Vorwurf der Umwelthilfe

Neuer Vorwurf der Deutschen Umwelthilfe: Die tatsächliche Recyclingquote für Getränkekartons sei viel niedriger als angegeben. Der Branchenverband FKN verweist auf die jüngste Ökobilanz.

„Der Getränkekarton hat eine unglaublich schlechte Recyclingbilanz“


Es ist die Neuauflage eines alten Streits: Vor gut drei Jahren hatte die Deutsche Umwelthilfe errechnet, dass die Recyclingquote für Getränkekartons nur bei 30 Prozent liege – und nicht bei 76 Prozent, wie der Branchenverband FKN kommuniziert hatte. Der FKN wies den Vorwurf zurück und bezeichnete die Berechnungen der Umwelthilfe als „Unfug“.

Nun legt die Umwelthilfe nochmal nach, denn aus ihrer Sicht hat sich an den Fakten wenig geändert: Die tatsächliche Recyclingquote liege derzeit nur bei rund 38 Prozent und nicht bei 75 Prozent, wie vom FKN angegeben. Die Reaktion des Verbands der Getränkekartonindustrie fällt ähnlich aus wie vor drei Jahren. Dieses Mal spricht der Verband von einem „ausgekochten Unfug“.

Die Umwelthilfe hat eine Erklärung für die große Diskrepanz der Quoten. „Der Recycling-Bluff der Getränkekartonindustrie besteht darin, dass zur Quotenberechnung nicht die tatsächlich in Verkehr gebrachte, sondern nur die im Gelben Sack gesammelte Menge an Getränkekartons herangezogen wird“, erklärt die Umweltorganisation. Mehr als ein Drittel der Getränkekartons lande aber gar nicht zum Recycling im Gelben Sack, sondern im Restmüll, in der Papiertonne oder in der Umwelt.

„Umweltministerin Steffi Lemke muss deshalb schleunigst ein Einwegpfand von 25 Cent auf Getränkekartons einführen“, fordert Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. „So ließen sich rund 2,3 Milliarden Stück pro Jahr mehr recyceln.“ Am besten wäre es aber, ganz auf umweltbelastende Getränkekartons zu verzichten und stattdessen regionale Mehrwegflaschen zu nutzen, sagt sie.

Grafik: Deutsche Umwelthilfe

Nach Darstellung der Umwelthilfe sind Getränkekartons in den vergangenen Jahren unökologischer geworden: Der Papierfaseranteil sei gesunken, der Plastikanteil gestiegen und in den vergangenen 20 Jahren seien die Verbundverpackungen um 35 Prozent schwerer geworden. Außerdem würden sie nur an wenigen Standorten abgefüllt und über lange Strecken bundesweit vertrieben.

„Getränkekartons belasten als Plastik-Mogelverpackung unsere Umwelt“, sagt Thomas Fischer, DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft. „Aus Kunststoff bestehende Oberteile, langstielige Ausgusshilfen oder überdimensionierte Schraubverschlüsse belegen die zunehmende Plastifizierung der kurzlebigen Einwegverpackung.“ Zudem bestünden Getränkekartons nicht aus Recyclingmaterial, sondern fast vollständig aus Neumaterial, so Fischer. „Zigtausende Bäume müssen für die Verpackungen abgeholzt werden. Denn für die Herstellung ist langsam wachsendes Holz mit langen Fasern notwendig, das ganz überwiegend über lange Transportwege nach Deutschland importiert wird.“

„Recyclingfähigkeit von über 90 Prozent“

Der Geschäftsführer des Fachverbands Kartonverpackung für flüssige Nahrungsmittel (FKN), Martin Schröder, bezeichnet die Vorwürfe als „ausgekochten Unfug“. „In der neuesten Ökobilanz 2020 des ifeu-Instituts, die nach den Mindestanforderungen des UBA erstellt wurde, hat man alle nicht recycelten Bestandteile, Flüssigkeitsreste und Fremdstoffe abgezogen“, so Schröder. „Trotzdem zeigt sich: Der Getränkekarton schneidet bei Säften ökologisch gleich gut, bei Milch sogar besser ab als Mehrwegsysteme.

Auf die Kritik der Umwelthilfe an der Berechnungsmethode der Recyclingquote geht Schröder nicht ein. Er verweist darauf, dass mit der Recyclinganlage Palurec ab 2021 auch die Kunststoff- und Aluminiumbestandteile von Getränkekartons in Deutschland stofflich verwertet werden könnten. Damit steige die Recyclingfähigkeit von Getränkekartons auf über 90 Prozent.

320°/re

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