Umbau der Industrie

Das hoch verschuldete Saarland macht Schulden wie noch nie. Damit will das Bundesland seine energieintensive Industrie klimafreundlich gestalten. Man sei in einer besonderen Notlage, argumentiert die Regierung.

3 Milliarden Euro – Saarland beschließt Transformationsfonds


Mit fast drei Milliarden Euro neuer Schulden will das Saarland in den kommenden zehn Jahren die energieintensive Industrie des Landes klimafreundlich und zukunftssicher umgestalten. Der Landtag beschloss dazu am Mittwoch mit den Stimmen der allein regierenden SPD die Schaffung eines Transformationsfonds. „Große Aufgaben erfordern große Antworten“, sagte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. Der neue Fonds, von dem 2,8 Milliarden Euro per Kredit finanziert werden sollen, sei „eine große Antwort auf die großen Aufgaben dieser Zeit“.

Zuvor hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Toscani gewarnt: „Die SPD treibt mit drei Milliarden neuen Schulden das Land in einen Teufelskreis der Überschuldung.“ Durch die neuen Schulden, die im Rahmen eines Nachtragshaushalts für 2022 beschlossen wurden, steigt die Gesamtverschuldung des knapp eine Million Einwohner zählenden Saarlandes nach Angaben des Rechnungshofs auf 18,1 Milliarden Euro. „Die SPD zockt mit der Zukunft unseres Landes“, kritisierte der Oppositionsführer.

„Unerlässlicher Möglichmacher“

Die Schaffung des Transformationsfonds wurde möglich, nachdem der Landtag unmittelbar zuvor mit den Stimmen der Regierungsmehrheit eine „außergewöhnliche Notsituation“ erklärt hatte. Nur in einer solchen Situation darf von der eigentlich geltenden Schuldenbremse abgewichen werden.

In dem Beschluss heißt es unter Berufung auf wissenschaftliche Gutachten, das Saarland werde durch die Vorschriften des Bundes zur Erreichung der Klimaschutzziele und durch die gestiegenen Energiepreise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine besonders schwer getroffen. Dies liege an der besonderen Abhängigkeit des Saarlandes von Stahl- und Automobilindustrie.

Rehlinger sagte, der saarländische Landtag habe noch nie bei Haushaltsberatungen „eine so große Summe beschlossen“. Dies sei aber nötig, um „nach vorne marschieren und die Zukunft gestalten“ zu können. Der Transformationsfonds sei ein unerlässlicher „Möglichmacher“, um beispielsweise mögliche Zuschüsse der Bundesregierung oder der EU zur Umstellung auf die Produktion von „grünem Stahl“ mit Landesmitteln kofinanzieren zu können.

Vorwürfe der Opposition

Am vergangenen Freitag hatten die Stahlhersteller Dillinger und Saarstahl einen 3,5 Milliarden Euro schweren Plan vorgelegt, um auf eine zukunftssichere Stahlproduktion mit Wasserstoff statt Kohle und Koks umzusteigen. Mindestens 60 Prozent der Investitionen sollen durch Fördermittel aufgebracht werden. „Wir sind in der Lage, unseren Anteil zu leisten“, sagte Rehlinger unter Hinweis auf den Transformationsfonds. „Meine Fantasie und meine Überlegungen zu dem, was in den nächsten Jahren in diesem Land alles möglich ist, sind deutlich größer als Ihre“, sagte sie in Richtung Opposition.

„Sie sind bereit, Landesschulden in einem Ausmaß in Kauf zu nehmen, sodass künftigen Generationen von Saarländern die Chance genommen wird, auf Krisen zu reagieren“, sagte Toscani. Die CDU sei zu höchstens einer Milliarde neuer Schulden bereit und schlage vor, die Investitionen aus dem Kernhaushalt zu finanzieren. Die Transformation der Saar-Wirtschaft müsse vor allem der Bund finanzieren. Dieser habe beim Ausstieg aus der Braunkohle gezeigt, dass er bereit sei, Regionen „massive überdurchschnittliche Mittel zur Verfügung zu stellen“. Solche „Extra-Gelder“ müsse Rehlinger jetzt aus Berlin holen.

Der saarländische Finanzminister Jakob von Weizsäcker (SPD) bezeichnete dies als „Oppositions-Mathematik“. Eine solche Finanzierung sei nicht möglich. Neben der CDU lehnte auch die AfD den Transformationsfonds ab: „Nein, wir wollen unseren Kindern und Enkeln diese Schulden nicht aufbürden“, sagte der Fraktionsvorsitzende Josef Dörr.

320°/dpa

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