Expertenprognose

Die thermische Behandlung wird eine wichtige Säule zwischen Energiewende und Rohstoffwende sein, sagt Abfallwirtschaftsprofessor Martin Faulstich. Er prognostiziert für die lange Sicht knappe und teure Verbrennungskapazitäten. Gleichwohl wird die MVA der Zukunft weniger Strom produzieren.

„Thermische Behandlung wird teuer bleiben“


Der Stellenwert der Abfallverbrennung wird in Zukunft hoch bleiben. Daran hat Martin Faulstich, Abfallwirtschaftsprofessor an der TU Clausthal, keinen Zweifel. Die thermische Abfallbehandlung werde eine wichtige Säule zwischen Energiewende und Rohstoffwende sein, sagte er am vergangenen Freitag bei der bvse-Jahrestagung in Bremen.

„Wenn wir 98 Prozent der Kohlenstoffträger im Boden lassen wollen und wir das Zwei-Grad-Ziel beim Klimaschutz bis 2050 erreichen wollen, dann heißt das, dass wir bis 2050 alle energetisch genutzten Felder weitestgehend, das heißt zu 95 Prozent, auf erneuerbare Energien umstellen müssen“, sagte Faulstich. Die Abfallverbrennungsanlagen würden vor diesem Hintergrund mittelfristig Systemdienstleistungen wie Grundlast, Frequenzhaltung und Versorgungswiederaufbau erbringen. Neu gebaute Abfallverbrennungsanlagen würden dabei vorzugsweise Wärme erzeugen.

Die Verstromung und Kraft-Wärme-Kopplung von Müllverbrennungsanlagen würden dagegen zurückgehen, erklärte der frühere Vorsitzende der Umwelt-Sachverständigenrates. Denn Strom werde in Zukunft kostengünstig über Windkraft und Solarenergie erzeugt, so dass es keinen Sinn mehr mache, Strom über Müllverbrennungsanlagen zu produzieren. Daher werde die Müllverbrennungsanlage im Jahr 2040 auch anders konzipiert sein. „Es werden andere Kessel sein“, glaubt Faulstich, „und die Anlagen werden kostengünstiger werden“.

„Dann haben Sie die Preise in der Hand“

Nach Faulstichs Einschätzung werden thermische Behandlungskapazitäten auf lange Sicht knapp und teuer bleiben. „Und selbst wenn wir die Wertstofferfassung überall erweitern, werden die Stoffströme für die MVA eher steigen als sinken“, erklärte er in Bremen. Deshalb würden auch die bestehenden Anlagenstandorte erhalten bleiben.

Weil die Verbrennungspreise in Zukunft eher weiter steigen werden, empfiehlt Faulstich der Recyclingwirtschaft, selbst für Entsorgungssicherheit zu sorgen. Das ließe sich zum einen durch den Abschluss von Entsorgungsverträgen erreichen, vielsprechender sei aber ein ganz anderes Handeln. „Die beste Form der Entsorgungsicherheit wäre es, wenn sich mittelständische Recyclingunternehmen zusammenschließen und eigene Verbrennungskapazitäten aufbauen würden“, sagte der Abfallwirtschaftsexperte. „Dann haben Sie die Kapazitäten in der Hand, Sie haben die Kosten in der Hand und Sie haben die Preise in der Hand.“

Faulstich erklärte, ihm sei bewusst, dass es nicht einfach sei, Mittelständler unter einen Hut zu bekommen. Dennoch sollte die Recyclingwirtschaft über einen solchen Zusammenschluss nachdenken. „Das ist ein Thema, das Sie in ihren Fachausschüssen ernsthaft diskutieren sollten“, empfahl er den bvse-Mitgliedern.

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