E-Schrott-Standards

Wie lässt sich eine ordnungsgemäße E-Schrott-Entsorgung sicherstellen? Möglicherweise mit der gesetzlichen Vorgabe, dass jeder E-Schrott-Aufbereiter nach einem Recyclingstandard zertifizieren werden muss. Andere Länder machen das schon vor. Warum nicht auch Deutschland?

Einer für alle


Was könnte ein gesetzlich vorgeschriebener Recyclingstandard für E-Schrott nicht alles leisten: Er würde das Recycling schlagartig auf ein höheres Niveau hieven. Die Qualität der Sammlung würde sich verbessern und mehr kritische Materialien könnten zurückgewonnen werden. Zudem würde er endlich das Level Playing Field schaffen, auf das die Branche so ungeduldig wartet. Und ganz nebenbei würde ein solcher Standard den Sumpf austrocknen, in dem sich dubiose Aufbereiter tummeln.

Gute Standards, die das leisten können, gibt es schon. Gesetzlich vorgeschrieben sind die Standards aber nur in wenigen Ländern. Dazu zählen Frankreich, die Niederlande und Irland. In allen anderen EU-Staaten besteht für E-Schrott-Recycler keine gesetzliche Pflicht, sich nach einem anerkannten Standard zertifizieren zu lassen. Doch inzwischen werden die Stimmen lauter, die nach einer EU-weiten Verpflichtung aller E-Schrott-Unternehmen zur Einhaltung von Standards rufen.

Cenelec-Standards könnten das Rennen machen

Nur welcher Standard sollte es sein? Für Thierry Van Kerckhoven vom belgischen Materialtechnik- und Recyclingkonzern Umicore liegt das auf der Hand: „Die EU-Mitgliedsstaaten sollten per Gesetz entscheiden, dass Recyclingbetriebe mit den Cenelec-Standards konform sein müssen“, sagte der Recyclingexperte erst kürzlich.

Auch die Alba-Tochter Alba Electronics Recycling ist ein Cenelec-Verfechter. Alba hat sich bereits 2016 als eines der ersten E-Schrott-Recyclingunternehmen Deutschlands nach diesen Standards zertifizieren lassen. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Behandlung von Flachbildschirmen. Hierfür hatte Alba im Jahr zuvor eine automatisierte Zerlegung entwickelt.

Hinter dem Begriff Cenelec-Standards verbirgt sich die Normenreihe DIN EN 50625-1:2014-09. Diese Europäische Norm beschreibt Anforderungen an die Behandlung und Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Die Norm enthält verschiedene Teile, mit der die gesamte Recyclingkette abgedeckt wird: von der Sammlung und dem Transport über die Vorbereitung zur Wiederverwendung bis zum Umgang mit den Elektro- und Elektronikaltgeräten. Cenelec selbst ist das europäische Standardisierungskomitee der Europäischen Elektro- und Elektronik-Industrie.

Seit Neuestem gehört auch die Endverarbeitung zum Set der Cenelec-Standards. Zumindest die Endverarbeitung von kupfer- und edelmetallhaltigen WEEE-Fraktionen. Als erster Endverarbeiter hat sich Umicore nach dem „Final Treatment“-Standard zertifizieren lassen. Für andere WEEE-Fraktionen wie beispielsweise für Kunststoffe gibt es noch keinen eigenen Endverarbeitungsstandard.


Stichwort: Cenelec-Standards

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[su_spoiler title=“Zentrale Inhalte“] • Grundsätzlich werden folgende Ziele mit der Einhaltung der Anforderungen aus der Normenreihe formuliert: Das werkstoffliche Recycling soll gefördert und hochwertige Verwertungsverfahren unterstützt werden. Eine unsachgemäße Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten soll vermieden werden.

