Erstes Halbjahr 2023

Im ersten Halbjahr sind in Deutschland mehr Windräder aufgestellt worden als im Vorjahreszeitraum. Doch nach wie vor ist das Tempo nicht hoch genug. Zuletzt hat sich die Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren sogar erhöht.

Ausbau von Windrädern: „Das ist natürlich viel zu wenig“


Der Ausbau von Windrädern in Deutschland kommt voran – doch die Messlatte wird bei Weitem noch nicht erreicht. Vier bis fünf neue Windräder sollten durchschnittlich pro Tag bis 2030 aufgestellt werden, gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Ziel vor. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es noch nicht einmal zwei. Die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Zubau und dem politisch gewollten Zielpfad sei weiterhin groß, sagte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Verbands VDMA Power Systems, bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen am Dienstag.

Im ersten Halbjahr 2023 wurden nach Angaben von Branchenverbänden 331 Windräder mit einer Gesamtleistung von rund 1,56 Gigawatt errichtet. Weil auch alte Anlagen stillgelegt wurden, ergab sich ein Netto-Zubau von rund 1,32 Gigawatt – 50 Prozent mehr als im Vorjahreshalbjahr. Im ersten Halbjahr wurden außerdem Genehmigungen für 585 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von zusammen rund 3,2 Gigawatt erteilt.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr umfangreiche Maßnahmen beschlossen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne zu beschleunigen. Erklärtes Ziel ist, dass bis 2030 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen – derzeit ist es etwas mehr als die Hälfte. Die Branche sieht Windräder an Land als das „Zugpferd“ der Energiewende, also dem Ersatz fossiler Energien aus Kohle, Gas und Öl.

Starkes Gefälle unter Ländern

Aktuell sind nach Branchenangaben rund 28.500 Windräder mit zusammen rund 59 Gigawatt Leistung in Betrieb. Von 2025 an sollen pro Jahr 10 Gigawatt ans Netz gehen. Das Ziel der Bundesregierung bis 2030 ist eine installierte Kapazität von rund 115 Gigawatt bei Windrädern an Land in Deutschland.

Die meisten Windräder sind im ersten Halbjahr in Schleswig-Holstein in Betrieb gegangen. Auf das Bundesland entfallen 38 Prozent des bundesweiten Zubaus. Es folgen mit deutlichem Abstand Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Insbesondere in Süddeutschland stockt der Ausbau weiterhin.

Im flächenmäßig größten Bundesland Bayern gibt es laut Branchenangaben umgerechnet auf die Landesfläche eine Leistung von 37 Kilowatt pro Quadratkilometer – Schleswig-Holstein liegt bei einem Wert von 505 Kilowatt pro Quadratkilometer.

Grafik: picture alliance/dpa-Infografik

Das Ziel ist, dass zwei Prozent der gesamten Bundesfläche an Land für Windräder ausgewiesen werden. Dazu wurden die Länder gesetzlich verpflichtet, mehr Flächen bereitzustellen. Für die einzelnen Länder gelten bis Ende 2032 unterschiedliche Ziele, weil es unterschiedliche Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergie gibt. Aktuell würden aber nur etwa 0,7 Prozent der Flächen ausgewiesen, erklärt die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie, Bärbel Heidebroek. „Das ist natürlich viel zu wenig.“ Außerdem sei das Jahr 2032 zu weit weg, das Flächenziel müsse zeitlich vorgezogen werden.

Die Bundesregierung habe zwar vieles auf den Weg gebracht – das sei aber an der „Basis“ oft noch nicht angekommen, sagte Heidebroek – also in den Behörden vor Ort in den Kommunen und Landkreisen. Jahrelang habe es eher die Tendenz gegeben, zu schauen, was gegen ein Projekt sprechen könnte. Nun sei ein Umdenken in den Behörden nötig.

Zudem brauche es mehr Digitalisierung und mehr Personal. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren dauerten immer noch viel zu lange. Nach Angaben der Verbände hat sich die Dauer zuletzt sogar noch erhöht, auf im Durchschnitt 24,5 Monate.

Ein großes Problem sieht die Branche auch beim Transport – Windräder gelangen meist auf der Straße zum Zielort. In Deutschland brauche man durchschnittlich zwölf Wochen für die Genehmigung eines großen Schwertransports, sagte VDMA-Vertreter Rendschmidt. „In Holland sind das vier bis fünf Tage.“ Bei einem geplanten Zubau von 10 Gigawatt Windkraft pro Jahr seien ungefähr 120.000 Genehmigungen für Schwertransporte in Deutschland nötig. Drei Viertel davon könnten wegfallen, indem Standards vereinheitlicht würden.

320°/dpa

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