Klimawandel

Hitze, Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände, tropische Zyklone: Die Liste der verheerenden Wetterereignisse 2023 war lang. 2024 könnte noch schlimmer werden, warnt die Weltwetterorganisation (WMO).

„Alarmstufe rot“: 2024 noch wärmer als 2023?


Der Klimawandel ist im vergangenen Jahr mit alarmierenden Negativrekorden deutlich zutage getreten. Doch in diesem Jahr könnte es noch schlimmer kommen, warnte der Leiter der Abteilung für Klimaüberwachung bei der Weltwetterorganisation (WMO), Omar Baddour, am Dienstag.

Es sei gut möglich, dass 2024 den Temperaturrekord von 2023 übertreffe, sagte Baddour anlässlich der Veröffentlichung des WMO-Berichts zum Zustand des Weltklimas 2023. Der Januar 2024 sei bereits der wärmste Januar seit Beginn der Industrialisierung gewesen.

„Die Erde sendet einen Hilferuf aus. Der Bericht (…) zeigt einen Planeten am Abgrund“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. WMO-Chefin Celeste Saulo sprach von „Alarmstufe Rot“. „Beim Klimawandel geht es um viel mehr als um Temperaturen. Was wir im Jahr
2023 erlebt haben, insbesondere die beispiellose Erwärmung der Ozeane, den Rückzug der Gletscher und den Verlust des antarktischen Meereises, gibt Anlass zu besonderer Sorge“, sagte sie.

Hitzewelle in Ozeanregionen „besonders alarmierend“

Die WMO bestätigte ihre vorläufigen Schätzungen, wonach die globale Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahr rund 1,45 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900) lag. Davor war 2016 das wärmste Jahr, mit rund plus 1,3 Grad.

Der europäische Klimadienst Copernicus hatte für 2023 eine Erwärmung von plus 1,48 Grad vorhergesagt. Die WMO betrachtet die Datensätze von Copernicus und mehreren anderen renommierten Instituten jeweils gemeinsam. Dadurch ist ihr Bericht zum Klimawandel besonders breit abgestützt und gilt als globaler Maßstab.

Im Laufe des Jahres haben laut WMO 90 Prozent der Ozeanregionen eine Hitzewelle erlebt. Das sei besonders alarmierend, weil die Meere die Temperatur länger speichern als die Atmosphäre, sagte Saulo. Die Wissenschaft habe noch keine Erklärung für diese Entwicklung gefunden, sagte Baddour. Das Wetterphänomen El Niño sei dafür nicht ausreichend.

Zudem hätten die Gletscher mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1950, vor allem in Nordamerika und Europa. Auch die Ausdehnung des antarktischen Meereises habe einen Negativrekord erreicht. Die maximale Ausdehnung war um eine Million Quadratkilometer kleiner als beim bisherigen Negativrekord: Das entspricht einer Fläche so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen.

Der global gemittelte Meeresspiegel war im vergangenen Jahr so hoch wie noch nie seit Beginn der Satellitenmessungen 1993. In den vergangenen zehn Jahren sei der Meeresspiegel doppelt so schnell gestiegen wie in den ersten zehn Jahren seit Beginn der Satellitenmessungen. Ursachen seien sowohl das Abschmelzen von Gletschern und Eis als auch die thermische Ausdehnung des wärmeren Wassers.

Außer Kontrolle?

In der öffentlichen Debatte hierzulande dominiere der Eindruck, die Folgen des Klimawandels ließen sich durch Technik schon irgendwie in den Griff bekommen, kritisierte Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig. Es fehle an der Bereitschaft, die Klimakrise ernst zu nehmen.

„Tatsache ist, dass die durch Nichthandeln entstehenden Klimawandel-Folgekosten die nötigen Kosten, um den Klimawandel rechtzeitig zu stoppen, um fast den doppelten Betrag jährlich übersteigen werden“, so Haustein. Je mehr jetzt investiert werde, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden, desto mehr Geld werde mittelfristig insgesamt gespart. „Heutige Untätigkeit wird unsere Kinder und Enkel teuer zu stehen kommen.“

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnt vor einem unbeherrschbaren Fortschreiten der Erderwärmung. „Wir sind vielleicht kurz davor, dass die globale Erderwärmung, in diesem Fall die Erwärmung der Ozeane, tatsächlich außer Kontrolle gerät“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Berlin bei einer internationalen Energiewende-Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin. Die Temperatur in den Weltmeeren liegt seit mittlerweile rund einem Jahr bei Höchstwerten. „Es wird zu Stürmen, Winden, Hurrikane-Fluten kommen, die wir schwer beherrschen können“, warnte Habeck. „Mich beunruhigt das zutiefst.“ Die Lage sei bitterernst.

Habeck sagte, neben all den aktuellen Krisen müsse die Politik bei der Erderwärmung gegensteuern. „Es ist die Aufgabe unserer politischen Generation, Lösungen zu finden und sie umzusetzen. Werden wir das nicht tun, neben allem anderen, was wir tun müssen, werden wir als politische Generation versagt haben.“ Er warb dafür, den weltweiten Umstieg auf erneuerbare Energien auch über den Handel voranzutreiben.

Ausbau erneuerbarer Energien reicht nicht aus

Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) erklärte in einem am Rande der Konferenz veröffentlichten Bericht, dass das auf der Klimakonferenz im vergangenen Jahr vereinbarte Ziel, die Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen, nur mit erheblichen zusätzlichen Anstrengungen erreichbar sei.

Im Durchschnitt müssten bis dahin jährlich knapp 1100 Gigawatt (GW) zusätzliche Kapazität installiert werden – mehr als doppelt so viel wie im Rekordjahr 2023 mit 473 GW. Dafür wären jährliche Investitionen in Höhe von 1.550 Milliarden US-Dollar (rund 1.058 Milliarden Euro) notwendig. Die weltweit installierte Leistung lag nach vorläufigen Irena-Zahlen im vergangenen Jahr bei 3870 GW.

Der Ausbau erneuerbarer Energien fand dem Bericht zufolge vor allem in China, der EU und den USA statt, die zusammen 83 Prozent des weltweiten Zuwachses ausmachten. Vor allem Entwicklungsländer hinkten dagegen hinterher. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wies auf die schwierigen Finanzierungsbedingungen ärmerer Länder hin. „Wir sehen heute, dass Entwicklungsländer im Durchschnitt einen Zinssatz von 16 Prozent haben, oft viermal so viel wie Industrieländer.“ Es brauche deshalb eine Reform der Weltbank, aber auch einen besseren Zugang zu Technologie und Rohstoffen. Viele Länder hätten bereits Fortschritte gemacht, in Uruguay kämen 98 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen.

Bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten sich die Staaten der Welt darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Das ist nach Ansicht vieler Forscherinnen und Forscher kaum noch zu schaffen, dennoch lohne sich auch jede geringere Begrenzung des Temperaturanstiegs. „Wir wissen alle, dass wir nicht auf dem 1,5-Grad-Pfad sind, dass wir also mehr tun müssen und schneller werden“, so Habeck.

320°/dpa/re

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