Netto-Null-Ziel für 2050

Der Touristikkonzern Tui wirbt mit einem dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb bis 2050. Die Deutsche Umwelthilfe hält das für Greenwashing. Das Versprechen basiere auf realitätsfernen Annahmen – Verbraucher würden auf diese Weise getäuscht.

Greenwashing-Vorwurf: Umwelthilfe klagt erstmals gegen Zukunftsversprechen


In einem neuen Rechtsstreit geht die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen den Kreuzfahrtriesen Tui Cruises vor. Die Umweltorganisation hat Klage beim Landgericht Hamburg eingereicht (Az. 315 O 9/24). Kern des Streits: Tuis ambitionierte, aber aus Sicht der DUH fragwürdige Werbeaussagen über einen „dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb“ bis zum Jahr 2050.

Tui Cruises wirbt mit der Vision eines umweltfreundlichen Betriebs, gestützt auf E-Fuels, grünem Methanol und Flüssiggas LNG. Die von Tui getroffenen Annahmen über die zukünftige Verfügbarkeit von E-Fuels seien jedoch realitätsfremd, kritisiert die Umwelthilfe. Die Technologie zur Herstellung von E-Fuels sei „völlig unausgereift“, ohne kommerzielle Produktion und mit unsicheren Zukunftsaussichten.

Selbst wenn die geplanten E-Fuels-Anlagen bis 2035 realisiert werden, bliebe die Frage offen, ob die produzierten Mengen ausreichten, um auch nur einen Bruchteil des heutigen fossilen Kraftstoffbedarfs in der Schifffahrt zu decken, so die Umwelthilfe.

„Nicht oder nur schwer überprüfbar“

Tui gehe von Annahmen aus, „die weltfremd sind und wäscht die Klimaschädlichkeit seines Geschäfts grün“, moniert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Da TUI nicht bereit ist, seine Aussagen über in ferner Zukunft angeblich ‚klimaneutrale‘ Kreuzfahrten zu stoppen, werden wir diese dreiste Täuschung von Verbraucherinnen und Verbrauchern gerichtlich beenden.“

Die Umwelthilfe wirft Tui vor, sein „tatsächliches Engagement um 26 Jahre in die Zukunft“ zu verlegen. „Bei den heute angesteuerten Reisezielen, wie kleinere Inselgruppen in Südostasien und Mittelamerika, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob der für einen ‚dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb‘ eingeplante grüne Landstrom bereitstehen wird“, gibt Resch zu bedenken.

„Unternehmen, die ankündigen, ihre Produkte oder Dienstleistungen in den nächsten Jahrzehnten ‚CO2- oder klimaneutral‘ anzubieten, verschaffen sich schon heute einen grünen Anstrich“, unterstreicht Agnes Sauter, Leiterin ökologische Marktüberwachung bei der DUH. „Notwendige Maßnahmen zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes werden schlichtweg in die Zukunft verlagert und sind im Hier und Jetzt nicht oder nur schwer überprüfbar“, sagt sie.

„Solche Werbeaussagen müssen glaubwürdig begründet und für Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar dargestellt werden. Alles andere ist nach unserer Auffassung massives Greenwashing und muss umgehend unterbunden werden.“

320°/re

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