Langer Negativzyklus

Schon seit März 2022 befindet sich die Stahlindustrie auf Talfahrt. In diesem Jahr ist vor allem die Elektrostahlproduktion auf Basis von Stahlschrott stark zurückgegangen. Der Branchenverband WV Stahl richtet einen eindringlichen Appell an die Politik.

„Die Stahlproduktion befindet sich im freien Fall“


Die Stahlindustrie in Deutschland rechnet für 2023 mit einem Rückgang der Rohstahlproduktion um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit 35,5 Millionen Tonnen werde 2023 eines der produktionsschwächsten Jahre werden, teilte die Wirtschaftsvereinigung Stahl am Dienstag mit. Nur im Finanzkrisenjahr 2009 sei noch weniger Rohstahl produziert worden.

Als Hauptgründe nannte der Branchenverband hohe Strompreise und die schwache Konjunktur. 2022 sei bereits ein Rückgang von rund 8 Prozent gegenüber 2021 verzeichnet worden.

Besonders betroffen ist den Angaben zufolge die stromintensive Herstellung von Elektrostahl aus Schrott. Die Produktionsmenge wird 2023 um 11 Prozent auf 10,1 Millionen Tonnen sinken. „Dieses niedrige Produktionsniveau wurde zuletzt vor dreißig Jahren unterschritten“, so der Verband.

„Die Politik muss bezahlbare Strompreise schaffen“

Sorgen bereitet der Branche auch die Dauer der Rezession. Bereits seit März 2022 seien bis auf einen leichten Anstieg im September 2023 stetige Produktionsrückgänge zu verzeichnen. „In der zyklischen und volatilen Stahlkonjunktur ist ein derart lang gezogener Negativzyklus bislang in Deutschland noch nicht beobachtet worden“, hieß es.

„Die Produktionsdaten in diesem Jahr geben Anlass zur größten Sorge: Die Stahlproduktion befindet sich gegenwärtig im freien Fall“, sagt Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Um tiefgreifende Einschnitte am Stahlstandort zu verhindern, müsse jetzt dringend gehandelt werden.

„Der jüngste Haushaltskompromiss der Koalitionspartner, der unter anderem den Wegfall des staatlichen Zuschusses zu den Übertragungsnetzentgelten beinhaltete, führt hier weit weg vom eigentlichen Ziel wettbewerbsfähiger Strompreise: Mit der nun angekündigten Verdopplung der Übertragungsnetzentgelte werden die Strombezugskosten der Unternehmen weiter signifikant in die Höhe getrieben“, so Rippel.

Ohne eine Lösung für wettbewerbsfähige Strompreise werde sich die Stahlkonjunktur nicht beruhigen, erklärte die Hauptgeschäftsführerin. „Die Politik muss sich ihrer Aufgabe, bezahlbare Strompreise zu schaffen, deshalb weiterhin und mit Hochdruck stellen!“

320°/dpa

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