Konjunktur

Gute Nachrichten von der Konjunkturfront sind selten geworden. Jetzt meldet das Statistische Bundesamt ein Plus bei den Auftragseingängen. Doch Konjunkturexperten dämpfen die Erwartungen.

Auftragseingang der deutschen Industrie überraschend gestiegen


Die deutsche Industrie hat zum Jahresende überraschend mehr Aufträge erhalten. Die Bestellungen im verarbeitenden Gewerbe legten im Dezember im Monatsvergleich um 8,9 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.

Experten wurden von der Entwicklung überrascht: Sie hatten im Schnitt einen Rückgang um 0,2 Prozent erwartet. Der starke Auftragseingang folgte auf eine Stagnation im Vormonat November.

Auch im Jahresvergleich fiel der Ordereingang deutlich stärker aus als erwartet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die Auftragseingänge um 2,7 Prozent.

Grafik: Destatis

Ausschlaggebend für den starken Auftragseingang waren Großaufträge. „Trotz des deutlichen Zuwachses bei den Auftragseingängen zum Jahresende treten die Bestellungen im letzten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal auf der Stelle“, dämpfte Jupp Zenzen, Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), die Erwartungen.

„Der Anstieg im Dezember ist leider noch keine Trendwende. Er ist allein auf Großaufträge zurückzuführen.“

Zenzen wies zudem darauf hin, dass die Industrie sowohl die schwache Binnenkonjunktur als auch das weiterhin schwierige weltwirtschaftliche Umfeld spüre. „Hinzu kommen strukturelle Sorgen wie hohe Kosten, insbesondere bei Energie sowie Bürokratielasten. Das sind keine guten Aussichten für das laufende Jahr.“

Ampel diskutiert über Steuererleichterungen

Unterdessen ist in der Ampelkoalition eine Debatte über Steuerentlastungen für die deutsche Wirtschaft entbrannt. Sowohl Finanzminister Christian Lindner (FDP) als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten sich angesichts der Konjunkturflaute in Deutschland für eine Verbesserung der Standortbedingungen für Unternehmen ausgesprochen – allerdings haben sie unterschiedliche Vorstellungen.   

Habeck hatte ein milliardenschweres, schuldenfinanziertes Sondervermögen zur Entlastung der Unternehmen ins Gespräch gebracht.  Der Vizekanzler nannte die Möglichkeit, Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen – Steuergutschriften sind in den USA zentraler Bestandteil eines großen Konjunkturprogramms zur Förderung klimafreundlicher Technologien.

Die FDP lehnt dies ab. „Deutschland fällt zurück, weil das Wachstum ausbleibt“, sagte Lindner dem Handelsblatt. „Der Standort ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Eine Schuldenpolitik ist aber ökonomisch nicht sinnvoll.“

Der Bund zahle hohe Zinsen für die Staatsverschuldung, sagte Lindner. „Wir würden unseren Haushalt rasch strangulieren. Tatsächlich halte ich es auch nicht für erfolgversprechend, wenn die Politik entscheidet, welche Branche, welche Technologie und welches Unternehmen eine Zukunft haben soll, indem dort dann Subventionen gewährt werden. Wir müssen die Standortbedingungen für alle verbessern.“ Mitte des Jahres werde eine Expertengruppe auch Vorschläge für eine Unternehmenssteuerreform vorlegen.

FDP fordert Signal von Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich zurückhaltend zu der Debatte geäußert. Scholz verwies am Montag in Berlin auf das bereits geplante Wachstumschancengesetz zur Förderung der deutschen Wirtschaft. Dies sei ein „sehr gutes Projekt“, das sich derzeit im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat befinde.

Führende FDP-Politiker fordern hingegen Entscheidungen von Scholz. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Es wäre jetzt an der Zeit, Führung zu zeigen.“ FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der dpa, er erwarte von SPD und Grünen, den Weg für weitere Steuerentlastungen freizumachen. „Ich würde mir dazu auch ein klares Signal von Bundeskanzler Scholz wünschen.“

Die Union kündigte unterdessen an, ihre Zustimmung zum geplanten Wachstumspaket der Bundesregierung von einer Rücknahme der geplanten Steuererhöhung auf Agrardiesel abhängig zu machen. Wie die dpa aus Verhandlungskreisen der Union erfuhr, wird eine Protokollerklärung gefordert, in der sich die Bundesregierung im Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat verbindlich verpflichtet, die geplante Agrardieselregelung kurzfristig per Gesetz wieder aufzuheben. Andernfalls werde es keine Zustimmung zum Wachstumschancengesetz geben.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte bereits gegenüber den Zeitungen der Mediengruppe Bayern erklärt: „Wir als unionsgeführte Länder machen Änderungen beim Agrardiesel zur Bedingung für die Zustimmung zum Wachstumschancengesetz.“

320°/dpa

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