Wirtschaftsstandort EU

Immer mehr Unternehmen sorgen sich um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Der Standort EU verliere an Attraktivität, warnen Wirtschaftsvertreter. Eine der dringlichsten Aufgaben: Der Abbau der Bürokratie.

Zu viel Bürokratie: „Das macht manche Firmen verrückt“


Unternehmen in Deutschland machen sich zunehmend Sorgen um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Europäischen Union. Der Standort EU verliere an Attraktivität, sagte die Leiterin der Vertretung der Deutschen Industrie- und Handelskammer bei der EU, Freya Lemcke, am Mittwoch in Berlin unter Berufung auf eine Unternehmensumfrage. Sie sprach von einem alarmierenden Signal wenige Monate vor der Europawahl im Juni.

Nach der Umfrage sind 56 Prozent der Unternehmen der Meinung, dass die Wettbewerbsfähigkeit der EU als Wirtschaftsstandort in den vergangenen fünf Jahren abgenommen hat. „Europa läuft trotz der grundlegend guten Ausgangslage Gefahr, im internationalen Wettbewerb an Boden zu verlieren. Dieser Trend muss umgehend gestoppt werden“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.

„Tsunami“ an Gesetzen

Der Abbau von Bürokratie ist mit Abstand die dringlichste Aufgabe für die neue EU-Kommission und das neue Europaparlament, wie die Umfrage ergab – das sagten 95 Prozent der Firmen. Danach folgen die Sicherung der Energieversorgung und der Schutz vor Angriffen, zum Beispiel Cyberattacken.

Lemcke sprach von einer erdrückenden Bürokratie, die zu viel Frust und Unsicherheit bei den Unternehmen führe. Die Unternehmen seien zu sehr damit beschäftigt, zu berichten und zu dokumentieren. Es gebe einen Gesetzes-„Tsunami“, der viele Unternehmen überfordere.

„Es ist zu aufwendig und zu kompliziert“, sagte Sibylle Thierer, Vizepräsidentin bei Eurochambres, dem europäischen Dachverband der Industrie- und Handelskammern. Gesetze seien oft nicht aufeinander abgestimmt, das mache Firmen verrückt. Lemcke sagte, viele Vorschriften seien realitätsfremd und vor allem für kleine Unternehmen schwer umzusetzen.

Mercedes-Chef gegen Arbeitszeitverkürzung

Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius hat unterdessen Gedankenspiele über eine Arbeitszeitverkürzung in Deutschland kritisiert. Jede politische Entscheidung, die die Produktivität hierzulande senke, mache den Standort unattraktiver, sagte der Chef des Autobauers bei einer Veranstaltung von Wirtschaftsjournalisten am Dienstagabend in Stuttgart.

Umgekehrt machten Entscheidungen den Standort attraktiver, die den Arbeitsmarkt flexibilisierten oder Anreize schafften, länger zu arbeiten oder Überstunden zu machen, so Källenius. Dies könne zum Beispiel durch eine andere Besteuerung geschehen. Im Vergleich zu Ländern wie den USA, China oder der Schweiz zeige sich, dass dort netto mehr Stunden gearbeitet würden als in Deutschland.

Im Herbst steht die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie an. Dort liegt die Wochenarbeitszeit derzeit bei 35 Stunden. Im aktuellen Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der GDL ist die Verkürzung der Wochenarbeitszeit im Schichtdienst ein Knackpunkt.

320°/dpa/re

Mehr zum Thema
EU-Parlament stimmt Verpackungsverordnung zu
Freiburg bereitet Einführung einer Verpackungssteuer vor
EU-Parlament stimmt Ökodesign-Verordnung zu
Kreislaufwirtschaft: Deutschland und China vereinbaren Aktionsplan