Novelle der Düngeverordnung

Am 22. Juni ist die Stillhaltefrist zur Notifizierung der Düngeverordnung abgelaufen. Verbände hoffen nun, dass der Verordnungsentwurf insbesondere hinsichtlich der Stickstoff-Obergrenzen korrigiert wird. Sonst wäre der wichtigste Absatzmarkt für organische Dünger versperrt.

Düngeverordnung: Warten auf den neuen Entwurf


Ihre Kritik an der geplanten Novelle der Düngeverordnung (DüV) haben der Entsorgerverband BDE, der Verband der Humus- und Erdenwirtschaft (VHE) sowie die Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK) bereits zu Jahresbeginn geäußert. Rückendeckung bekommen die Verbände möglicherweise von der EU-Kommission. Die hatte den Verordnungstext drei Monate länger als üblich geprüft. Am 22. Juni ist die Stillhaltefrist zur Notifizierung der Düngeverordnung abgelaufen. Das macht den Verbänden Hoffnung, dass sich insbesondere bei den vorgesehenen Regelungen zu Kompost aus Bioabfällen noch etwas ändert.

Nach bisherigem Stand sieht der Entwurf der DüV nämlich vor, Stickstofffrachten und Aufbringungszeiten des Materials massiv zu begrenzen. Der wichtigste Absatzmarkt für den organischen Dünger, die Landwirtschaft, wäre damit versperrt, warnen die Verbände. In Deutschland gibt es rund 1.900 Bioabfallbehandlungsanlagen, die im Jahr 2012 knapp 3,9 Millionen Tonnen Kompost produziert haben. Rund drei Viertel des Komposts nimmt die Landwirtschaft ab.

Stickstoff-Obergrenze geplant

Konkret plant der Gesetzgeber eine Obergrenze für den Austrag von Stickstoff. Der in Düngern als Nitrat enthaltene Nährstoff ist am wirksamsten, wenn er pflanzenverfügbar ist. Dazu muss er im Boden in ausreichend Wasser gelöst werden. Das Problem: Bei Niederschlägen wird der Nährstoff in tiefere Bodenschichten ausgewaschen und sammelt sich schließlich im Grundwasser, was zu einer Belastung führen kann. Um das zu verhindern, sollen künftig per Gesetz maximal 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr durch Dünger im Boden freigesetzt werden dürfen.

Experten halten diese Regelung für fragwürdig. Denn Kompostdünger aus Bioabfällen würde sich von anderen Düngemitteln unterscheiden. Komposte sind so genannte Humusdünger. Der enthaltene Stickstoff ist größtenteils organisch gebunden und damit nicht pflanzenverfügbar. Das heißt: „Im Gegensatz zu anderen organischen Düngemitteln oder Wirtschaftsdüngern besteht Kompost aus überwiegend stabiler, humusreproduzierender organischer Substanz mit nur geringer Stickstofffreisetzung im Boden“, betont BDE-Präsident Peter Kurth.

statistic_id276020_kompost---verteilung-der-absatzbereiche-in-deutschland-2014Komposte mit Mineraldüngern auf eine Stufe zu stellen, ist deshalb problematisch. Genau das soll aber nach jetzigem Stand bei der Bewertung von Komposten in der Düngeplanung und der Berechnung von Nährstoffvergleichen geschehen, um Ausbringungsobergrenzen für Stickstoff zu ermitteln.

Unsachgemäßer Nährstoffvergleich

Die DüV-Novelle unterstelle bei einer Düngung mit Kompost eine Stickstoffwirksamkeit von nur drei bis fünf Prozent, rechne aber gleichzeitig in den Nährstoffvergleich praktisch 100 Prozent Wirksamkeit ein. Langjährige Feldversuche der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (NRW) hätten aber ergeben, dass nur sehr wenig Stickstoff aus Kompost ausgewaschen wird, weil die Bindung in Humusbestandteilen sehr stark ist.

Demnach würden in NRW in Abhängigkeit von Kompostart, Bodenart, Vorfrucht und weiteren Parametern nur 9 bis 13 Prozent des Gesamtstickstoffs aus der Kompostdüngung als pflanzenverfügbar gewertet. Nur durch eine solche Korrektur der rein rechnerisch bestimmten „Stickstoffüberschüsse“ könne, sagt Michael Schneider vom Verband der Humus- und Erdenwirtschaft (VHE), „eine am Pflanzenbedarf ausgerichtete und ausreichende Stickstoffdüngung bei einem regelmäßigen flächendeckenden Einsatz von Kompostprodukten realitätsnah ermittelt werden.“

Das unterstreicht auch noch einmal der BDE in seiner aktuellen Stellungnahme. Er fordert eine sachlichere Bewertung und empfiehlt, bei Komposten nur den verfügbaren Stickstoff in die Berechnung einzubeziehen.

