Konjunktur

Die deutsche Wirtschaft kommt nicht in Schwung. Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Konjunkturprognosen erneut nach unten korrigiert. Sie fordern die Bundesregierung zum Handeln auf.

„Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt“


Die Erholung der deutschen Wirtschaft dauert länger als erhofft. Das Münchner Ifo-Institut und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sehen die Wirtschaft weiter in der Rezession und senkten am Mittwoch ihre Wachstumsprognosen deutlich: Für das Gesamtjahr erwartet das Ifo-Institut jetzt nur noch 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum, das IfW rechnet mit 0,1 Prozent statt bisher 0,9 Prozent.

Gründe für das schwache Wirtschaftswachstum sehen die Wirtschaftsforscher in der mauen Weltkonjunktur und den gestiegenen Zinsen, aber auch in vielen hausgemachten Problemen. Die Unsicherheit über wirtschaftspolitische Weichenstellungen bremse Investitionen und Konsum, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Der Blick auf das Rekordhoch der global tätigen deutschen Dax-Konzerne täusche, sagte Fuest. Die Geschäfte der im MDax notierten Unternehmen, die stärker in Deutschland aktiv seien, liefen schlechter, „weil die heimischen Aussichten nicht so toll sind.“ Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser sagte, die Auftragslage habe sich verschlechtert, der Auftragsbestand sei zu niedrig, die Unsicherheit sei groß: „Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt.“

„Ein weiteres Negativbeispiel“

Auch die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr nur noch mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Lage der Wirtschaft als „dramatisch schlecht“ bezeichnet und mehr Investitionen gefordert.

IfW-Präsident Moritz Schularick erklärte, die Sparanstrengungen der Bundesregierung „versprühen zusätzlichen Pessimismus“. Fuest hingegen bezeichnete die Schuldenbremse als „kein Wachstumshindernis“. Der Staat müsse aber mehr Geld in die Infrastruktur, die Digitalisierung des Gesundheitswesens oder die klimafreundliche Transformation investieren, statt es für mehr Konsum auszugeben. Das jüngst vorgestellte Rentenkonzept sei ein weiteres Negativbeispiel. Die Finanzierung sei fraglich und bremse Investitionen.

Die Ampelkoalition sollte sich auf ein tragfähiges wirtschaftspolitisches Konzept einigen und dieses umsetzen, um die Unsicherheit zu beenden, rät Fuest. Die Bedingungen für private Investitionen könnte sie auch über Steuern und Abgaben, mehr Leistungsanreize und den Abbau überkomplexer Regulierungen verbessern.

Grafik: picture alliance/dpa-Infografik

Die Wirtschaftsinstitute erwarten, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte besser in Schwung kommt und im kommenden Jahr um 1,2 bis 1,5 Prozent wächst. Sollten sich die Unsicherheiten aber „nicht auflösen, dürfte die erwartete Erholung weiter in die Ferne rücken“, warnen die Ifo-Forscher. Das Staatsdefizit wird nach ihrer Prognose von 87,4 auf 76 Milliarden Euro in diesem und 44,6 Milliarden Euro im nächsten Jahr sinken.

Positive Entwicklungen erwarten die Forschungsinstitute bei der Inflation und auf dem Arbeitsmarkt. Die Preise dürften in diesem Jahr nur noch um 2,3 Prozent zulegen. Steigende Löhne dürften den privaten Konsum ankurbeln.

Die meisten Unternehmen suchten weiterhin Fachkräfte, die Zahl der Erwerbstätigen werde in diesem Jahr von 45,9 auf 46,1 Millionen steigen und im kommenden Jahr den Rekordwert von 46,2 Millionen erreichen. Zwar werde die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr von 2,6 auf 2,7 Millionen steigen. Das liege aber vor allem an den ukrainischen Kriegsflüchtlingen, sagte Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser.

Chemieproduktion kommt nicht zurück

Ein Lichtblick kam am Mittwoch auch vom Außenhandel: Die deutschen Exporte stiegen im Januar im Vergleich zum Vormonat Dezember um 6,3 Prozent auf 136 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Vor allem die Ausfuhren nach Europa, aber auch das zuletzt schwache Chinageschäft legten zu. Die lahmende Konjunktur in der Volksrepublik war zuletzt ein Belastungsfaktor für die deutsche Wirtschaft, die 2023 leicht schrumpfte.

Der deutsche Export zeige sich zwar robust, trotz geopolitischer Krisen und konjunktureller Abkühlung in wichtigen Absatzmärkten, sagte Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbands BGA. „Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer.“ Die Weltwirtschaft sei zunehmend von Protektionismus geprägt.

Die deutsche Chemieindustrie produziere immer noch 20 Prozent weniger als vor dem Ukraine-Krieg, sagte Wollmershäuser. Die Erwartung, dass die Produktion mit den sinkenden Energiepreisen zurückkommt, habe sich nicht erfüllt. „Jetzt haben wir sie abgeschrieben.“ Auch das werde dem deutschen Export fehlen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist dennoch zuversichtlich, dass das Exportgeschäft im laufenden Jahr preisbereinigt um 0,5 Prozent zulegen wird. Damit ist der Verband deutlich optimistischer als die Forschungsinstitute, die ein Minus von 1,4 bis 1,5 Prozent erwarten.

320°/dpa

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