Holding EPCG

Ohne Wasserstoff kein grüner Stahl: Thyssenkrupp verkauft Unternehmensanteile an das Energieunternehmen EPCG. Damit soll die Dekarbonisierung der Produktion erleichtert werden.

Thyssenkrupp Steel verkauft Anteile an Energieunternehmen


Der deutsche Stahlriese Thyssenkrupp Steel nimmt den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky und dessen Holding EPCG als neue Miteigentümer auf. Zunächst erwirbt die EPCG 20 Prozent des Unternehmens, wie Thyssenkrupp am Freitag bekannt gab. Es besteht die Option, weitere 30 Prozent zu übernehmen, mit dem Ziel, ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, an dem beide Seiten zu je 50 Prozent beteiligt sind.

Miguel López, Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp, erklärte, dass das Ziel darin bestehe, „ein leistungsstarkes, profitables und zukunftsorientiertes Stahlunternehmen zu schaffen“. Durch die Zusammenarbeit mit einem Energiepartner wie EPCG wolle man die Dekarbonisierung der Produktion vorantreiben und so den Übergang zu klimafreundlicherem Stahl beschleunigen. „Ein starker Energiepartner wie die EP Corporate Group ist dafür essenziell.“

EPCG wird insbesondere ihre Kompetenzen im Bereich der Energieversorgung einbringen. Dazu gehört die Bereitstellung von Wasserstoff und grünem Strom sowie anderen Energierohstoffen. Das Unternehmen ist bereits in neun europäischen Märkten als Energiehändler, -versorger und -lieferant aktiv.

Einer der reichsten Männer Tschechiens

Thyssenkrupp hat im März in Duisburg mit dem Bau einer Direktreduktionsanlage (DRI) begonnen, die einen herkömmlichen Hochofen ersetzen soll. Bei diesem Produktionsverfahren werden deutlich weniger Treibhausgase freigesetzt als bei der konventionellen Stahlerzeugung im Hochofen. Die Kosten für die neue Anlage belaufen sich auf rund drei Milliarden Euro, davon werden zwei Milliarden von Bund und Land finanziert. Das Projekt trägt den Namen tkH2Steel“.

Der 48-jährige Daniel Kretinsky zählt seit Jahren zu den reichsten Männern Tschechiens. Sein weit verzweigtes Firmenimperium erstreckt sich über die Bereiche Energie, Industrie, Handel, Finanzen und Medien. In Ostdeutschland gehören ihm ganz oder teilweise die Braunkohlekonzerne Mibrag und Leag, die auf eine verstärkte Produktion von klimaneutralem Strom aus erneuerbaren Energien umstellen wollen. Auch der größte Stromerzeuger der Slowakei, Slovenske elektrarny, gehört zur Unternehmensgruppe Kretinsky. Darüber hinaus ist Kretinsky der größte Anteilseigner des Großhandelsunternehmens Metro.

400 Millionen Euro Kaufpreis?

Die Übernahme des Anteils soll noch im laufenden Geschäftsjahr, das am 30. September 2024 endet, abgeschlossen werden. Die Zustimmung der Behörden sowie des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp steht noch aus. Der Stahlkonzern betonte, dass bestehende Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge durch die Transaktion nicht beeinflusst werden.

Über den genauen Verkaufspreis der Anteile wurde Stillschweigen vereinbart, ein Experte der Baader Bank schätzt, dass Thyssenkrupp zwischen 350 Millionen und 400 Millionen Euro erhalten könnte.

Thyssenkrupp hatte im vergangenen Geschäftsjahr hohe Abschreibungen auf sein Stahlgeschäft vorgenommen, das unter einer schwachen Nachfrage, sinkenden Preisen und steigenden Kosten leidet. Zuletzt hatte das Unternehmen angekündigt, die Kapazitäten am Standort Duisburg zu reduzieren, was auch zu einem weiteren Stellenabbau führen wird. Die Stahlsparte des Konzerns beschäftigt rund 27.000 Mitarbeiter, davon 13.000 in Duisburg.

Die Arbeitnehmervertreter zeigten sich besorgt über den neuen Einstieg. „Die Nachricht kam überraschend und die Mitbestimmung hat nur wenige Stunden vor der Öffentlichkeit von der Entscheidung erfahren. Das ist kein guter Stil und kein guter Start“, kritisierte Jürgen Kerner, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp und stellvertretender Vorsitzender der IG Metall. Er forderte eine Beteiligung der Mitbestimmung auf Augenhöhe und verbindliche Zusagen für ein tragfähiges Zukunftskonzept für den weiteren Umbau zu grünem Stahl.

Keine Zweifel an DRI-Anlage

Die Beteiligung könne ein guter Schritt für den klimaneutralen Umbau der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen sein, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). „Das Gelingen dieses Prozesses hängt aber auch von der Einbindung der Arbeitnehmerseite ab.“ Die weltweite Überproduktion von Stahl und die Herausforderungen im Energiebereich zeigten, dass Unternehmen wie Thyssenkrupp ihre Produktionsprozesse konsequent in Richtung Klimaneutralität transformieren müssten. „Wir gehen daher weiter davon aus, dass das Unternehmen den Bau einer wasserstoffbasierten DRI-Anlage und zwei Einschmelzern vollständig wie geplant am Standort Duisburg umsetzen wird“, sagte Neubaur. 

Ähnlich äußerte sich auch das Bundeswirtschaftsministerium. Das Projekt tkH2steel habe eine große Bedeutung für die Dekarbonisierung der Industrie und die Zukunft des Industriestandortes Deutschland. „Uns liegen keine Hinweise vor, die einer vollständigen Umsetzung entgegen stehen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

320°/re

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