Nachhaltiger Konsum

Die Teilerei ist der erste Umsonstladen in Frankfurt. Besucher können hier kostenlos Dinge mitnehmen oder abgeben. Der Andrang zeigt: Das Konzept scheint aufzugehen.

Alles gratis in Frankfurts Teilerei


Schon vor Ladenöffnung bildet sich eine Schlange auf dem Bürgersteig. Nur an drei Tagen in der Woche hat der Umsonstladen „Teilerei“ in Frankfurt am Main für jeweils vier Stunden geöffnet. In dieser Zeit wird der Laden fast überrannt: Die einen schleppen Tüten und Kartons hinein, die anderen Dinge heraus. „Ich darf wirklich etwas mitnehmen, auch wenn ich nichts gebracht habe?“, fragt eine Frau. Ja, das darf sie, erklärt Finn Volpert, einer der Initiatoren des Umsonstladens in Frankfurt-Niederrad.

Verschenken statt wegwerfen, reparieren statt neu kaufen – ob zur Müllvermeidung oder aus wirtschaftlicher Notwendigkeit: Solche Angebote werden zunehmend nachgefragt. Rund 300 Menschen kämen in vier Stunden Öffnungszeit in die „Teilerei“, sagt Volpert. Das kostenlose Angebot und die Nachfrage halten sich bisher die Waage. „Hier liegt nichts lange“, sagt Volpert.

Experimentierraum für Wiederverwertung

Die „Teilerei“ ist die erste Idee, die die Denkfabrik „Zero Waste Lab“ in die Tat umgesetzt hat. In diesem „Labor“ suchen Vertreter der Stadt Frankfurt, der Wirtschaft und der Wissenschaft nach neuen Wegen zur Abfallvermeidung. Das Ende 2022 gegründete Lab versteht sich als „Experimentierraum für Nachhaltigkeit und Wiederverwertung“. Jede Frankfurterin und jeder Frankfurter kann Vorschläge einreichen.

Bislang sind 36 Ideen eingegangen, berichtet Projektmitarbeiterin Flora Matani vom Frankfurter Entsorgungsunternehmen FES. Ein Expertengremium prüft die Vorschläge und stößt die Umsetzung an. Nach der „Teilerei“ folgt Ende April das zweite Projekt: die App „Abfalljagd“. Wer Müll sammelt und die Entsorgung per Foto dokumentiert, kann etwas gewinnen – vom Kuscheltier bis zu Einkaufsgutscheinen im dreistelligen Bereich.

In der Frankfurter „Teilerei“ können verschiedene Gegenstände abgegeben und mitgenommen werden. Das Angebot umfasst unter anderem Bücher, Haushaltsgegenstände, Kleidung, Spielzeug und Haushaltsgeräte. Die Gegenstände müssen sauber und haltbar sein und in die Regale des Ladens passen.

Die Nachfrage steigt

Auch in anderen hessischen Städten gibt es Initiativen wie die „Teilerei“, Secondhand-Kaufhäuser oder Repaircafés für Elektrogeräte, Textilien, Fahrräder oder Handys. Walter Jahn koordiniert drei Repaircafés in Frankfurt und arbeitet selbst als ehrenamtlicher Reparateur. Die Nachfrage steigt, sagt der pensionierte Elektroingenieur. Wegen der hohen Inflation kämen mehr Menschen, um etwas zu reparieren, was sie vielleicht neu gekauft hätten. „Mein Eindruck ist: Der Andrang wird größer“, sagt der 67-Jährige.

An einem durchschnittlichen Nachmittag reparieren fünf bis acht Ehrenamtliche gut 20 Kleingeräte wie Mixer, Kaffeemaschinen oder Staubsauger, schätzt Jahn. Etwa ein Drittel der Dinge könne sofort repariert werden, ein Drittel müsse eingeschickt werden, ein Drittel sei irreparabel – und damit am Ende trotzdem Müll. Wer will, kann anschließend etwas spenden – davon kaufen die Mitarbeiter Ersatzteile oder Werkzeug. Neue Mitarbeiter zu finden, sei nicht schwer, sagt Jan, „aber es ist immer ein Glücksfall, wenn sie auch dauerhaft dabeibleiben“.

Motivation allein reicht nicht aus

Lukas Sattlegger vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) gehört dem Expertenbeirat des „Zero Waste Lab“ an. Der Soziologe forscht zu Schwierigkeiten und Potenzialen der Abfallvermeidung. Er sagt: „Nur die Motivation zu haben, reicht nicht aus. Es muss auch ein attraktives Angebot geben.“ Wenn man wolle, dass Menschen Dinge reparieren oder verschenken, statt sie wegzuwerfen, müsse diese Alternative „möglich, günstig und einfach sein, nicht teuer und zeitaufwendig – sonst bleibt das immer eine kleine Nische“.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist laut Sattlegger die soziale Komponente. „Viele dieser Ideen schließen an das soziale Bedürfnis der Menschen nach Nachbarschaft an – und können dieses nutzen, um erfolgreich zu sein.“ Das gilt für den Unverpacktladen oder den Hofflohmarkt genauso wie für das Internet: Auch wer auf Online-Plattformen Dinge kauft, verkauft oder verschenkt, kommt mit Menschen in Kontakt. „Der soziale Austausch ist manchmal mehr wert als der funktionale Vorteil.“

Woran es oft scheitert

Angebote wie Umsonstläden und Repaircafés müssen nicht nur attraktiv sein, sie müssen auch „kompatibel sein mit einem stressigen Alltag“, sagt Sattlegger. In der Praxis heißt das vor allem: Sie müssen verlässlich sein. Wenn das Repaircafé nur einmal im Monat für zwei Stunden geöffnet ist und beim zweiten Besuch nicht mehr existiert, kommt auch der motivierteste Kunde nicht wieder. Das Gleiche gilt, wenn das, was die einen im Umsonstladen abgeben, nicht das ist, was die anderen dort abholen wollen. „Dann ist es eben doch einfacher, etwas neu zu kaufen.

320°/dpa/re

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