• Der Teil 1 der Normenreihe enthält allgemeine Anforderungen an die Behandlung und die Schadstoffentfrachtung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Die weiteren Teile der Norm benennen spezielle Anforderungen an die Behandlung von schadstoffhaltigen E-Schrott-Strömen. Dazu zählen (Gasentladungs-)Lampen, Flachbildschirme, Monitore mit Kathodenstrahlröhren, Photovoltaik-Module und Geräte, die flüchtige Fluorkohlenwasserstoffe oder flüchtige Kohlenwasserstoffe enthalten.

• Die WEEE-Richtlinie legt Recycling- und Verwertungsziele fest. Die EN-Reihe und die Technical Specifications (TS) enthalten eine detaillierte Berechnungsmethode, die auf den Anforderungen der Richtlinie basiert.

• Die Europäische Normen enthalten auch die in der WEEE-Richtlinie formulierten Konformitätskriterien für die Schadstoffentfrachtung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten.
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[su_spoiler title=“Basis der Standards“] • Die Normenreihe basiert im Großen und Ganzen auf den Anforderungen der Branchenorganisation European Electronics Recyclers Association (EERA) und auf den Anforderungen der unabhängigen Non-Profit-Organisation Weeelabex.

• Der Weeelabex-Standard ist mittlerweile in die Cenelec-Standards überführt worden. Davor war er gültig für die Mitglieder des europäischen WEEE-Forums (knapp 40 Sammel- und Verwertungssysteme) sowie seit Juni 2015 für niederländische Recyclingbetriebe.

• Da es seit Anfang des Jahres den Cenelec-Standard „Final Treatment“ gibt, läuft der von der EERA und der Branchenorganisation Eurometaux ausgearbeitete End-Processor-Standard Ende 2018 aus. Er verliert dann seine Gültigkeit.
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[su_spoiler title=“Nutzen für die Recyclingwirtschaft“] • „Die Standards geben Hilfe für alle großen und kleinen WEEE-Behandlungsanlagen zur unbürokratischen Erfüllung der gesetzlichen WEEE-Vorgaben.“ So beschrieb Ullrich Didszun vom Beratungsunternehmen UDZ Consult einmal den Nutzen.

• Das Standard-Set gibt Anleitungen für den Erstbehandler und beinhaltet Anweisungen der Abfallbehandlung für alle WEEE-Kategorien.

• Das Standard-Set unterstützt durch konkrete Handlungsanweisungen für Sammlung und Transport die geforderte umweltschonende Behandlung von WEEE.

• Darüber hinaus bieten die Cenelec-Standards laut Didszun auch beim Handel mit Downstream-Fraktionen Vorteile. Diese sieht der E-Schrott-Experte vor allem in der europäischen Harmonisierung und der Überwindung von Handelsbarrieren. Daneben würden dadurch Geschäftsmöglichkeiten gefördert sowie auch das Management des Downstreams erleichtert.

• Nicht zuletzt gibt es auch unter vertrieblichen Aspekt einen Nutzen: Der Anlagenbetreiber kann damit seinen Kunden demonstrieren, dass sie einen Partner haben, der eine Behandlung nach dem Stand der Technik gewährleistet und außerdem ständig seine Prozesse und seine Qualität überwacht und verbessert.
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Cenelec ist aber nicht der einzige Standard, nach dem sich deutsche und europäische E-Schrott-Recycler zertifizieren lassen können. Es gibt noch zwei weitere Standards, die es auf die internationale Bühne geschafft haben: der R2-Standard und der e-Stewards. Beide sind US-amerikanische Standards.

Der von der Firma R2 Solutions entwickelte „Responsible Recycling“-Standard (R2 Standard) wurde 2013 überarbeitet. Er definiert zusätzlich zur US-Gesetzgebung Qualitätskriterien und Prozesse. Diese beschränken sich nicht nur auf den Erstbehandler, sondern gelten auch für alle nachgelagerten Akteure in der Recyclingkette.

