Erfolgreiche Klimaklage

Schweizer Klimaschützerinnen haben einen Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte errungen. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen werden.

Klimaschutz der Schweiz verletzt Menschenrechte


Klimaschützer haben mit einer ersten Klage für schärfere Maßnahmen gegen den Klimawandel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Erfolg gehabt. Der mangelnde Klimaschutz der Schweiz habe die klagenden Seniorinnen in ihren Menschenrechten verletzt, entschieden die Richter am Dienstag. Die Frauen seien in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben sowie in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.

Der Fall der Klimaseniorinnen war die erste Klimaklage überhaupt, die vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhandelt wurde. Der Zusammenschluss der Schweizer Seniorinnen wurde von Greenpeace initiiert und unterstützt. Die Seniorinnen argumentierten, dass sie aufgrund ihres Alters durch den Klimawandel besonders gefährdet seien, zum Beispiel durch extreme Hitzewellen. Nach Angaben von Greenpeace hat der Verein Klimaseniorinnen schweizweit über 2.500 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren. 

Das Urteil bindet vorerst nur die Schweiz, hat aber große Signalwirkung. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat gehören die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Das Urteil könnte nun zum Präzedenzfall für weitere Klimaklagen nicht nur vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sondern auch vor unzähligen nationalen Gerichten werden.

Zwei weitere Klimaklagen blieben erfolglos

Das Urteil war mit Spannung erwartet worden. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich zwar schon mit Umweltemissionen wie Lärm oder Luftverschmutzung befasst, aber noch nie mit dem CO2-Ausstoß eines Landes. Mehrere hundert Menschen waren zur Urteilsverkündung angereist, darunter auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Am selben Tag fielen zwei weitere Urteile zum Klimaschutz: über die Klagen eines französischen Bürgermeisters gegen sein Heimatland und von portugiesischen Jugendlichen gegen 32 europäische Staaten. Beide Klagen wurden abgewiesen.

Dem französischen Politiker fehle die sogenannte Opfereigenschaft, also die besondere Betroffenheit, urteilten die Richter. Die portugiesischen Jugendlichen hätten zunächst in Portugal klagen müssen, bevor sie den Straßburger Gerichtshof anrufen konnten.

Klage gegen Bundesregierung

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnete das Urteil als „wegweisend“. Der Umweltverband unterstützt derzeit neun Jugendliche und junge Erwachsene, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf ähnliche Weise gegen die Bundesregierung und für einen ambitionierteren Klimaschutz klagen. Der Gerichtshof hatte die Entscheidung in diesem Verfahren so lange ruhend gestellt, bis über das Verfahren der Schweizer Klimaseniorinnen entschieden ist.

„Der Erfolg der Schweizer Klimaseniorinnen ist ein wegweisender Durchbruch für den Klimaschutz und zeigt, dass auch unsere im Oktober 2022 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereichte Klage gegen die Bundesregierung Aussicht auf Erfolg hat“, erklärte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Denn nach wie vor gefährde das ungenügende Klimaschutzgesetz die Freiheit und Lebensgrundlagen der Jugendlichen und zukünftiger Generationen.

„Zwar beteuert die Bundesregierung, Deutschland auf einen 1,5-Grad-Pfad bringen zu wollen, neueste Untersuchungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen belegen allerdings, dass das 1,5-Grad-Budget für Deutschland bereits aufgebraucht ist“, sagte Resch. „Das ist nicht akzeptabel und widerspricht den Menschenrechten.“

320°/dpa

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