Komposte würden kaum noch eingesetzt

Käme die aktuell im Novellentext vorgesehene Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr als Vorschrift, hätte dies schwerwiegende Auswirkungen auf den Einsatz von Kompost in der Landwirtschaft. Weil der Landwirt wegen der geringen pflanzenbaulichen Stickstoffverfügbarkeit von Kompost immer eine Ergänzungsdüngung mit Stickstoff vornehmen muss, würden die per Gesetz zulässigen Bilanzüberschüsse schnell überschritten. Dieses Risiko werden Landwirte nicht eingehen, meinen Vertreter der Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK).

statistic_id151890_kompostanlagen-in-deutschlandZum selben Ergebnis kommt auch eine im Januar veröffentliche Studie des Thünen-Instituts. Kompost würde dann als Dünger kaum noch eingesetzt werden. Aus dem gleichen Grund lehnt der BDE die Obergrenze ab. Neben den fachlichen Gründen, gebe es auch rechtliche Bedenken. Denn die EU-Vorgabe sehe eine Stickstoff-Obergrenze allein für tierische Ausscheidungen vor, so BDE-Präsident Kurth.

Sperrfristen haben keine rechtliche Grundlage

Ein weiterer Kritikpunkt der Verbände ist die in der DüV vorgesehene Sperrfrist für Komposte. Bislang darf Kompost ganzjährig eingesetzt werden, wird aber aufgrund seines sehr langsamen Nährstoffnachflusses in der Regel alle drei Jahre aufgebracht.

Aktuell sieht der bisherige Gesetzestext vor, die Kompostdüngung in den Herbst- und Wintermonaten und auf gefrorenem Boden zu verbieten. Hintergrund sind Forderungen der EU nach Sperrfristen für Düngemittel auf Flächen, die dem Aktionsprogramm des jeweiligen Landes zur Begrenzung der Nitratgehalte im Grundwasser nach der Nitratrichtlinie unterliegen. In Deutschland besteht dieses Aktionsprogramm im Wesentlichen aus der Düngeverordnung.

Gerade in den Herbst- und Wintermonaten lasse sich aber die Kompostdüngung unter den Aspekten des Bodenschutzes und Reduzierung von Stickstoffemissionen mit am besten platzieren, argumentiert VHE-Geschäftsführer Schneider. Eine kritische Auswaschung von Stickstoff könne im Winter aufgrund der niedrigen Bodentemperaturen und geringer Stickstofflöslichkeit nahezu ausgeschlossen werden, so Schneider.

Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch

Um die Düngeverordung in die richtige Richtung zu lenken, haben die Verbände bereits Lösungsvorschläge in der Schublade liegen. So hat das Thünen-Institut im Auftrag der BGK für den bestehenden Novellentext schon Anfang des Jahres Textergänzungen formuliert, welche die geringe Pflanzenverfügbarkeit von Stickstoff aus Komposten berücksichtigen sollen.

Der BDE will im Düngerecht darüber hinaus einen neuen Düngemitteltyp – „Organische Dünger mit humusstabilem Kohlenstoff“ – einführen. An diesen sollen Regelungen geknüpft werden, die der spezifischen Humuswirkung von Kompost gerecht werden und seinen bedarfsgerechten Einsatz auch weiterhin ermöglichen. Einen entsprechenden Vorschlag hat ebenfalls im Januar das Land Rheinland-Pfalz gemacht. Demnach sollen bei Humusdüngern im Jahr der Düngung beim Nährstoffvergleich für Stickstoff der verfügbare Stickstoffanteil zuzüglich fünf Prozent des organisch gebunden Stickstoffes angegeben werden.

Bezüglich der Sperrfristen hat die BGK vorgeschlagen, die Sperrfrist für Festmist, feste Gärprodukte und Kompost für den Zeitraum zwischen Mitte Dezember bis Mitte Januar auf rund 30 Tage zu begrenzen. Dieser könne zudem je nach Nitratbelastung des entsprechenden Gebiets verlängert werden kann.

Parlamentarisches Verfahren vor der Sommerpause?

Insgesamt ist es also gut möglich, dass der Verordnungsentwurf erneut angepasst wird. Korrekturbedarf sieht auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel. „Wir sind einer Meinung mit Herrn Remmel, dass es einen bundesweit einheitlichen Nährstoffvergleich für Stickstoff geben muss und begrüßen, dass er sich für eine weitere Verkürzung der in der Verordnung vorgesehenen Sperrfrist für Komposte einsetzt“, sagt Kurth in einer aktuellen Mitteilung des BDE.

Ursprünglich sollte die EU-Kommission den Entwurf der Düngeverordnung bis zum 22. März notifizieren und damit genehmigen, gab nun jedoch eine ausführliche Stellungnahme ab. Dadurch hatte sich die sogenannte Stillhaltefrist bis 22. Juni auf ein halbes Jahr verlängert. Aktuell prüft die Bundesregierung die Kommissionsstellungnahme. Ob das ursprünglich für das Frühjahr vorgesehene parlamentarische Verfahren noch vor der Sommerpause beginnen kann, ist allerdings fraglich.

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