Ausnahme für E-Fuels

Eigentlich waren sich alle über strengere CO2-Vorgaben für schwere Nutzfahrzeuge einig: EU-Parlament, EU-Rat und auch die deutschen und europäischen Lkw-Hersteller. Jetzt grätscht die FDP in letzter Minute dazwischen.

FDP blockiert EU-Klimaziele für Lkw


Wenn es um das Thema E-Fuels geht, scheut die FDP keinen Koalitionsstreit. Schon im vergangenen Jahr stellte sich der kleinste Partner in der Ampelkoalition quer.

Damals hatten sich die EU-Staaten und damit auch Deutschland darauf geeinigt, nach 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. In letzter Minute verweigerte die FDP ihre Zustimmung und setzte erfolgreich eine Sonderregelung für E-Fuels durch. Damit können auch nach 2035 noch Pkw und Transporter mit Verbrennungsmotor zugelassen werden – vorausgesetzt, sie werden mit E-Fuels betrieben.

Das Gleiche wiederholt sich nun bei dem Vorhaben der EU, strengere CO2-Vorgaben für schwere Nutzfahrzeuge einzuführen. Damit würden ab 2040 faktisch keine Diesel-Lkw mehr zugelassen. Auf diesen Kompromiss hatten sich die Unterhändler von EU-Parlament und EU-Rat Mitte Januar geeinigt.

Lkw-Hersteller wollen keine E-Fuels

Die FDP versucht nun, auch diese Einigung nachträglich zu korrigieren. Die Liberalen wollen erreichen, dass es eine Ausnahmeregelung für Lkw gibt, die mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betankt werden. „Damit stellt die FDP sich gegen die Interessen der deutschen Wirtschaft – und ihre eigene Position“, schimpft der europäische Transportverband T&E. Denn das Verkehrsministerium hatte im Oktober der EU-Ratsposition zugestimmt, wonach die Lkw-Kraftstoffe im Jahr 2027 überprüft werden sollen.

Wie T&E betont, hätten die deutschen und europäischen Lkw-Hersteller immer wieder erklärt, dass sie kein Schlupfloch für E-Fuels und Biokraftstoffe in der CO2-Verordnung für Lkw wollen. In einem Brief an die deutsche Regierung im Oktober erklärten die Vorstandsvorsitzenden von Daimler Truck, MAN, Volvo Group und Scania/Traton, dass ein sogenannter Carbon Correction Factor „das Ziel der Verordnung untergraben und ein unsicheres regulatorisches Umfeld“ für die Branche schaffen könnte.

Ein solcher Carbon Correction Factor würde es erlauben, Lkws mit den „klimaschädlichsten Biokraftstoffen, wie Palmöl und Soja, zu betreiben und diese als klimaneutral anrechnen zu lassen“, erklärt Kim Kohlmeyer, Bereichsleiterin für Nutzfahrzeuge bei T&E Deutschland. Diese Kraftstoffe emittierten zwei- bis dreimal so viel CO2 wie fossiler Diesel.

„FDP droht Deutschland zu blamieren“

„Mit ihrer 180-Grad-Drehung gefährdet die FDP ein weiteres Mal tausende Arbeitsplätze und die Zukunft des Automobilstandortes Deutschland“, so Kohlmeyer. „Wer bereits Vereinbartes immer wieder kippt, ruiniert das Vertrauen der Bevölkerung, gerade in Krisenzeiten, und schafft so Politikverdrossenheit.”

Die Blockadepraxis der FDP drohe, Deutschland als unzuverlässigen Partner in der EU zu blamieren, warnt Kohlmeyer. Kanzler Scholz Gefahr laufe Gefahr, erneut von der FDP vorgeführt zu werden.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte am Mittwoch in Berlin, dass über die deutsche Position zu den Plänen noch verhandelt werde. Am Donnerstag fand auf Initiative des Kanzleramtes ein digitales Gespräch zwischen Vertretern mehrerer Ministerien und Unternehmensvertretern statt. Aus Teilnehmerkreisen hieß es anschließend, die Mehrheit der anwesenden Vertreter von Herstellern und Zulieferern habe die Bundesregierung aufgefordert, den vereinbarten CO2-Grenzwerten zuzustimmen. Die Lkw-Käufer bräuchten Planungssicherheit, sonst würden sie beim Kauf von E-Lkw zögern.

Angeblich pocht die FDP auf „Technologieoffenheit“. In anderen Ministerien rätselt man allerdings über die wahren Motive. Die geplante Verordnung sei bereits technologieoffen. Es wird vermutet, dass sich die FDP als Verbrennerpartei positionieren und angesichts schlechter Umfragewerte ihr Profil schärfen will.

Abstimmung am Freitag

Statt wie ursprünglich geplant am Mittwoch steht das Thema nun am Freitag auf der Tagesordnung des zuständigen EU-Gremiums. Ob die notwendigen Stimmen für das Projekt ohne Deutschland zustande kommen, gilt als ungewiss. Wie im Bundesrat gelten Enthaltungen bei Abstimmungen unter den EU-Staaten als Nein-Stimmen.

Bereits klar scheint, dass sich Deutschland bei der Abstimmung über ein geplantes EU-Lieferkettengesetz enthält – auf Druck der FDP, die Nachteile für die deutsche Wirtschaft befürchtet. Auch hier könnte eine deutsche Enthaltung das gesamte Regelwerk scheitern lassen.

Am Mittwoch platzte deswegen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) der Kragen. Deutschlands Verlässlichkeit in der EU stehe auf auf dem Spiel, sagte sie. „Wenn wir unser einmal in Brüssel gegebenes Wort brechen, verspielen wir Vertrauen.“

Die Chefverhandlerin des Europaparlaments für das EU-Lieferkettengesetz, die niederländische Abgeordnete Lara Wolters, sagte, man werde in der EU versuchen, um Deutschland herum Mehrheiten zu bilden und Deutschland wegen des Verhaltens der FDP nicht mehr beim Wort nehmen.

320°/dpa/re

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