Jahresrückblick

Spektakuläre Firmenübernahmen, eine schwierige Marktlage und immer wieder das Wertstoffgesetz: Das Jahr 2016 brachte kaum Höhen, aber viele Tiefen. Auch einige Überraschungen waren dabei. Unser Jahresrückblick für die Monate Januar bis Juni.

Das war 2016 – Teil I


JANUAR

Das Jahr 2016 stand abfallpolitisch im Zeichen des Wertstoffgesetzes –und genau so begann das Jahr. Im dem endlos erscheinenden Tauziehen um die Frage, wer für was zuständig sein soll, erringen die Kommunen zunächst einen Teilsieg. Mehrere Ausschüsse im Bundesrat stimmen einem Entschließungsantrag zu, der die Sammelverantwortung für Wertstoffe aus privaten Haushalten in kommunale Hände legt. Die privaten Entsorgerverbände sind entsetzt, das Bundesumweltministerium versucht gegenzusteuern. Ende des Monats nimmt der Bundesrat den Vorschlag an – die Auseinandersetzung wird ab sofort immer schärfer.

Bewegung kommt auch in die Mantelverordnung. Ein erstes Planspieltreffen findet in Berlin statt. Das Ergebnis: In Teilen müssen die Einzelverordnungen dringend angepasst werden. Angepasst wird derweil auch das Rating des schwer angeschlagenen Metallrecyclers Scholz. Eine Rating-Agentur stuft das Unternehmen als „Schuldner mit drohendem Zahlungsausfall“ ein. Die Suche nach einem Investor wird immer dringender.

Wie kompliziert die Rechtslage im Abfallbereich ist, zeigen unterdessen die Gerichte am Beispiel Sperrmüll: So erleidet die Berliner Stadtreinigung (BSR) Anfang Januar eine Niederlage vor dem Berliner Verwaltungsgericht: BSR habe kein Monopol auf die Sperrmüllsammlung heißt es, mehrere Untersagungsverfügungen gegen gewerbliche Sammler werden aufgehoben. Wenige Tage später entscheidet ein Oberverwaltungsgericht in NRW das Gegenteil: Die gewerbliche Sammlung von Sperrmüll sei gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz unzulässig.

FEBRUAR

Neben Scholz geraten in diesem Jahr noch weitere Unternehmen ins Schlingern: Auch die Alba Group ist auf Investorensuche, die Berliner kündigen an, zwei Kapitalgeber finden zu wollen – zum einen für den Ausbau des China-Geschäfts und zum anderen für den Unternehmensbereich Dienstleistungen. Auch die deutschen Töchter des Batterie-Recyclers Recylex stehen vor dem Aus, es muss dringend ein Finanzierungsangebot gefunden werden, heißt es von Konzernseite. Fündig auf der Käufersuche ist hingegen das insolvente Unternehmen Schmachtenberg geworden. Das Unternehmen Fritz Jul. Buchholz GmbH & Co. KG kauft den Hersteller von Schrottscherenmessern.

Für Aufsehen sorgt noch eine weitere Übernahme: Der chinesische Staatskonzern Beijing Enterprises Holding übernimmt die Energy from Waste GmbH (EEW). Der Kaufpreis beträgt 1,438 Milliarden Euro, es ist die bislang größte Direktinvestition aus China in ein deutsches Unternehmen. Der Know-how-Transfer nach China kann beginnen.

Währenddessen gehen die Querelen um das geplante Wertstoffgesetz weiter – die Privatwirtschaft fühlt sich zurückgesetzt. Passend dazu wird eine Untersuchung bekannt, dass kommunale Unternehmen mittelständische Entsorger immer mehr verdrängen. Vor allem in den neuen Bundesländern hätten zwischen 2006 und 2016 die Kommunen über ein Drittel der Hausmüllentsorgung verstaatlicht, die zuvor privatwirtschaftlich organisiert war.

MÄRZ

Der Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) lässt im März die Biogasbranche zittern: Die Förderung soll ab 2020 schrittweise auslaufen. Die Folge wäre die Stilllegung der meisten Biogasanlagen, befürchten Branchenvertreter. Auch die bvse-Mitglieder sind bezüglich der Entwicklung in ihrer Branche eher skeptisch. Maximal ein Prozent Umsatzwachstum erwarten die Unternehmen laut einer Branchenumfrage. Schuld seien fehlende Impulse, gestiegene Kosten und fallende Erlöse.

Ebenfalls für Unmut sorgt der Referentenentwurf zur Novelle der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung. Die Entsorgerverbände beklagen unnötige Hürden, der Entwurf ermögliche den Behörden zu starke Eingriffsmöglichkeiten. Erstmals positiv haben sich hingegen die Preise für Stahlschrotte entwickelt – der Türkei ist es zu verdanken, dass die Nachfrage nach Stahlschrott wieder anzieht. Im weiteren Verlauf des Jahres werden die Preise nach oben und unten noch kräftig ausschlagen.

