Ifo-Geschäftsklima

Die Eintrübung der Konjunktur vollzieht sich stärker als erwartet: Der Ifo-Geschäftsklima-Index hat sich im Juli deutlich verschlechtert. Steht Deutschland kurz vor der Rezession?

„Rezession lässt sich kaum noch vermeiden“


Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli deutlich verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel im Monatsvergleich um 3,6 Punkte auf 88,6 Zähler, wie das Institut am Montag mitteilte. Das ist der niedrigste Stand seit Juni 2020. Experten hatten zwar mit einer Eintrübung gerechnet, im Schnitt allerdings nur einen Rückgang auf 90,1 Punkte erwartet.

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„Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit belasten die Konjunktur.“

Im Detail verschlechterte sich das Geschäftsklima in allen betrachteten Wirtschaftsbereichen deutlich. Das Ifo-Geschäftsklima gilt als Deutschlands wichtigster konjunktureller Frühindikator.

„Deutsche Wirtschaft befindet sich bereits im Abschwung“

Auf der deutschen Wirtschaft lasten gegenwärtig mehrere Entwicklungen. Am schwersten dürften die Gefahr einer Erdgaskrise, anhaltende Lieferprobleme im Außenhandel und die hohe Inflation wiegen. Hinzu kommen steigende Kapitalmarktzinsen, die die Kreditkosten der Unternehmen und Verbraucher erhöhen und damit die Investitions- und Konsumfreude dämpfen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vergangene Woche erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen angehoben. Viele andere Zentralbanken befinden sich schon deutlich länger auf Zinserhöhungskurs.

Bankvolkswirte kommentierten die Ifo-Umfrage wenig hoffnungsvoll. „Eine Rezession lässt sich kaum vermeiden“, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Die Belastungen aus hoher Inflation, drohender Energiekrise und Lieferkettenschwierigkeiten seien zu viel.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte: „Alles in allem dürfte sich die deutsche Wirtschaft bereits in einem Abschwung befinden.“ Wie schlimm es am Ende komme, liege vor allem in den Händen von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Käme es zu einem kompletten Stopp der Gaslieferungen, wäre eine tiefe Rezession unvermeidlich.“

Rückläufige Auftragslage am Bau

Verschlechtert haben sich auch die Aussichten für das Baugewerbe in Deutschland. „Die Inflation schlägt hierzulande mehr und mehr durch und treibt die Preise für Energie und Baumaterial“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. „Gleichzeitig klettern die Bauzinsen. Es ist keine Überraschung, dass im Mai dieses Jahres die Bauaufträge im Vorjahresvergleich nun deutlich um 7,5 Prozent gesunken sind.“

Von Januar bis Mai gab es bei den Auftragseingängen gegenüber 2021 real ein Minus von 1,7 Prozent. „Das sind düstere Aussichten“, sagt Pakleppa. Aktuell hätten die Unternehmen noch viel zu tun. „Wie lange dieser Trend anhält, kann aber keiner sagen. Eine zunehmende Verunsicherung ist bei vielen Bauherren und Investoren angesichts der Preisentwicklungen zu spüren, hören wir“, so der Verbandschef. Auch die Baugenehmigungen seien zuletzt zurückgegangen.

320°/dpa/re

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