Altfahrzeug-Demontage

Für europäische Demontagebetriebe könnte das Autoersatzteil-Geschäft eine weitaus stärkere Bedeutung bekommen als bislang. Auch weltweit dürfte die Nachfrage nach Gebrauchtteilen stark steigen. Gut möglich, dass das Ersatzteilgeschäft lukrativer wird als das Recycling einzelner Fraktionen.

Boom für Autoersatzteile erwartet


Die Ersatzteil-Jagd ist für Besitzer älterer Fahrzeuge oft mühselig. Da das Durchschnittsalter der Fahrzeuge steigt, könnte das Beschaffen von Ersatzteilen künftig noch problematischer werden. Doch was für Fahrzeugbesitzer nachteilig ist, könnte für Altfahrzeug-Demontagebetriebe ein lukratives Geschäftsfeld bedeuten. Und das vor allem in Europa.

„Der europäische Markt ist sehr attraktiv“, meint Joseph M. Holsten, Vorstandsvorsitzender des US-Autoteilehändlers LKQ. „Denn der Fahrzeugbestand hier ist groß, und das hohe Alter der Fahrzeuge bietet den Reparatur- und Ersatzteilmärkten eine starke Value Proposition, sprich ein großes Wert-Angebot.“ Holsten hat mit seiner Firma im vergangenen Jahr den deutschen Auto-Ersatzteilehändler Stahlgruber gekauft. Seine Beobachtung ist, dass europäische Demontagebetriebe den Fokus mehr auf den Schrottwert eines Altfahrzeugs zu legen und weniger auf den Verkauf von Autoteilen.

Vorbild USA

In den USA sei das anders. „Der US-Demontagemarkt ist viel stärker auf den Wert der demontierten Teile ausgerichtet“, sagt der LKQ-Chef. Die höhere Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Gebrauchtteilen wird allerdings auch stark von der US-amerikanischen KFZ-Versicherungsindustrie gepusht.

Die KFZ-Versicherer in den USA verlangen laut Holsten bereits seit über zwei Jahrzehnten, dass bei der Reparatur von Unfallfahrzeugen gebrauchte Autoteile von Demontagebetrieben eingesetzt werden. Das senke nicht nur die Reparaturkosten, die Versicherungen könnten ihren Mitgliedern dadurch auch wettbewerbsfähigere Prämien zahlen.

In Europa könnte der Bedarf an Gebrauchtteilen aber ebenfalls angekurbelt werden. Hintergrund ist die europäische Abfallhierarchie. Voraussetzung sei, dass aus „recycelten Produkten“ „wiederverwendete Produkte“ gemacht werden, erklärt Holsten. Durch eine zusätzliche Wiederaufbereitung könnten noch mehr dieser Teile in die Kategorie der Wiederverwendung verschoben werden.

Starkes Wachstum für globalen Ersatzteilmarkt

Der LKQ-Chef sieht der Zukunft des Ersatzteilmarktes in Europa daher positiv entgegen: „Der Ersatzteilmarkt kann unter bestimmten Voraussetzungen das Recycling von einzelnen Fraktionen überflügeln.“ Die Voraussetzungen, die er meint, sind größere Mengen und eine bessere Qualität der gebrauchten Teile. Und das zu Preisen, die sowohl für den Do-it-Yourself-Kunden als auch die professionellen Reparaturwerkstätten ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis darstellen.

„Die Chancen für höhere Volumina beim Verkauf von Gebrauchtteilen sind enorm“, schlussfolgert Holsten. Und das nicht nur in Europa. Als Beleg präsentiert Holsten beim diesjährigen International Automobile Recycling Congress (IARC) in Wien einige Zahlen und Prognosen:

  • Bis 2021 werden auf den US-amerikanischen Straßen über 81 Millionen Fahrzeuge unterwegs sein, die älter als 16 Jahre sind.
  • In Europa wird es bis dahin 80 bis 90 Millionen Fahrzeuge geben, die älter als 16 Jahre sind.
  • In den USA gelangen über 95 Prozent der jährlich anfallenden 10 bis 15 Millionen Altfahrzeuge in die Recyclingkette.
  • In Europa fallen insgesamt zwischen 6 und 9 Millionen End-of-Life-Fahrzeuge pro Jahr an.
  • China sind es bislang 9 bis 12 Millionen Altfahrzeuge pro Jahr. Bis 2020 soll die Menge auf 12 bis 16 Millionen pro Jahr ansteigen.

Vielversprechend seien auch die Zahlen in den verschiedenen Fahrzeugsektoren, die für den Demontagemarkt interessant sind:

PKW:

  • In Europa sind demnach rund 291 Millionen Pkw registriert. Damit liegt Europa vor den USA (271 Millionen registrierte Pkw) und China (194 Millionen registrierte Pkw).
  • In den USA werden rund 16 bis 18 Millionen Neufahrzeuge pro Jahr verkauft.
  • 3 bis 3,5 Millionen Pkw sind Totalschäden als Resultat von Zusammenstößen, Feuer oder Hochwasser.

Nutzfahrzeuge:

  • Der weltweite Lkw-Bestand wird bis 2026 jährlich im Durchschnitt um 0,6 Prozent zunehmen.
  • Die größten Märkte sind China, USA, EU, Indien, Russland und Brasilien. Mit den größten Wachstumschancen können wohl die BRIC-Staaten rechnen.
  • In den USA sind aktuell rund 13 Millionen Nutzfahrzeuge registriert.
  • Jedes Jahr werden mehrere 100.000 Fahrzeuge außer Betrieb gesetzt

Motorräder:

  • Die größten Märkte sind in China, Indien und Indonesien zu finden.
  • Der weltweite Bedarf wird um geschätzt 6 Prozent pro Jahr wachsen. In diesem Jahr sollen 132 Millionen Motorräder verkauft werden.
  • Der Verkauf von gebrauchten Teilen läuft in diesem Bereich größtenteils über das Internet ab.
  • Die Teile, die sich am besten verkaufen sind Motoren, Räder, Sitze und der Benzintank.

Landwirtschaftliche Fahrzeuge, Geräte und Maschinen:

  • China, Indien und die USA zählen zu den größten Märkten weltweit.
  • Die weltweiten Verkäufe werden voraussichtlich von circa 6 Millionen im Jahr 2016 auf rund 7 Millionen im Jahr 2024 zunehmen.
  • Der Ersatzteilmarkt in diesem Bereich ist sehr international. Ein beträchtlicher Teil der Transaktionen wird über Landesgrenzen hinweg abgewickelt.
  • Zu den meistverkauften Artikeln gehören Reifen, Antriebsstrang, Spindeln, Lenkungs- und Hydraulikteile sowie Pumpen.

Busse und Wohnmobile

  • Die globale Bus-Nachfrage wird bis 2021 um etwa 5 Prozent jährlich anwachsen. Dann sollen es weltweit 623.000 Stück sein.
  • Die Region Asien-Pazifik wird Prognosen zufolge vermutlich der stärkste Markt sein.
  • Die meisten Reise- und Wohnmobile werden in den USA verkauft, gefolgt von Europa.
  • Wohnwagen sind die größte Produktkategorie. Aber Reisemobile und Caravans sind die am schnellsten wachsenden Kategorien.
  • Mehrere 100.000 Reise- und Wohnmobile werden jährlich außer Betrieb gesetzt.

„Die Nachfrage nach Ersatzteilen für ältere Fahrzeuge wird weltweit stark steigen“, zeigte sich Holsten überzeugt.

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