Konjunktur

Der Aufschwung in Deutschland gerät ins Stocken. Im Sommer ist die deutsche Wirtschaft erstmals seit 2015 geschrumpft. Doch Ökonomen beruhigen: Sie erwarten, dass die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnen wird.

Deutsche Wirtschaft bricht ein


Die deutsche Wirtschaft ist zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren wieder geschrumpft. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken. Grund seien schwächere Exporte und rückläufige Konsumausgaben der Verbraucher.

Zum letzten Mal war die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2015 rückläufig. Damals war das BIP um 0,1 Prozent gesunken. Nach Einschätzung von Ökonomen hat unter anderem die für Deutschland wichtige Autoindustrie die Konjunktur ausgebremst. Grund ist der neue Abgas-Prüfstandard (WLTP) für Autos, der seit September in der EU gilt. „Deutsche Hersteller haben das neue Prüfverfahren nicht rechtzeitig für alle Fahrzeugtypen durchlaufen und mussten daher die Produktion im dritten Quartal drosseln“, erläuterte das Institut für Weltwirtschaft (IfW) jüngst.

Aber auch ohne den Auto-Effekt hätte sich die Konjunktur wohl abgeschwächt. Denn Deutschland leidet unter einer schwächeren Auslandsnachfrage. Vor allem die internationalen Handelskonflikte schlagen zunehmend durch. Darunter leidet inzwischen auch das Wachstum in China. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten des Brexits sowie die Schuldenpolitik des Eurolandes Italien, die zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führen könnte.

„Die Abkühlung der Exporte im dritten Quartal war fast greifbar“, beschreibt der Präsident des Außenhandelsverbandes (BGA), Holger Bingmann, die Lage. Aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) drohen der Weltwirtschaft wegen der aggressiven Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump sogar noch deutlich trübere Zeiten.

Droht Deutschland eine Rezession?

Nach gängiger Definition ist von einer Rezession die Rede, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge sinkt. Mit einem derartigen Einbruch rechnen Ökonomen bislang nicht. „Im vierten Quartal wird die deutsche Wirtschaft alleine schon deshalb wieder zulegen, weil die Auto-Produzenten ihre Produktion allmählich wieder hochfahren dürften“, argumentiert Commerzbank-Experte Ralph Solveen.

Stefan Kooths, Leiter des IfW Prognosezentrums verweist unter anderem auf die nach wie vor gut gefüllten Auftragsbücher der Unternehmen. „Für das Schlussquartal rechnen wir daher mit einem deutlichen Wiederanziehen der Wirtschaftsleistung.“ Auch die „Wirtschaftsweisen“ sehen keine „akute Gefahr“ einer Rezession.

Aktuell sind es vor allem die Verbraucher, der die deutsche Wirtschaft am Laufen halten. „Die Stimmung der Konsumenten ist nicht zuletzt wegen des exzellenten Arbeitsmarktes und deutlicher Lohnzuwächse weiterhin auf sehr hohem Niveau“, argumentieren Ökonomen der Deutschen Bank. „Offenbar unbeeindruckt von externen Risiken wie Handelskonflikt und Brexit sind die Konsumenten bereit, ihr Geld auszugeben“, heißt es in der jüngsten Konsumklimastudie des Nürnberger Marktforschers GfK. Denn Sparen sei angesichts extrem niedriger Zinsen nach wie vor keine attraktive Alternative.

Wie geht es weiter?

Das hohe Tempo des Boomjahres 2017 wird Deutschland wohl nicht halten können. Konjunkturexperten, internationale Organisationen sowie die Bundesregierung senkten zuletzt ihre Konjunkturprognosen für dieses und das kommende Jahr auf teilweise deutlich unter zwei Prozent. 2017 war die deutsche Wirtschaft noch kräftig um 2,2 Prozent gewachsen.

„Die Sorgen werden größer“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Martin Wansleben. Vor allem der Export büße an Schubkraft ein. „Unserer Einschätzung nach wird es weiterhin beim Aufschwung bleiben, aber mit vermindertem Wachstumstempo“, meint Christoph M. Schmidt, Chef des Beratergremiums der Bundesregierung jüngst.

Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater weist zudem darauf hin, dass eine gewisse Abkühlung normal ist: „Nicht vergessen darf aber man auch, dass die Konjunktur ohnehin nach vielen kräftigen Jahren etwas an Fahrt verliert und dass die Notenbanken langsam auf die Bremse treten.“

 

© 320°/dpa | 14.11.2018

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