Brennstoffzelle

Mit einem Joint Venture bereiten Daimler und Volvo die Serienfertigung für wasserstoffbetriebene Lkw vor. Sie wollen zum weltgrößten Hersteller werden. Experten betonen unterdessen auch die Vorteile der Brennstoffzelle für Pkw – beispielsweise für SUV.

Daimler und Volvo peilen Serien­produktion an


Daimler Truck und Volvo haben ein Joint Venture für die Produktion wasserstoffbasierter Brennstoffzellen für schwere Lkw ins Leben gerufen. Ziel des neuen Unternehmens namens Cellcentric sei es, einer der weltweit führenden Hersteller von Brennstoffzellensystem zu werden, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung der beiden Lkw-Hersteller heißt.

Teil der Unternehmensstrategie ist demnach der Aufbau einer der größten Serienproduktionen von Brennstoffzellensystemen in Europa. Erste Kundenerprobungen von Brennstoffzellenlastwagen sind für 2024 anvisiert, der Beginn der Serienproduktion für die zweite Hälfte des Jahrzehnts. Den Angaben zufolge steht der Einsatz der Brennstoffzellensysteme in Fernverkehrs-Lkw zwar im Mittelpunkt, die beiden Cellcentric-Anteilseigner können sich aber auch den Einsatz in anderen Anwendungen vorstellen. Welche das sein könnten, lassen die Unternehmen allerdings offen.

Als erster Schritt auf dem Weg zur Serienproduktion wird aktuell an einem neuen Standort in Esslingen bei Stuttgart die Vorserienproduktion vorbereitet. Daneben erhöht Cellcentric die laufende Prototypenfertigung. Ob der Standort in Esslingen letztlich auch Sitz der Serienproduktion sein wird, steht noch nicht fest. Die Standortentscheidung werde im kommenden Jahr fallen, kündigten Martin Daum, CEO von Daimler Truck, und Martin Lundstedt, CEO der Volvo Group, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz an.

Brennstoffzelle und Batterie ergänzen sich

Parallel dazu setzen Daimler und Volvo auch auf den rein batterieelektrischen Antrieb. Beide Antriebe hätten ihre Vorzüge: Je leichter die Ladung und je kürzer die Distanz, desto eher werde die Batterie zum Einsatz kommen. Je schwerer die Ladung und je länger die Distanz, desto eher werde die Brennstoffzelle das Mittel der Wahl sein, wie es heißt.

„Elektrische Lkw mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb werden eine Schlüsseltechnologie für den CO2-neutralen Transport der Zukunft sein. In Kombination mit rein batterieelektrischen Antrieben können wir unseren Kunden je nach Anwendungsfall so die besten lokal CO2-neutralen Alternativen anbieten“, so Daimler-Truck-Vorstandsvorsitzender Daum.

Wie beide Hersteller betonen, erwarten sie von der Politik eine gezielte Förderung der wasserstoffbasierten Brennstoffzellentechnologie. Zusammen mit anderen großen europäischen Lkw-Herstellern fordern sie zudem einen forcierten Aufbau der Infrastruktur. Die gemeinsame Initiative plädiert für den Aufbau von rund 300 Hochleistungs-Wasserstofftankstellen für schwere Nutzfahrzeuge in Europa bis 2025. Bis spätestens 2030 seien rund 1.000 Wasserstoff-Tankstellen nötig. Auf diese Weise könnte Wasserstoff als Träger von Ökostrom für den Betrieb elektrischer Fernverkehrs-Lkw etabliert werden.

Weil CO2-neutrale Lkw derzeit erheblich teurer sind als konventionelle Fahrzeuge, fordern die Konzerne auch einen politischen Rahmen, der sowohl Nachfrage als auch Wirtschaftlichkeit sicherstellt. Als geeignete Instrumente sehen sie hier Anreize für CO2-neutrale Technologien sowie ein Besteuerungssystem auf Basis von CO2– und Energiegehalt. Als eine weitere Option bringen Daimler und Volvo ein Emissionshandelssystem ins Spiel.



Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Abfallwirtschaft

Daimler und Volvo sind nicht die ersten Lkw-Hersteller, die Wasserstoff für sich entdeckt haben. Andere Hersteller sind hier schon länger aktiv, und teilweise auch schon weiter. Ein Beispiel ist Toyota. Die Japaner haben Brennstoffzellen-Lkw bereits auf die Straße gebracht.

Mit dem amerikanischen Lkw-Bauer Kenworth baut Toyota gerade die dritte Generation der sogenannten Fuel Cell Electric Trucks. Das neue Modell soll mit einer Tankfüllung auf eine Reichweite von fast 500 Kilometer kommen. Zudem entwickelt Toyota mit dem Nutzfahrzeughersteller Hino Motors einen Brennstoffzellen-Lkw, der gut 600 Kilometer rein elektrisch fahren soll.

Auch andere Konzerne treiben die Wasserstoff-Technologie voran. So testet Hyundai Brennstoffzellen-Lkw unter anderem in der Schweiz. Aber auch in der Entsorgungsbranche sind Wasserstoff-Fahrzeuge schon länger ein Thema. Jüngstes Beispiel ist die Abfallwirtschaft Freiburg, die ihren Fuhrpark um Brennstoffzellen-Fahrzeuge aufstocken will.

Die Stadt hat eigenen Angaben zufolge 14 vollelektrische Brennstoffzellen-Müllsammelfahrzeuge bestellt. Entwickelt werden sie von der Firma Zoeller, für den Bau ist die Firma Faun zuständig – der derzeit einzige Hersteller von Brennstoffzellen-Müllfahrzeugen.

Im baden-württembergischen Reutlingen ist ein solches Fahrzeug bereits seit Mitte März unterwegs. Die Reichweite des neuen Brennstoffzellen-Müllsammelfahrzeugs liegt nach Herstellerangaben innerstädtisch bei rund 370 Kilometern. Die Batterie für den Antrieb des Fahrzeugs soll mit 100 Prozent Öko-Strom aufgeladen werden.

Vorteile auch im Pkw-Bereich

Im Pkw-Sektor hingegen tun sich wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen noch immer schwer. Für E-Autos im Pkw-Segment setzen Hersteller bisher vor allem auf die reine Batterievariante. Zu den wesentlichen Gründen dürften neben den hohen Kosten auch ein fehlendes dichtes Wasserstoff-Tankstellennetz und der insgesamt geringere Wirkungsgrad zählen.

„Aus unserer Sicht konzentriert sich die Debatte zu oft auf das rein batterieelektrische Fahrzeug“, bedauert der Chef der Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (IAV), Matthias Kratzsch. Dabei seien Brennstoffzelle und auch der Wasserstoff-Direktverbrenner in puncto CO2-Einsparung und Marktpotenzial wichtige Ergänzungen, wie der Ingenieur in einem Vortrag Ende April beim Internationalen Motorensymposium in Wien sagte.

Kratzsch forderte, die gesamte Klimabilanz des Lebenszyklus eines Fahrzeugs vom Rohstoff bis zum Recycling stärker zu betrachteten. Er berief sich dabei auf Szenarien, die der IAV zur Klimabilanz und Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Antriebe entwickelt hat. Demnach ergeben sich bei Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus auch Vorteile des Brennstoffzellenantriebs im Pkw-Bereich – zumindest für größere SUV.

Wasserstoffmotoren könnten zudem auch bei geringerem Wirkungsgrad recht schnell in Serienreife kommen – „sowohl für schwere Pkw als auch für Nutzfahrzeuge“, wie Kratzsch betonte. Laut den Schätzungen wäre es möglich, dass die Antriebe bei entsprechender Weiterentwicklung und je nach Produktionsbedingungen konkurrenzfähig zum Batterie-E-Antrieb werden.

Die Berechnungen sind allerdings von vielen Randbedingungen abhängig. Eine wesentliche Voraussetzung ist laut IAV ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion, aber auch die Frage, ob Wasserstoff und Batteriezellen in Deutschland hergestellt werden. Für Wasserstoff-Autos seien die bisherigen Kosten wegen des großen Strombedarfs und der langen Kette von der Rohstofferzeugung bis zum Betrieb des Wagens noch recht hoch.

 

© 320°/mk/dpa | 04.05.2021

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