Interview

Alexander Gosten, neuer Vorstandssprecher der DGAW, über die Ausrichtung der Gesellschaft für Abfallwirtschaft, die Meinungsbildung im Verband und die Themen, mit denen sich die DGAW in Zukunft auseinandersetzen wird.

„Die größte Experten-NGO im Abfallbereich“


Ende Mai hat die Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) einen neuen Vorstand gewählt. Zum neuen Vorstandssprecher wurde Dr. Alexander Gosten von der Berliner Stadtreinigung (BSR) berufen. Die Stellvertreter-Posten übernehmen Sieglinde Groß (Fehr Umwelt Ost GmbH) und Aloys Oechtering (Remondis Assets & Services GmbH & Co. KG). Gerd Mehler wurde erneut in seinem Amt als Schatzmeister der DGAW bestätigt. Professor Martin Faulstich (INZIN Institut), bisher Präsidiumsmitglied der DGAW, bleibt weiterhin im Vorstand der DGAW.

Gosten promovierte als Ingenieur des Bergbauwesens und startete seine Karriere in der Abfallwirtschaft bei der RWE Umwelt AG als Vorstandsassistent. Ab 1993 übernahm er diverse Leitungsfunktionen im Bereich Recycling und Abfallmanagement innerhalb des RWE Konzerns. Seit 2006 ist Gosten in der BSR verantwortlich für die Abfallbehandlung mit aktuell 23 Anlagen, deren Planung und Errichtung, den Betrieb und die Nachsorge stillgelegter Abfalldeponien sowie dem Stoffstrommanagement der Siedlungsabfälle.

Herr Dr. Gosten, zunächst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum DGAW-Vorstandssprecher. Was hat Sie dazu bewegt, für das Amt zu kandidieren?

BSR

Ein alter Leitspruch der DGAW war „aus Liebe zum Abfall“, der sicher für mich und viele Mitglieder zutrifft. Ich habe den Antrieb, auch außerhalb meiner beruflichen Wirkungsstätte einen Beitrag zu einer guten Abfallwirtschaft zum Wohle von uns allen zu leisten. Nach vielen Diskussionen im Vorfeld kristallisierte sich heraus, dass ich aktuell ein geeigneter Kandidat bin, der die notwendigen Erfahrungen und Unabhängigkeit mitbringt, um den hohen Erwartungen der Mitglieder an dieses Ehrenamt gerecht zu werden.

Die DGAW ist keine klassische Interessenvereinigung für einen bestimmten Bereich aus der Industrie oder der Kommunalwirtschaft. Wofür steht die DGAW?

Die DGAW ist sicher die größte Experten-NGO im Abfallbereich und steht für eine gute Abfallwirtschaft. Das heißt, wir wollen die Entwicklung in eine echte Kreislaufwirtschaft, oder neudeutsch circular economy, voranbringen. Dazu müssen noch viele Hemmnisse überwunden werden, so dass es noch viel zu tun gibt. Die Eigentumsverhältnisse sind für eine gute Abfallwirtschaft irrelevant. Bei über 400 Millionen Tonnen Abfall jährlich betrifft dieses Thema auch nur weniger als 15 Prozent der deutschen Abfälle. Interessanter wird sicher die Frage sein, wie ausländische und/oder branchenfremde Investoren die Abfallwirtschaft verändern werden.

Die Expertise vieler Experten mit unterschiedlichen Interessen kann auch hinderlich sein, wenn es darum geht, eine einheitliche Position zu formulieren. Wie schwierig ist die Meinungsbildung in der DGAW?

An den Diskussionen in den vielen Arbeitskreisen beteiligen sich intensiv die Mitglieder aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Diese vielen Aspekte in dem Ringen aus These und Antithese um eine gute Abfallwirtschaft macht es spannend und herausfordernd. Am Ende sagen immer alle Teilnehmer, dass sie ein Stück Erkenntnis in einer Synthese gewonnen haben. Da alle Mitglieder Experten sind, versucht keiner mit plumpen Behauptungen für die Vorteile einer Technologie oder gar von Eigentumsverhältnissen oder Geschäftsmodellen zu argumentieren. Natürlich dauert der Diskussionsprozess für eine fachlich rundum fundierte Position immer etwas Zeit, zumal wir uns zum Ziel gesetzt haben, unsere Positionen auf jeweils kleiner 2 Seiten zu formulieren und alle einen hauptamtlichen Beruf haben.

Was sind derzeit die Themen, mit denen sich der Verband auseinandersetzt?

Wir glauben, dass das Kreislaufwirtschaftsgesetz, dessen Erstellung sicher ein sehr anstrengender Prozess war, viele Aspekte auf den Weg in eine echte Kreislaufwirtschaft nicht wirklich definiert und vorgibt. Die Gesellschaft beschäftigt sich daher unter anderem intensiv mit den Grundsatzfragen der biogenen Abfälle und Wertstoffe und dem Recyclingbegriff. Große Beteiligung haben wir unter anderem auch bei den Themen Klärschlammbehandlung, Gewerbeabfallverordnung und Rücknahmesysteme.

Einer der Verdienste der DGAW ist es, auf das Problem des „Quotenzaubers“ aufmerksam gemacht zu haben. Wird es in Zukunft ähnliche Vorhaben geben?

Das Aufdecken der wahren Recyclingquoten und der Schwachstellen der Quotenberechnung hat dazu beigetragen, dass die EU neue Vorgaben für die Berechnung der Recyclingquoten beschlossen hat. Dies ist sicher der größte Erfolg der DGAW, um die Kreislaufwirtschaft wirklich voranzubringen. Um die neuen Zielquoten zu erreichen, ist sicher ein neuer Innovationsschub und das Überdenken alter Positionen der 90er Jahre notwendig.

Welche Positionen meinen Sie?

Ein wesentliches Hemmnis für die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft sind die völlig unterschiedlichen Grenzwerte und deren Berechnungsverfahren in den unterschiedlichen Regelwerken. Weder ist die wissenschaftliche Begründung für viele Grenzwerte transparent noch ist fachlich zu verstehen, warum die Sekundärrohstoffe gegenüber den Primärrohstoffen an vielen Stellen diskriminiert werden. So sollte unter anderem der Anspruch an die „Schadlosigkeit“ nicht unnötig höher definiert werden, als in der primären Rohstoffwelt.

An dieses Thema werden wir uns jetzt heranarbeiten. Bei der grundsätzlichen Betrachtung des Recyclings und der biogenen Abfälle und Wertstoffe sind wir intern schon recht weit und bereiten die Veröffentlichungen vor.

 

© 320° | 06.06.2019

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