Forschungsprojekt

Dachgewächshäuser, ein gemeinsames Wasserstoffleitungsnetz und möglichst geschlossene Stoffkreisläufe: Wissenschaftler haben Vorschläge entwickelt, wie ein Gewerbegebiet ultraeffizient gestaltet werden könnte – am konkreten Beispiel einer Stadt.

So könnte ein ultraeffizientes Gewerbegebiet aussehen


Wie kann ein stadtnahes Gewerbegebiet so gestaltet werden, dass kaum Abfall, Abwasser und Abluft entsteht? Antworten haben jetzt Forscher der drei Fraunhofer-Institute IPA, IAO und IGB für die Stadt Rheinfelden in Baden entwickelt. Ihr Konzept für das neuartige Gewerbegebiet wurde in enger Zusammenarbeit mit der Stadt und den ansässigen Unternehmen entwickelt.

Insgesamt wurden dabei fünf Handlungsfelder bestimmt. Darauf aufbauend wurde konkrete Anwendungsbeispiele für den Standort in Rheinfelden entwickelt.

  • Material

Neben einer ressourceneffizienten Wirtschaft sollen Stoffkreisläufe so aufgebaut werden, dass möglichst viele Reststoffe verwendet werden können. „So könnte ein Hersteller von Kunststoffgranulaten in Rheinfelden künftig den Kunststoffabfall von benachbarten Unternehmen verwerten, anstatt wie bisher Primärrohstoffe von weit her zu beziehen“, beschreiben die Wissenschaftler. Ein Medizintechnik-Unternehmen aus dem Stadtteil Herten könnte dann diese Granulate aus Rheinfelden verwenden, anstatt sie weiterhin anderswo zu beschaffen.

  • Energie

Generell sollen regenerative Energiequellen erschlossen sowie die Überschussenergie gespeichert und diese anderorts verwendet werden. Konkret schlagen die Wissenschaftler vor, die Abwärme aus der Chemie-Industrie, mit der die Stadt bisher die Schulen beheizt, künftig dafür zu nutzen, die Temperatur in Dachgewächshäusern auf den Fabrikgebäuden nachts und im Winter konstant zu halten. Außerdem könnte „das Leitungsnetz, über das mehrere Industriebetriebe im Osten der Stadt Wasserstoff austauschen, künftig auch eine Wasserstofftankstelle versorgen, die dann Brennstoffzellen-Fahrzeuge betanken könnte“, schildern die Fraunhofer-Forscher.

  • Emissionen

Abfall, Abwasser, Abluft und Lärm sollen nach den Vorstellungen der Wissenschaftler möglichst komplett vermieden werden. Neben der beschriebenen Nutzung von Abfällen von benachbarten Unternehmen sollen unter anderem der Straßenverkehr durch Mitfahrgelegenheiten minimiert werden. Um weitere Fahrtwege zu vermeiden, sollen die Stadtbewohner überwiegend mit dem Obst und Gemüse aus den Dachgewächshäusern versorgt werden. Die CO2-Emissionen, die am Standort anfallen, könnten in die Gewächshäuser eingeleitet werden, um das Pflanzenwachstum anzuregen.

  • Mensch/Personal

Grundsätzlich sollen kurze Arbeitswege, flexible, kooperative Arbeitszeitmodelle etabliert und soziale Einrichtungen in Gewerbegebiete integriert werden. Hier stellen sich die Forscher unter anderem unternehmensübergreifende Mitfahrzentralen vor, die auf gestaffelte Arbeitszeiten abgestimmt sind.

  • Organisation

Die Unternehmen sollen künftig Dienstleistungen und Einrichtungen gemeinsam nutzen. Bereits jetzt nutzen die Unternehmen des Rheinfeldener Gewerbegebiets eine gemeinsame Feuerwehr und eine Kantine, die Mitarbeitern mehrerer Firmen offensteht. Eine weitere Idee der Fraunhofer-Forscher ist die Zusammenlegung einzelner Fuhrparks und Rechenzentren. „Auch Energie- und Umweltmanager, Arbeits- und Brandschutzbeauftragte, Reinigungsdienste und Gärtner können sich die ansässigen Unternehmen künftig teilen“, schlagen die Forscher vor.

Ob die Unternehmen des Gewerbegebiets die Vorschläge in die Praxis umsetzen werden, bleibt abzuwarten. Das Umweltministerium in Baden-Württemberg hat die Erstellung des Konzepts im Rahmen des Forschungsprojekts „Ultraeffizienzfabrik – Symbiotisch-verlustfreie Produktion im urbanen Umfeld“ mit rund 250.000 Euro gefördert. Die Umsetzung der Vorschläge müssten die ansässigen Unternehmen selbst bezahlen.

 

© 320°/ek | 05.02.2020

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