APRIL

Das zweite Quartal beginnt damit, dass die Bundesregierung das Kreislaufwirtschaftspaket der EU-Kommission bemängelt. Zu unkonkrete Begriffe, fehlende Definitionen und zu strenge Anforderungen, urteilt die Regierung und legt Prüfvorbehalt ein. Auf nationaler Ebene zeigt eine bvse-Umfrage, wie frustriert die Baustoffrecycler bei der Warterei auf die Ersatzbaustoffverordnung inzwischen sind: Wer auf Nummer sichergehen will, setzt auf die Deponierung, so lautet inzwischen die Devise. Damit drohen die Preise um bis zu 20 Prozent zu steigen. In Bayern gibt es immerhin einen Monat später dazu drei neue Merkblätter.

Für Aufruhr sorgt auch eine Studie zur Entwicklung der gewerblichen Sammlung als Folge des novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Die Untersuchung ergibt, dass zwischen Juni 2012 und Januar 2015 lediglich ein Prozent der gemeinnützigen Sammlungen und 6 Prozent der gewerblichen Sammlungen untersagt wurden. Die privaten Entsorgerverbände protestieren: Sie kritisieren die unzureichende Datenbasis der Untersuchung.

MAI

Lob statt Kritik erhält das Bundesumweltministerium für seine Ankündigung, die umstrittene Heizwertklausel im Kreislaufwirtschaftsgesetz zu streichen. Damit soll die stoffliche Verwertung uneingeschränkt Vorrang vor der energetischen erhalten. Kritisiert wird das BMUB dagegen vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. Das Ministerium sei bezüglich des EU-Kreislaufwirtschaftspakets zu defensiv. Die Sachverständigen vermissen eine Vision des Bundesumweltministeriums.

Bei der EEG-Novelle meldet sich nun auch die Altholzbranche zu Wort. Sie fordert einen dreistufigen Kompromissplan, weil die geplante Streichung der Anschlussförderung die wirtschaftliche Existenz zahlreicher Altholzkraftwerke bedroht. Gute Zeiten herrschen hingegen am Stahlschrottmarkt – die Preise steigen um fast 50 Euro pro Tonne. Umso tiefer wird der Fall einen Monat später sein. Scholz ist derweil mit der Investorensuche einen Schritt weiter: Die chinesische Chiho-Tiande Gruppe hat angekündigt, die Mehrheit zu übernehmen.

Eine Studie von mehreren Verbänden zeigt erstmals ein umfassendes Branchenbild der Kreislaufwirtschaft. Dabei stellt sich heraus, dass rund 250.000 Beschäftigte in diesem Bereich arbeiten. Die Bruttowertschöpfung erreicht jährlich einen Wert von 25 Milliarden Euro. Ein Teil der Branche trifft sich Ende des Monats in München: Die weltgrößte Recyclingmesse IFAT öffnet ihre Tore – erneut mit Aussteller- und Besucherrekord.

JUNI

Die IFAT wird auch aus anderem Grund in Erinnerung bleiben. Kurz nach Eröffnung wabern Gerüchte durch die Messehallen, dass sich kommunale und private Verbandsvertreter auf ein Kompromisspapier bezüglich des Wertstoffgesetzes geeinigt haben. Die Gerüchte erweisen sich wenig später als wahr. In dem Kompromisspapier geht es jedoch nur um eine Fortentwicklung des Verpackungsrechts. Von einer Ausweitung der Wertstofferfassung auf stoffgleiche Nichtverpackungen ist nicht mehr die Rede. Das Papier läutet damit das Ende des Projekts Wertstoffgesetz ein – und legt den Grundstein für ein neues Verpackungsgesetz.

Wenig später schwenkt auch das Bundesumweltministerium auf den neuen Kurs ein. Damit steht fest, dass es keine deutschlandweite Wertstofftonne geben wird. Gegen Ende des Monats wird das abgespeckte Wertstoffgesetz dann Verpackungsgesetz genannt, der erste Entwurf wird wenige Wochen später veröffentlicht. Die ersten Reaktionen der Beteiligten fallen wie erwartet höchst unterschiedlich aus, fast alle begrüßen aber, dass das Papier noch in dieser Legislaturperiode verabschieden werden soll.

Das erste Halbjahr endet schließlich mit einem Paukenschlag: Gegen Ende des Monats schocken die Briten mit ihrem Brexit-Votum viele in Europa. Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit machen sich breit. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) befürchtet einen Vertrauensverlust in den Industriestandort Europa und einen spürbaren Rückgang der Exporte in das Vereinigte Königreich. Es sei völlig unklar, was das Referendum für Unternehmen mit britischen Tochterunternehmen bedeute. Auch noch Monate danach steht fest: Niemand weiß, wie es mit Großbritannien weitergehen wird.

Fortsetzung folgt…

© 320°/ek | 28.12.2016

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