Klimaschutz

Die Analyse der Vereinten Nationen ist niederschmetternd. Noch immer reichen die Klimaschutzpläne nicht aus, um die Klimakrise abzuwenden. Die internationale Staatengemeinschaft sei vom Kurs abgekommen.

UN-Analyse: Staaten weit vom 1,5-Grad-Pfad entfernt


Mit den aktuellen Klimaschutzplänen der Staaten ist die Welt nach einer Analyse der Vereinten Nationen weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. „Der Bericht zeigt, dass die Regierungen gemeinsam Babyschritte machen, um die Klimakrise abzuwenden“, sagte UN-Klimachef Simon Stiell am Dienstag. Die Weltklimakonferenz im Dezember in Dubai müsse ein „Wendepunkt“ werden. „Die Regierungen müssen sich nicht nur auf stärkere Klimaschutzmaßnahmen einigen, sondern auch genau aufzeigen, wie sie diese umsetzen wollen“.

Die internationale Staatengemeinschaft hat das Ziel vereinbart, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu stoppen, um die katastrophalsten Folgen wie mehr Dürren, Stürme, Überschwemmungen und Hitzewellen zu verhindern.

Meilenweit vom Ziel entfernt

Um aufzuzeigen, wie weit die Welt von diesem Ziel entfernt ist, hat das Klimasekretariat der Vereinten Nationen alle bis zum 25. September von den Staaten eingereichten Klimaschutzpläne ausgewertet – und kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Selbst wenn alle ihre Pläne umsetzen, läge der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen im Jahr 2030 nur um zwei Prozent unter dem Niveau von 2019. Das bedeutet zwar, dass der Höhepunkt der Emissionen noch in diesem Jahrzehnt gemessen würde – aber viel zu spät, um die in Paris beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Um die Erderwärmung wie angestrebt bei 1,5 Grad zu stoppen, müssten die Emissionen laut IPCC im Jahr 2030 bereits um 43 Prozent niedriger sein als 2019.
  • Im Vergleich zu 2010 lägen die klimaschädlichen Emissionen 2030 sogar noch um 8,8 Prozent höher, so die Berechnung. Diese Prognose hat sich im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig verbessert.

Die Ergebnisse würden noch schlechter ausfallen, wenn berücksichtigt würde, dass die Staaten ihre eigenen Klimaschutzpläne oft nicht oder nur schleppend umsetzen.

Deutschland: „Gebäude- und Verkehrswende stagnieren“

„Jedes Zehntelgrad zählt, aber wir sind ernsthaft vom Kurs abgekommen. Die COP28 ist die Chance, das zu ändern“, so Stiell. Der UN-Klimagipfel COP28 mit Vertretern aus rund 200 Staaten findet ab dem 30. November in Dubai statt. „Es ist an der Zeit, die enormen Vorteile eines entschlosseneren Vorgehens gegen den Klimawandel aufzuzeigen: mehr Arbeitsplätze, höhere Löhne, Wirtschaftswachstum, Chancen und Stabilität, weniger Umweltverschmutzung und eine bessere Gesundheit.“

WWF-Klimachefin Vivane Raddatz fordert von der EU einen ehrgeizigeren Beitrag. Der deutschen Klimapolitik stellt sie ein schlechtes Zeugnis aus. Deutschland nehme die „Beine nicht in die Hand“. „Statt das Klimaschutzgesetz zu stärken, will die Regierung es verwässern. Gebäude- und Verkehrswende stagnieren“, sagte Raddatz.

Woran es hapert

Woran es bisher konkret hapert, zeigt der ebenfalls am Dienstag veröffentlichte Bericht „State of Climate Action“ des World Resources Institute (WRI), des NewClimate Institute sowie von Climate Analytics und dem Bezos Earth Fund. So fehle es an Tempo in den Sektoren Energie, Industrie, Transport sowie beim Umbau der Land- und Forstwirtschaft. Von 42 untersuchten Indikatoren sei nur der Verkauf von Elektroautos auf Kurs, um die für 2030 berechneten Etappenziele zu erreichen.

  • Der Anteil von Solar- und Windenergie ist in den vergangenen Jahren um durchschnittlich 14 Prozent pro Jahr gestiegen. Nötig wären aber 24 Prozent, um bis 2030 auf dem 1,5-Grad-Kurs zu bleiben.
  • Beim Kohleausstieg müsste das Tempo versiebenfacht werden, so die Studie. Umgerechnet bedeutet das, dass bis 2030 jährlich rund 240 Kohlekraftwerke vom Netz gehen müssten.
  • Waldzerstörung: Von 2021 bis 2022 wird die entwaldete Fläche von 5,4 auf 5,8 Millionen Hektar ansteigen, was in etwa der Fläche Kroatiens entspricht.
  • Klimaschädliche Subventionen: Trotz gegenteiliger Versprechen haben sich die staatlichen Subventionen für Öl, Gas und Kohle zwischen 2020 und 2021 fast verdoppelt – auch wegen der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

Claire Fyson von Climate Analytics sagte, es sei absurd, angesichts der eskalierenden Klimakrise weiter massiv in Gas- und Kohlekraft zu investieren. Bei der UN-Klimakonferenz im Dezember in Dubai müssten sich alle Regierungen der Welt auf einen fairen und schnellen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle einigen.

320°/dpa

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