierung müsse sich von der Vorstellung verabschieden, mit einem Gesetz jeden Einzelfall berücksichtigen zu können, sonst drohe aufgrund der extremen Komplexität eines Tages nicht nur lähmender Stillstand, sondern Unregierbarkeit.

Buschmann: Trendwende ist eingeleitet

Eigentlich hatte sich die Ampel-Koalition – allen voran Justizminister Marco Buschmann – den Abbau bürokratischer Hemmnisse von Anfang an auf die Fahnen geschrieben. Eine Trendwende sei auch bereits eingeleitet, versicherte Buschmann, der den Bericht in Berlin entgegennahm. Schon in einem Jahr werde man deutlich besser dastehen.

Der Minister räumte ein, dass die Belastung inzwischen ein Ausmaß erreicht habe, „dass man es nicht weiter akzeptieren kann“. Vorschlägen von Verbänden, den Behörden bei Anträgen eine Frist von beispielsweise drei Monaten zu setzen, um Unterlagen und Nachweise nachzufordern, stehe er „grundsätzlich sehr offen gegenüber“, sagte Buschmann.

Als „Ärgernis“ bezeichnete der FDP-Politiker, dass bei einigen der in den Jahren 2022 und 2023 beschlossenen Gesetze die Frist zur Prüfung der Entwürfe vor der Verabschiedung im Kabinett zu kurz gewesen sei. Schließlich sei eine solche Prüfung durch sein Ministerium auch ein Beitrag zur „Qualitätssicherung“.

„Tendenz zu Mikromanagement“

Immerhin habe das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen erkannt, dass vereinfachte Verfahren notwendig seien, um die von der Regierung angestrebte „grüne Transformation“ in die Tat umzusetzen, sagte der NKR-Vorsitzende Goebel. Auch das Bürokratieentlastungsgesetz, zu dem Buschmann Anfang Dezember einen Entwurf vorlegen will, dürfte nach seiner Einschätzung eine positive Wirkung entfalten, ebenso das Wachstumschancengesetz. Gut sei auch die Idee, gemeinsam mit Frankreich die Entlastung auf EU-Ebene voranzubringen.

Auch der Deutsche Richterbund (DRB) sieht die ausufernde Bürokratie mit Sorge. Insgesamt sei derzeit eher „eine Tendenz zu Mikromanagement und kleinteiligen, immer detaillierteren Gesetzen zu beobachten, die am Ende auch die Gerichte beschäftigen und zusätzlich belasten“, kritisierte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn.

320°/dpa

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