Der e-Stewards wurde vom Basel Action Network entwickelt. Der e-Stewards geht über die Dokumentationspflichten des R2-Standards hinaus. Er verlangt beispielsweise grundsätzlich ISO14001. Darüber hinaus untersucht er den ökologischen Fußabdruck und gewährleistet, dass die Entsorger keinen belasteten E-Schrott in Deponien abladen.


Stichwort: R2 Standard und e-Stewards

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[su_spoiler title=“R2-Standard:“] • Der Fokus des R2-Standards liegt auf dem gesamten Materialfluss: Auch die Lagerung als auch die beteiligten Transportunternehmen werden kontrolliert. Unter die Kontrolle fallen auch Weiterverkäufe und nachgelagerte Verwerter, um somit illegale Exporte verhindern zu können.

• In den Standard sind außerdem Stahlwerke oder Ähnliches einbezogen, die keine Abfallbehandler im eigentlichen Sinne sind.

• Im Mittelpunkt des Standrads steht die Behandlung von sogenannten Fokusmaterialien, das heißt Materialien mit besonderem Umweltgefährdungspotenzial wie Quecksilber, Batterien, Kathodenstrahlröhren oder Leiterplatten.

• Um die Einhaltung der vorgeschriebenen Kriterien zu überwachen, werden die Firmen regelmäßig überprüft.

• Europäische Recyclingunternehmen dürften sich relativ einfach nach dem R2-Standard zertifizieren lassen können. Denn er umfasst viele Dinge, die in Europa ohnehin gang und gäbe sind. Unternehmen, die beispielsweise nach ISO 14.001 zertifiziert sind, könnten den Standard mit wenig Aufwand ergänzen. Allerdings ist die Auditierung kostenpflichtig und wesentlich teurer als die Zertifizierung nach ISO 14.0001 oder als Entsorgungsfachbetrieb.
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[su_spoiler title=“e-Stewards:“] • Der e-Stewards ist ein weltweit anerkanntes, fremdgeprüftes Programm. Mit der Zertifizierung zum e-Steward verpflichten sich die Unternehmen, eine Reihe spezifizierter Anforderungen einzuhalten. Dazu gehört das Verbot, elektronische Geräte auf Mülldeponien oder in Müllverbrennungsanlagen zu entsorgen. Ferner darf Elektronikschrott nicht in Entwicklungsländer exportiert werden. Hinzu kommen strenge Umweltauflagen.

• Was die Dokumentationspflichten angeht, geht der e-Stewards weiter als der R2-Standard. So wird die Zertifizierung nach ISO 14001 vorgeschrieben. Wer sich nach dem e-Steward zertifizieren lassen will, muss beispielsweise gewährleisten, dass er keinen belasteten E-Schrott auf Deponien entsorgt.

• Ein besonderer Schwerpunkt liegt beim „Gold Standard for Electronics Recycling“ darauf, dass kein E-Schrott und damit gesundheits- und umweltschädliche Stoffe in Nicht-OECD-Länder exportiert werden.

• Wie auch beim R2-Standard ist eine e-Stewards-Zertifizierung kostenpflichtig. Die Lizenzgebühr geht dabei über das Audit hinaus und ist jährlich fällig.

• Im Großen und Ganzen sehen europäische Recycler den e-Stewards mit kritischen Augen. Was vor allem stark kritisiert wird, ist die hohe Lizenzgebühr, die über das Audit hinausgeht.
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Warum es trotz der vorhandenen Standards keine Pflicht gibt, sich den Behandlungsrichtlinien zu unterwerfen, ist für viele Branchenvertreter unverständlich. Man könne nicht Missstände beklagen und zugleich nichts dagegen tun, macht ein Recycler deutlich. Darauf zu warten, dass alle Aufbereiter freiwillig die Richtlinien einhalten werden, sei ein hehres Ziel. Wirklich erfolgversprechend sei es jedoch nicht.

 

© 320° | 29.10.2018

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